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Warum man als Mittvierziger mit wesentlich jüngeren Menschen ausgehen sollte

Dieser Text ist eine Ode an die Jugend und ihr Partytum.

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Als Ü40 hat man es nicht leicht. Das beschwingte Altknacker-Dasein wird praktisch ausnahmslos von kreuzfahrenden und nordicwalkenden Menschen in ihren 50ern, 60ern und neuerdings auch 70ern vereinnahmt, in deren Augen man oft nicht mehr als verweichlichtes, aber notwendiges Übel zur Rentenfinanzierung betrachtet wird. Gleichzeitig befinden sich alle in den 30ern in einem beinharten Krieg um Jobs und Dates quer durch alle Altersklassen. Aber was machen wir, die sich schon früh aus dem jugendlichen Dauerrausch verabschiedet haben, um den (meist ungeplanten) frühen Wurf großzuziehen und zu versorgen? Die jetzt, mit Anfang Vierzig, erwachsene Kinder und halbwegs stabile Lebensumstände haben und mit der neu gewonnen Freizeit fast so verschwenderisch umgehen können wie seinerzeit jene Dandys, die ihre Schildkröten an der Leine führten?

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OK, wir können uns mit Gleichaltrigen vergnügen. Man hat die Wahl: entweder die, bei denen am letzten Drücker jetzt doch noch der Fortpflanzungstrieb eingesetzt hat. Diese einstmals so unternehmungslustigen Karrierestreber sitzen nun gefühlsduselig mit ihrem Nachwuchs im Eigenheim. Oder diejenigen, die (mit oder ohne Partner) apathisch in der Dauermidlifecrisis rumhängen und golfspielend, shoppend und Cabrio fahrend auf ihre Rente warten, in der sie dann noch mehr Zeit haben, der guten alten Zeit nachzutrauern.

Fairerweise muss man schon sagen: Viele jahrzehntelange Freundschaften sind nicht mit Gold aufzuwiegen. Aber wenn bei gemeinsamen Unternehmungen erst wieder nur die Rede von Kindern ist, die gleiche Mucke wie immer schon gehört wird und auch die schrägsten Fickgeschichten aus den MDMA-schwangeren 90ern schön langsam etwas anklagend klingen, macht das gemeinsame Fortgehen dann auch nicht mehr so viel Spaß. Vor allem dann, wenn um Mitternacht bei den meisten der Kopfpolster daheim verlockender ist als das nächste Gin Tonic. Ich empfehle euch daher, liebe vorgerückte GenX: knüpft Kontakte zu allen, die gerade in die Windeln geschissen haben, als sich Cobain die Birne weggeblasen hat. Zieht doch öfter mal mit ein paar Menschen um die Häuser, die nur halb so alt sind wie ihr selbst. Das macht Spaß, hat aber auch ganz pragmatische Gründe. Aber seid gewarnt: Das geht ordentlich auf die Substanz.

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Stay in touch. Das klingt jetzt wie aus einem Erziehungs- oder Unternehmensratgeber, aber es ist viel Wahres dran. Wie willst du denn jetzt deine schon fast erwachsenen beziehungsweise noch kleinen Kinder verstehen, wenn du keinen Tau hast, wie sie leben? Im Job junge Leute zu beobachten wird dir nix nützen, hier spielt jeder nur seine Rolle. Außer vielleicht du arbeitest in deinem hohen Alter jenseits der 40 immer noch „irgendwas mit Medien", dann läuft das ein wenig lockerer und du bekommst mehr ungefiltertes Verhalten mit. Ansonsten bekommst du nur dann einen ehrlichen Zugang zu jungen Erwachsenen, wenn du mit ihnen ordentlich einen draufmachst. Das setzt natürlich voraus, dass du entsprechend chillst und nicht schon von weitem die Mama/Papa-Aura ausstrahlst, modisch eine Zumutung oder grundsätzlich einfach nur der geborene Cockblocker bist. Bleib locker und bei entsprechender Sympathie lädt man dich vielleicht auch mal zu einem zünftigen Heimfestl ein.

