Warum der Beef zwischen ORF und FPÖ verdammt nochmal beunruhigend ist

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Politik

Warum der Beef zwischen ORF und FPÖ verdammt nochmal beunruhigend ist

Vizekanzler Strache bezeichnet sein Posting über Armin Wolf mittlerweile als "Beitrag zum Faschingsdienstag". Warum das alles andere als lustig ist.

Dieser Artikel ist Teil unserer laufenden Berichterstattung über die schwarz-blaue Regierung, die wir hier unter dem Namen "Schwarz-blaue Geschichten" gesammelt haben.

Dass die FPÖ ein – sagen wir – schwieriges Verhältnis zu Journalismus und vor allem zu dem des ORF hat, wissen wir spätestens seit der Bundespräsidentschaftswahl. Ihr erinnert euch: Damals wurde Ingrid Thurnher wegen eines angeblichen Augenrollens angegriffen, dann gab es da auch noch die Tempelberg-Causa und schon im Jahr 2016 wurde Lou Lorenz-Dittlbacher von einer FPÖ-Rätin ein "Blick wie der einer Klapperschlange" vorgeworfen, nachdem diese Heinz-Christian Strache interviewt hatte.

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Seit Jahren fährt die FPÖ eine harte Agenda gegen den "Rotfunk" und dessen "Zwangsgebühren". Das ist kein Wunder: Mit Medien wie unzensuriert und dem Wochenblick, denen ein Naheverhältnis zur FPÖ nachgewiesen wurde, beziehungsweise nachgesagt wird, verfügt die FPÖ über Plattformen, die ungefiltert wohlwollende Botschaften im Sinne des Wahlprogramms verbreiten. Medien wie der ORF machen das seltener.

Das ist nur logisch und auch verdammt wichtig, denn der öffentlich-rechtliche Bildungsauftrag beinhaltet das Objektivitätsgebot und schreibt außerdem Unparteilichkeit vor. Laut dem Regierungsprogramm soll dieser Bildungsauftrag übrigens "genau formuliert" werden. Dass sich rechtspopulistische Parteien gegen das "Establishment" positionieren, zu dem in Österreich selbstredend auch der ORF gehört, ist ein essenzieller Teil dieses Politikstils. Auch in anderen Ländern setzen sich rechte Parteien – wie beispielsweise die deutsche AfD – gegen "Zwangsgebühren" ein.

Gerade scheint das Narrativ der FPÖ jedenfalls endgültig aufzugehen, in regelmäßigen Abständen liest man von verbalen Attacken auf Journalisten und Journalistinnen, es werden schamlos zurechtgeschnittene Screenshots verbreitet, und trotzdem steht die FPÖ am Ende des Tages als Opfer der "Systempresse", der linken Journaille und immer noch als Underdog da. Oder wie Stefan Petzner im Standard-Interview zum Thema Lügenpresse und Opfer-Mythos sagt: "Je kritischer berichtet wird, desto mehr halten das die Leute dann für Propaganda."

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Propaganda betreibt vor allem aber die FPÖ selbst. Angefangen hat die aktuelle Serie von Attacken gegen den ORF mit einem Tweet von Verkehrsminister Norbert Hofer, der sich darüber echauffierte, dass man in der ZIB1 über den Transitgipfel berichtet habe, ohne ihn zu erwähnen. Grund genug für den ehemaligen (und womöglich bald erneuten) Präsidentschaftskandidaten, um sich gegen die "Zwangsgebühren" auszusprechen. Andere Medien, die Norbert Hofer im Zusammenhang mit dem Gipfel ebenfalls nicht erwähnten, blieben übrigens verschont.

Weiter ging es mit einem Beitrag des Tiroler ORF, in dem der blaue Tiroler Spitzenkandidat Markus Abwerzger nickend neben einem Altnazi steht, der von "stinkenden Juden" spricht. In dem ursprünglichen Beitrag wurde nicht klar, ob und wie Abwerzger dem Mann widersprochen hatte. Viel mehr noch: Es sah nicht danach aus, als hätte er.

