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Wir haben das Bollwerk in Wien getestet

Unsere Autorin war mit ihrer Proll-Gang im Bollwerk. Sie fand es toll.

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Das Bollwerk ist eine Kette aus Großraum-Discos, die man im ländlichen Raum gut, in Wien eher vom Hörensagen kennt. Die meisten waren noch nie dort, kennen aber den Namen und vermuten das Lokal im tiefsten Hinterland. Aus meiner Freundesliste wusste auch niemand, dass mittlerweile ein Bollwerk in Wien aufgemacht hat. Die Motivation, mich zu meinem obligaten Test am Freitag dorthin zu begleiten, war unter meinen Bekannten eher gering. Es ist wahrscheinlich hinfällig, zu erwähnen, dass es alleine gar keinen Spaß gemacht hätte.

Mit einigen gerissenen Tricks habe ich es dann doch geschafft, ein paar Freunde zu motivieren. Außerdem habe ich wirklich fest daran geglaubt, dass wir es lustig haben werden. Wieso ich das geglaubt habe? Nun, das Bollwerk hat genau dort eröffnet, wo ehemals der Club Couture war. In der Hochburg des ideellen und geistigen Austausches: das Donauzentrum im 22. Bezirk.

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Vor dem Club Couture war dort die Nachtschicht—womit wir bei den Anfängen meiner Jugend wären. Wenn ich nostalgisch von Gigi schwärme, dann schwärme ich eigentlich von der Schicht, meinen weißen Hosen und Eristoff Ice. Ich habe meinen ersten richtigen Freund besoffen im VW Polo meine Liebe beteuert, um nachher Wodka Bull aus dem Fenster zu speiben. Ich habe meine ersten Heulanfälle und Schmusereien mit meiner EBF (Ehemaligen Besten Freundin) in der „Mausefalle” zu diversen österreichischen Volkspop-Liedern gehabt. Meine Tally Weijl-Gürtel und Wasserfall-Tops habe ich nur dahin ausgeführt—kurz gesagt, ich hatte meinen Spaß in Großraum-Discos. Lange bevor mein höchst intellektuelles Umfeld mir beigebracht hat, dass man gefälligst nur an coolen Orten mit cooler Musik Spaß zu haben hat.

Eine Disco mit einer Ess-Ecke.

Wer auch noch nie in der Schicht, Club Couture oder einer anderen Großraum-Disco war, sollte zwei Sachen wissen. Erstens: Du hast etwas verpasst, ich gratuliere dir zu deiner normalen Jugend. Zweitens: Eine Großraum-Disco heißt so, weil sie aus großen Räumen besteht. Im Endeffekt funktioniert jede österreichische Großraum-Disco nach Schema F. Die Schema F-Theorie bestätigt auch die Tatsache, dass die Räumlichkeiten seit 2004 trotz drei Neu-Übernahmen nicht wirklich verändert wurden. Ich bin kein besonders aufmerksamer Gast, aber die Geldsumme, die in einen Umbau investiert worden ist, beläuft sich schätzungsweise auf 70 Euro. Also von innen sieht es aus wie das Club Couture. Und das Club Couture hat von innen wie die Nachtschicht ausgesehen.

Es gibt den großen Eingangsraum, wo es ein bisschen leiser ist. Dort gibt es eine Bar, einen Bankomaten und einen Pizza-Corner. Dann gibt es den „Soul Club“—einen riesigen Floor, wo Rihanna und so gespielt wird. Der „Soul Club” ist ab 18 oder 21, deshalb war mit 15 auch immer „Soul Club” das Ziel. Dann gibt es das „Stadl”—oder auch „Mausefalle”. Das ist ein riesiger Floor, der urig und holzig dekoriert ist. Da hört man „Das knallrote Gummiboot” und Helene und so. Da trifft man auch Menschen an, die um die 50 Jahre alt sind. Und der größte Floor—der ab 16 ist—da spielt es eine seltsame EDM-Abwandlung von Pop und Techno. Wie du siehst, ist so eine Disco eine fucking Kleinstadt, die sich im Zombie-Fall selbst versorgen und erhalten könnte. Wenn du dich fragst, welche Menschen so etwas aufsuchen: Laut Vorurteil hauptsächlich Menschen aus dem 22. Bezirk, Wien-Umgebung-Bauern und Minderjährige. Viele Menschen würden das als „proletoid” beschreiben, aber ich bin nur bedingt der Meinung.

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Soul-Club.

Meine Freunde sind mehr oder minder offensichtliche Prolls, die einfach gelernt haben, im Alltag nicht ganz so arg prollig zu sein. Meine Runde an dem Abend bestand dementsprechend auch aus drei Freunden aus dem 22. Ein Wiener weiß, dass die wahre Elite aus „Zwölfzwanzig“ kommt. Deshalb gab es auch lange vor der Eröffnung des Praterdomes in diesem ländlich-elitären Bezirk hinter der Donau bereits eine Großraum-Disco.