Pragmatik pur: Du sparst echt Geld. Keiner kann besser knausern als Studenten und Praktikanten, da kannst du dir echt was abschauen. Vielleicht kannst du dich noch erinnern, als du damals mit wenigen hundert Schillingen mehrtägige Superräusche in Hunter S. Thompson-Qualität finanziert hast— heute für dich eine abhanden gekommene Kunst. Sieh aufmerksam zu, wie deine jungen Saufkumpane mit zehn Euro einen ganzen Abend finanzieren. Oder wie du effizient auf Homepartys vorglühst. Gut, der Veltliner ist eventuell nicht ganz on par mit deiner Lieblingsrebe von Wein & Co, aber wir sind hier bitteschön in der Disziplin Wirkungstrinken und nicht beim Degustationsabend.

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Wenn du also wo eingeladen bist, demonstriere deine wahrscheinlich überlegene finanzielle Schlagkraft nicht mit Prädikatströpferln, sondern wahlweise mit rauer Alkoholmenge, einer Stange Tschick oder einem paar dampfenden Pizzen. Man wird es dir von Herzen danken und dich im Gegenzug mit Musik beschallen, die du nicht kennst, Angeboten von Drogen überhäufen, von denen du die Hälfte wahrscheinlich noch nicht mal gehört hast und von Filmen und Büchern erzählen, die unbedingt sehen solltest. Nimm alles in dich auf, du bekommst hier Updates, das du in keiner Trendspalte findest. Und du kannst hier, im Gegensatz zu den Tupperpartys im Reihenhaus deiner Arbeitskollegin, in der versifften WG die Schuhe anlassen und deinen Ofen auf der Couch und nicht heimlich bei minus fünf Grad am Balkon rauchen.

Wer es in den beiden Jahrzehnten vorm Millennium krachen ließ, kann wahrscheinlich auch heute noch bei guter Gelegenheit seine gierigen Griffel nicht von Substanzen lassen. Meist der Haken dabei: woher nehmen? Nachdem du ja nicht mehr an fünf Abenden pro Woche fortgehst und die Leute triffst, die wen kennen, der was hat, ist es mit dem Nachschub schwierig. Ok, es gibt im Hidden Marketplaces im Web und zuverlässige private Quellen, aber das ist alles andere als spontan. Hier spielen deine jungen Freunde das Trumpf-Ass aus: sie wissen mit Sicherheit einen zuverlässigen Dealer, der noch in der nächsten Stunde irgendwas aus dem Hut zaubern kann, was breit, munter oder komplett verstrahlt macht.

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Freilich, du bist hinsichtlich Marschierpulver von deinem Kontakt aus der Bankenbranche besseres gewöhnt als das Zeug, das dir eine Lehramtsstudentin kredenzt. Und auch das vollkommen überteuerte Weed des Friseurgesellen ist Stopftabak im Vergleich zu der im Südburgenland sonnengereiften Ernte deines ehemaligen Bandkollegen. Aber sind wir uns ehrlich: Im Zweifelsfall geht Verfügbarkeit über Qualität. Was nützt dir dein Stash daheim, wenn es grad auf der Donauinsel oder am Schafberg abgeht? Richtig, nix. Und du willst ja wohl kaum auf Verdacht mit einer Bauchtasche voll Zeug rumlaufen, du Creep.

Falls du übrigens zu der raren Sorte deiner Altersklasse gehörst, die es tatsächlich geschafft hat, sich bisher nicht fortzupflanzen, halbwegs attraktiv bist und einiges an Steherqualitäten beim Feiern hast, kannst du als Single auch durchaus damit spekulieren, mal wieder einen „richtigen" Aufriss zu machen. So Oldschool, ganz ohne Tinder. Paarungsbereite StudentInnen gibt es immer, und sofern du glaubhaft vermitteln kannst, dass du nicht als Berufsjugendlicher hängengeblieben bist und zielsicher allen aus dem Weg gehst, die nur einem Sugardaddy oder eine Sugarmama suchen—enjoy! Bonusrunde: Falls was Fixes draus wird und es dann zur Trennung kommt, kannst du dir live geben, was dir an kindischem Drama entgangen ist, indem du dich entschieden hast keinen pubertierenden Teenager großzuziehen. Sei gewarnt. Junge Erwachsenen sind in dieser Hinsicht in erster Linie jung, aber nur ganz wenig erwachsen.

