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Interviews

Alligatoah im Interview: „Selbst ein Professor wird irgendwann eine Frau richtig dreckig durchficken“

Alligatoah gilt als der Intellektuelle im Rüpelkollektiv von Trailerpark, was er jedoch zurückweist. Trotzdem klingt sein Soloalbum eher nach einer berühmten Deutschpunkband als nach seiner eigenen.

Das sensible Genie unter den ekligen Rampensäuen—ja, das Internet weiß es im Fall Alligatoah wieder einmal am besten. Zu musikalisch, zu eloquent, zu feinbesaitet sei er, um wie die anderen Trailerpark-Assis in Becher zu kotzen und zu pissen, darf man allerorten lesen. Aber warum eigentlich? Alligatoah war schon als Vater der Alter Egos „DJ Deagle" und „Kaliba 69" ebenso verrückt wie unbeugsam, nur eben mit einer musikalischen Verschmitztheit, die dem Trailerpark-Rüpelkollektiv mit seiner Ankunft eine neue Dimension gab.

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Heute erscheint Alligatoahs Soloalbum Triebwerke, das, man munkelt, ziiiiiiiiiiemlich weit oben in den Charts einsteigen wird. Wen wundert es, die in eigener Regie gedrehten Videos und der nackte Hintern auf dem Albumcover, den Facebook auf Alligatoahs Fanseite sperren ließ, waren sehr leckere Appetizer.

Ich traf ihn zum Mittagessen beim Kroaten, wo wir uns über die Müllhalde Trailerpark, Rappen auf dem Dorf und vermeintlich politische Aussagen unterhielten.

Noisey: Nervt es dich oder schmeichelt es dir, als der intellektuelle Avantgardist von Trailerpark angesehen zu werden?
Alligatoah: Du meinst, der, der mit dem Buch rumläuft? Dabei lese ich gar nicht. Die Leute sprechen mich immer darauf an, mir selber ist das gar nicht so bewusst, dass ich so eine Wirkung nach außen habe. Das kommt vielleicht daher, dass die anderen Jungs gerade nicht mit ihren eigenen Sachen im Vordergrund stehen, sondern ich im Moment derjenige bin, der ein Soloalbum veröffentlicht. Wenn der Fokus auf denen liegen würde, dann könnte jeder sehen, dass ihre Musik sich auch absetzt von dem, was wir gemeinsam machen.

Also ist Trailerpark das berühmte Ventil?
Genau, Trailerpark ist unsere Müllhalde für den ganzen Asi-Scheiß. Da lassen wir den Blödsinn raus, toben uns aus und dann kann jeder zurückgehen und seine Sachen weiterverfolgen.

Dennoch sagen viele, dass du zu talentiert bist für die Musik, die du mit Trailerpark machst.
Wie gesagt, dass ist der Spielplatz, wo wir uns austoben können. So fein und gutbürgerlich man sich auch geben kann, selbst der hochbelesenste Diplomat oder Professor wird irgendwann in seiner Freizeit eine Frau richtig dreckig durchficken und sie schlagen beim Sex. Jeder Mensch hat zwei Seiten und alles muss raus. Das heißt nicht, dass man sich nicht treu bleibt, sondern dass man alle Seiten ausleben kann.

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Sind solche Aktionen wie die Sex-Orgie bei der Recordreleaseparty auch dein Geschmack? Ich habe dich da jedenfalls nicht auf der Bühne gesehen.
Ich halte mich bei diesen ekligen Geschichten, oder auch wenn Cocktails aus Essensresten gemischt werden, eher zurück und verabschiede mich von der Bühne, weil es doch meinen Magen selbst beim Zuschauen umdreht. Das ist trotzdem ein Teil von Trailerpark, den man nicht unterschätzen darf, den man auch von hinter der Bühne unterstützen kann, selbst wenn man sich zusammen mit den Security-Leuten in eine Ecke verzieht, weil die sich das auch nicht ansehen können, und man sich gegenseitig gut zuredet und den Bauch streichelt, damit man nicht selber kotzen muss.

Du kommst aus einem kleinen Dorf in Niedersachsen, wie wird man da Rap-Fan? Ich vermute durchs Fernsehen?
Fernsehen auch, aber da hat man es eher ausgelacht. Die sahen ja ganz anders aus mit den weiten Hosen und den Cappies. Wenn so einer verkleidet bei uns im Dorf aufgetaucht ist, dann war das eher eine Lachnummer. Ich habe es auch nicht so richtig verstanden, warum sich Rapper immer beleidigen. Ich war aber jemand, der sich immer hat anziehen lassen von Sachen, die einen eigentlich abstoßen. Dann habe ich angefangen, mich für HipHop zu interessieren.

War das eine Art Rebellion gegen das Dorfleben?
Ich war kein Rebell, alles andere als das. Ich hatte eine sehr ruhige, sonnige, entspannte Kindheit. Die Rapper haben von einer Kindheit erzählt, die ganz anders war und genau das hat mich interessiert. Als wenn man einen Actionfilm schauen würde.

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Ich stelle es mir schwer vor, so alleine für sich mit dem Rappen anzufangen.
Stimmt, da gab es keinen anderen. Das ging dann alles in meinem Kinderzimmer mit Fruity Loops und Magix Musik Maker los.