Vorgeglüht haben wir mit circa zehn oder zwanzig Stamperln pro Person und einigen Flaschen Wein—die genaue Zahl ist nicht mehr nachvollziehbar. Aus Gründen. Das Beste daran, wenn man sich für Locations wie das Bollwerk entscheidet: Der totale Absturz ist allgemeiner Konsens. Zu sagen, dass wir dort betrunken angekommen sind, wäre wahrscheinlich eine Beschönigung des Ganzen. Jedenfalls waren wir dank Obstler und der Tatsache, dass einer von uns noch nie die Imposanz einer Großraum-Disco erfahren hatte, äußerst motiviert und gut gelaunt. Ich halte es für wichtig, das zu wiederholen: Das Vorglühen war viel, viel härter, als hätten wir uns in einen unserer Stammschuppen bewegt.

Defintiv nicht ich.

Vor Ort war eine Eintritts-Gebühr von zehn Euro zu entrichten, was ich als ziemlich teuer ansehe. Leider kann ich mich wirklich nicht erinnern, wie viel ein Bier gekostet hat, da meine erste Bestellung eine Wodka-Flasche um 35 Euro war. Ohne Mischgetränke. Weil „Pff, wozu Fredi, kostet nur wieder und bremst den Rausch”. Sowas oder ähnliches habe ich zu mir gesagt und 35 Euro auf den Tresen gelegt.

Also sind fünf Menschen zwischen 20 und 30 Jahren mit einer Eristoff-Flasche in der Hand herumgerannt und haben die Einstellung „Ist doch eh wurscht!” auch richtig ausgestrahlt. Wir hatten auch keine Gläser für die Flasche. Eigentlich waren wir darauf eingestellt, eh eine Disco voller Prolos zu besuchen. Deshalb haben wir ja auch so viel vorgeglüht. Nun, die Gäste waren alle ganz normal. Vielleicht ein bisschen zu jung für meinen Geschmack, aber ganz normale Menschen. Wir waren mit Abstand die prolligste Proll-Gang im Bollwerk. Wir haben quasi die Prolligkeit mit ins Bollwerk gebracht.

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Irgendwann hat meine Freundin—die mit dem bodenlangen Ball-Kleid—ihre Schuhe ausgezogen und hat Barfuß getanzt. Ein anderer Freund hat sein Shirt ausgezogen und im „Soul Club” seine ausufernden Balz-Tänze zu Rihanna zum Besten gegeben. Ein anderer Freund hat dank potenzsteigerndem Wodka-Konsum angefangen, zwei Jessicas anzugraben, die vielleicht eh schon über 18 waren. Wahrscheinlich erwarten sich jetzt einige, dass ich schreibe „He, da waren die ur dummen, asozialen Leute dort.” Ja waren sie. Wir waren das. Die anderen Gäste waren vollkommen in Ordnung.

Was soll ich sagen? Wir haben im Soul Club vorbeigehende Menschen angerammelt, uns mit 16-jährigen unterhalten, im „Stadl” zu Helene Fischer auf den den Tischen getanzt, Solettis in die Menge geschmissen und am Mainfloor—der ab 16 ist—alle möglichen Tanzbühnen gestürmt und Fotos mit der Anlage gemacht. Wir haben—glaube ich—auch Renee Rodrigezz, den Resident-DJ—irgendwelche Liederwünsche zugeschrien.

Im Nachhinein ist es mir ein wirkliches Rätsel, wie wir es so lange geschafft haben, im Lokal zu bleiben. Also, wir sind eh rausgeflogen, aber eigentlich mit drei katastrophalen Stunden Verspätung. Der Grund war ein lustiger Zufall. Mein Trash-Liebendes männliches Pedant, ist plötzlich im „Stadl” mit einer großen Wodka-Flasche vor uns gestanden. Ich habe ihn gefragt, wo er die her hat—und er so: „Ist da am Tisch gestanden” und hat auf die Bar gezeigt. Dazu sei gesagt, dass wir die Flasche sofort wieder retournieren mussten, uns entschuldigt haben und dass er das Ganze wirklich nicht gecheckt hat. Also bewusster Diebstahl geht anders. Schlauer zum Beispiel.

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Die Flasche von dem Tisch.

So nett wie im Bollwerk, wurde ich noch nie rausgebeten. Und ich habe Erfahrung damit. Ungelogen: Im Bollwerk Wien arbeiten die nettesten Türsteher ganz Wiens. Wir waren echt die ärgsten Assis und wurden hinausgebeten wie die englische Königsfamilie. Das Bollwerk hat gefühlte 200 Quadratmeter. Also: Stock aus dem Arsch, schüttet das scheiß Makava weg und ab geht es mal auf die Piste. Es muss ja nicht jedes Wochenende sein. Ja, einen Sexual-Partner findet man da eher nicht. Aber einmal muss man sich das schon geben. War sicherlich einer meiner lustigsten Abende in diesem Jahr. Schwör' Bruda.

Fredi hat auch Twitter: @schla_wienerin

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