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Du hast also Freizeit, morgen nichts weiter vor als den schon jetzt sicheren Hangover zu pflegen, aber nowhere to go? Toll, doch leider: Dein ehemaliges Stammlokal ist jetzt eine Veggie-Burger-Hütte (true story, ich könnte heulen), die üblen Vollgas-Katakomben von früher sind heute Ruinen oder Fitnesscenter und sogar das U4 sieht eher aus wie ein frisch geputztes Filmset als die räudige Underground-Disco, als die es mal bekannt war? Tja, Scheiße, willkommen in den 2010ern! Wenn du denkst, du kannst nur aufgrund der täglich gefühlten 1000 Veranstaltungspostings auf Facebook eine wirklich gute Location für den Abend finden, hast du dich geschnitten. Lotto kennst? Du hast als Nicht-Jugendlicher praktisch keine Chance, hier einen Treffer zu landen.

Und hier kommen wieder deine unermüdlich feiernden Erstsemester ins Spiel. Denn die wissen ganz genau, wo es heute Nacht wirklich abgeht. Wenn du das Glück hast, dich nach dem Vorglühen an die taumelnde Partypolonäse durch fünf Bezirke anhängen zu können, wirst du Orte betreten, die du längst vergessen hast: Dachgartenpartys, Schamanenfeiern in der Pampa, Secret Raves im Industriegebiet oder Indie-Konzerte in einem Kellergewölbe. Und du elitärer, saturierter Mittvierziger dachtest, fette Bongs um drei Uhr morgens auf Hausdächern oder Tanzcafés mit eigenen Koks-Separées gabs nur, als du noch jung warst. Es ist angerichtet, jede Nacht, zu jeder Zeit. Nur bekommst du es vor lauter Job, Familie und Verpflichtungen nicht mehr mit.

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Was aber die wirkliche unbeschwerte Lebensqualität ausmacht, wenn man mit viel jüngeren Leuten abhängt und dadurch wieder ungekannte Energie in den alten Knochen spürt (ich vermeide den Begriff Jungbrunnen, obwohl er so schön plump passen würde): der unbeschwerte, sinnbefreite und vollkommen dekadente Umgang mit Zeit. Wenn du vorhast, mal ein Wochenende mit den Millenials auf die Kacke zu hauen, verabschiede dich vom Zeitbegriff wie du ihn kennst. Es spielt heute einfach keine Rolle, wann was passiert. After Work, Techno Brunch, After Hour, Nachmittagsrave—Party im dritten Jahrtausend scheißt auf Uhrzeiten.

Lass deine Uhr daheim, benutz dein iPhone nur zum fotografieren und Speck auflegen und lass dich treiben, bis du entweder in einer Hängematte weiß-Gott-wo wegschnarchst oder auf wundersame Weise wieder bei dir zuhause landest. Aufpassen, in unserem Alter ist als Regenerationsphase immer das Doppelte der Spaßphase einzukalkulieren. Wenn du also, so ganz ohne Zeit- und Raumbegriff, mit ein paar Partyprofis der Generation Klingelton richtig abgehen willst, solltest du schon am Freitag beginnen. Denn sonst liegst du, während alle anderen am Montag wieder frisch auf der Uni oder in ihren schlecht bezahlten Praktika hocken, wahrscheinlich „krank" zuhause und haderst mit der Tatsache, dass Jugend an Jugendliche verschwendet wird. Du generationenübergreifender Partylöwe, du.

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