Du machst deine Beats und deine Videos selbst. Auch weil du damals niemanden hattest, der das für dich übernommen hat?
Es hätte schon Freunde gegeben, mit denen ich zusammen hätte Musik machen können, doch dann wären Freundschaften wahrscheinlich zerstört worden, weil ich alles zu sehr an mich gerissen hätte. Ich kann solche Sachen schwer abgeben. Das musste ich auch neu lernen, als ich bei Trailerpark anfing, aber man ist ja auch reifer geworden und älter.

Was hast du eigentlich für einen Einfluss bei den melodischen Hooklines, die du singst?
Ich habe viel mit der Familie gesungen und zwar nicht nur zu Weihnachten und Ostern. Wir hatten einige Lieder im Repertoire. Mein Vater hat auch sonntags mal gerne die Gitarre rausgeholt. Wir waren eine sehr musikalische Familie. Als ich älter wurde und mit Rap anfing, habe ich mich dann daran erinnert.

Deine Musik erinnert sehr an die Ärzte.
Ich habe die Ärzte nie gehört, bis auf die Songs, die man kannte. Aber ich habe mir nie eine Ärzte-CD gekauft. So wie ich das verstanden habe, machen die humorvolle, poppige Sachen mit eingängigen Melodien, aber sarkastischen Texten. Das wären dann die Schnittpunkte mit meiner Musik. Aber ich spitte noch ein paar fette Rhymes dazu.

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„Willst du" ist meiner Meinung nach so ein poppiger Ärzte-Song, der auch im Radio laufen könnte, wenn nur der Text nicht so drogenlastig wäre. Glaubst du, dass in Zukunft solche Texte auch im Radio laufen könnten? Drogen sind ja kein Tabuthema mehr.
Ich glaube nicht. Im Zusammenhang mit Trailerpark kommt man mit vielen Leuten in Kontakt, die ein dermaßen beschränktes Weltbild und Humorverständnis haben, dass ich nicht sehr optimistisch in Deutschlands Zukunft blicke, was die Humorbefreiung angeht. Ich glaube, es wird so verkrampft bleiben. Aber es ist auch egal, das Album wird sich auch ohne Radio verbreiten.

Du hast immer betont, dass du nicht politisch oder gesellschaftskritisch bist. Warum eigentlich? Ich finde, ein Song wie „Prostitution", wo du die Heuchelei der Gesellschaft aufdeckst, ist genau das.
Das ist aber keine Anschuldigung. Ich nehme mich ja selbst da nicht raus. Das sind ja Sachen, die man teilweise an sich selbst beobachten kann. Menschen sind Heuchler, und ich bin auch ein Mensch und manchmal auch ein Heuchler. Gesellschaftskritisch und politisch—das sind immer so Worte mit denen ich nicht so viel anfangen kann. Gesellschaftskritisch klingt zu sehr nach Anklage und politisch klingt zu sehr danach, als ob ich mit Parteien vertraut bin und dem deutschen Staat als politisches Gebilde. Das ist nicht der Fall.

Ist dein Stil, Aussagen zu verschleiern nicht—bösartig gefragt—Feigheit?
Da muss ich widersprechen. Ich will ja gar keine Aussagen treffen. Wenn du mich fragst, was die Aussage von dem und dem Song ist, will ich das nicht beantworten, weil ich genau deswegen das Medium Musik mit seinem Schauspielcharakter nutze, um eben keine Aussage zu treffen und eben nicht mit dem Finger auf andere zu zeigen. Ich will mir das Recht nicht rausnehmen, weil ich mich mit manchen Dingen nicht genug beschäftigt habe und ich mich auch nicht mehr damit beschäftigen will. Mir reicht es einfach, die Beobachtung zu schildern und es in den Raum zu stellen.

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Dein Album heißt Triebwerke. Erzähl doch mal zum Schluss von deinem größten Trieb.
(überlegt) Was gibt es denn für Triebe… Die Triebe, um die es im Album geht, sind Liebe, der Drang nach Partnerschaft und Gemeinsamkeit und um die Triebe, die zwischen unseren Beinen gesteuert werden. Ich denke auch, dass das der größte und wichtigste Trieb ist, dem wir Menschen ausgeliefert sind, wie auch immer er beginnt—im Herzen oder im Hoden.

Alligatoahs Triebwerke erscheint bei Trailerpark, kauft es euch bei Amazon oder iTunes.

Noisey präsentiert Alligatoah auf Tour:
Fr. 15.11.13 Berlin - Innen Drinnen Festival
Sa. 16.11.13 Köln - Innen Drinnen Festival
Do. 12.12.13 Trier - Ex Haus
Fr. 13.12.13 Koblenz - Circus Maximus
Sa. 14.12.13 Konstanz - Kulturladen
So. 15.12.13 Heidelberg - Karlstorbahnhof
Fr. 20.12.13 Augsburg - Kantine
Sa. 21.12.13 Ingolstadt - Eventhalle
So. 22.12.13 Dresden - Scheune
Do. 16.01.14 Bremen - Tower
Fr. 17.01.14 Aachen - Musikbunker
Sa. 18.01.14 Düsseldorf - Zakk
So. 19.01.14 Bayreuth - Rosenau
Fr. 24.01.14 Itzehoe - Atzehoe
Sa. 25.01.14 Kiel - Orange Club

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