Der ORF veröffentlichte schließlich eine zweite Version, die zeigte, dass Abwerzger dem Mann im Verlauf des Gespräches sehr wohl widersprach. Diese Klarstellung reichte der FPÖ, die mittlerweile von einem "ORF-Manipulationsskandal" sprach (auch wenn es sich beim ursprünglichen Skandalbeitrag nur um einen einzelnen Bericht des Landesstudios Tirol handelte), nicht. Man wünschte sich eine Entschuldigung. Auch Abwerzger selbst forderte ein öffentliches Eingeständnis. Drei Tage nach dem Vorfall entschuldigte sich schließlich der Tiroler Landesdirektor des ORF gegenüber Abwerzger. Im ORF sollen nun "Leitlinien für den Umgang mit journalistischen Fehlleistungen" erarbeitet werden.

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Als wäre das alles nicht schon genug, fordert Harald Vilimsky nun auch noch den Rücktritt von ORF-Chef Alexander Wrabetz. Dieser hatte am Montag auf Twitter ein Posting mit einem Herz markiert, in dem Strache, Abwerzger, die FPÖ-Abgeordnete Schimanek mit drei NS-Verbrechern abgebildet sind: Der Ursprungstweet thematisierte die Tatsache, dass die schlagende Verbindung, der Markus Abwerzger gehört, früher auch NS-Verbrecher zu den Mitgliedern zählte.

"Er hat sich nie öffentlich von diesen distanziert" heißt es in dem Tweet. Harald Vilimsky schnappte sich einen Screenshot des Tweets und unterstellte dem Verfasser, dass er Strache, Abwerzger und Schimanek als NS-Verbrecher bezeichnet hätte. Unfassbar sei, dass ORF-Generaldirektor Wrabetz diesen Tweet geliket hat. Wrabetz entschuldigte sich zur Überraschung einiger User für sein Like und schrieb auf Twitter, er habe die Löschung veranlasst. Der FPÖ-Abgeordnete Jenewein sagte laut dem Kurier, der ORF habe sich in den vergangenen Wochen des öfteren "nicht anständig benommen". Vilimsky, der das Ganze auch auf seiner Facebook-Page thematisierte, erklärte jedenfalls auch, dass sich die FPÖ nicht gefallen lassen werde, wie der ORF gegen die FPÖ "agitiert".

Darauf hingewiesen, dass Vilimsky nicht den kompletten Tweet auf seiner Facebook-Page geteilt habe, antwortete dieser, dass von ihm die Originalscreenshots herangezogen wurden, die Wrabetz auch geliket hatte. "Besser informieren!", schreibt Vilimsky außerdem.

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Wer Vilimskys Aufforderung Folge leistet, bemerkt jedoch schnell, dass der untere Teil des Bildes schlicht und einfach abgeschnitten wurde und man hier nicht die Schuld auf eine abgeschnittene Preview-Version des Tweets schieben kann. Der Screenshot, den Vilimsky auf Facebook gepostet hat, stammt von der Twitter-Desktop-Version, wie allein die Breite des Textes erkennen lässt. Der untere Bildteil in der Vorschau des Tweets ist in der Desktop-Version klar ersichtlich. Selbst auf Vilimskys Screenshot ist am unteren Rand erkennbar, dass hier ein Teil des Bildes abgeschnitten wurde.

Am Dienstag erreichte der Beef zwischen dem ORF und der FPÖ dann den bisherigen Höhepunkt, der sogar Krone-Innepolitikchef Claus Pándi noch schockieren konnte: Heinz-Christian Strache teilte auf seinem privaten Profil, auf dem er nicht ganz so private Beiträge für fast 40.000 Follower postet, ein Bild von ZIB2-Anchorman Armin Wolf, das wohl an die "ORF Wie wir"-Kampagne erinnern soll. Auf dem Bild steht geschrieben: "Es gibt einen Ort, an dem Lügen zu Nachrichten werden. Das ist der ORF. Das Beste aus Fake News, Lügen und Propaganda, Pseudokultur und Zwangsgebühr. Regional und international. Im Fernsehen, im Radio und auf dem Facebook-Profil von Armin Wolf."

Daneben ist Armin Wolf zu sehen, der eine Moderationskarte mit einem Abbild von Pinocchio hält. Strache teilte das Bild mit dem Text "Satire! :)". Der Versuch des Vizekanzlers der Republik Österreich, sein Posting mit dem Zusatz "Satire" zu immunisieren und so zu tun, als würde der Fotomontage jede Ernsthaftigkeit fehlen, ist dabei leicht durchschaubar, wie unter anderem die Autorin Ingrid Brodnig in einem Facebook-Posting ausführt. Laut Brodnig werde mit dem Hinweis auf "Satire" oft verharmlost, welche Ungeheuerlichkeiten man gerade verbreitet.

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Aktuell klagt Armin Wolf FPÖ-Chef Strache wegen des Vorwurf der Lüge; es ist Wolfs erste Klage in 32 Jahren als Journalist, wie er auf seinem Blog schreibt – womit er gleichzeitig dem Vorwurf der Wehleidigkeit vorbeugt. Strache hat den Begleit-Text zum Bild mittlerweile editiert. In der upgedateten Version schreibt Strache, das Posting sei "nicht personenbezogen" und "eine klar ersichtlich überzogene Satire" – und das, obwohl es Armin Wolfs Gesicht, Armin Wolfs Name und einen Hinweis auf Armin Wolfs Seite beinhaltet. Strache hat seither in einer Pressekonferenz ergänzt, dass es sich bei dem Facebook-Post um "seinen Beitrag zum Faschingsdienstag" handle.

Dass Strache trotz dieser halbherzigen und vor allem fragwürdigen Beteuerung eine Agenda gegen den ORF fährt, ist aber seit der Vorstellung der schwarz-blauen Regierungsmannschaft klar: Schon damals sagte der Vizekanzler, dass man "auch im ORF einige Optimierungen im Sinne der Objektivität vornehmen" wolle.

Diese Ansage klingt heute bedrohlicher denn je: Es kursieren Gerüchte zur Schließung von FM4, der von dem FPÖ-nahen Magazin Zur Zeit als "linker Kampfsender" bezeichnet wurde, Armin Wolf wird Straches Facebook-Fans als personifizierte Lügenpresse zum Fraß vorgeworfen, es werden Halbwahrheiten verbreitet, auf Grundlage derer Wrabetz zum Rücktritt aufgefordert wird. Das FPÖ-Märchen vom "Rotfunk" wird täglich fortgeschrieben.

Dass Österreichs Vizekanzler und einige andere Vertreter der FPÖ heute ungeniert und vor allem ungefiltert gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk schießen, ist beunruhigend. Dass sie dabei niemand aus den Regierungsreihen aufhält oder einbremst, umso mehr.

Das Bild, das sich hier immer mehr abzeichnet, ist das einer Regierung, die jede Kritik von unabhängigen Medien verdammt und jedes Lob vom Boulevard zum Anlass für noch mehr Umarmung und Nähe nimmt. So posierte Sebastian Kurz, der #Schweigekanzler, erst kürzlich auf Fotos mit dem Krone-Kolumnisten Jeannée und lobte ihn gemeinsam mit dem neuen Wiener SPÖ-Chef Michael Ludwig als "kritischen Journalisten". Kurz' Prioritäten in der Medienlandschaft scheinen damit klar definiert. Am Mittwoch hat er eine "sachliche Debatte" über den ORF gefordert. Es sieht aus, als wäre es dafür mittlerweile zu spät.

Verena auf Twitter: @verenabgnr

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