Der Held, den wir verdient haben: Dieser Mann hat sechs Monate lang seine Fürze am Arbeitsplatz dokumentiert
Screenshot aus dem YouTube-Video im Artikel, obviously 

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Immer dieses Internet!

Der Held, den wir verdient haben: Dieser Mann hat sechs Monate lang seine Fürze am Arbeitsplatz dokumentiert

Ist "Paul Flart" das größte Genie, das das Internet hervorgebracht hat? Ja, das ist er.

Wenn wir ehrlich sind, dann spüren wir es alle, und zwar schon länger: Das Internet ist nicht unser Freund. Was mal als faszinierende Spielwiese für die Menschheit angefangen hat, hat sich längst zu einer Art Geschwür entwickelt, das sich unaufhaltsam in allen Ritzen unseres Lebens festgesetzt hat und da langsam anfängt, komisch zu riechen.

Und dabei geht es nicht nur um die Seiten des Internets, die ganz offensichtlich einfach böse sind: der Zusammenhang zwischen Facebook-Nutzung und Hasskriminalität gegen Flüchtlinge, die totale Überwachung, Erika Steinbach. Sondern darum, wie das Internet sich mittlerweile zu einer riesigen Aufmerksamkeitsvernichtungsmaschine entwickelt hat, mit dem einzigen Ziel, uns unsere Konzentration abzusaugen, um sie riesigen amerikanischen Konzernen auf die Server zu spülen. Schwarzmalerei, sagst du? Alles übertrieben? Ich möchte dich kurz daran erinnern: Du liest gerade einen Artikel über einen Sicherheitsmann, der sechs Monate lang dokumentiert hat, wie er heimlich am Arbeitsplatz furzt. Und jetzt wirst du dir auch das Video anschauen:

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Na, wie fühlt sich das an? Aber hey, mach dir keine Vorwürfe: Wir haben uns das alle angeguckt. Den Original-Zusammenschnitt dieses Videos auf Ladbible sahen seit Montag 8,8 Millionen Menschen. Acht Komma acht Millionen! Das ist die Welt, in der wir mittlerweile leben. Und deshalb müssen wir bedingungslos anerkennen: "Paul Flart", wie sich der Sicherheitsmann auf Instagram nennt, ist der größte Künstler des Internetzeitalters. Und vielleicht gleichzeitig der Mann, der das Internet überwinden wird.

"Ha!", denkt ihr jetzt, "Typisch VICE! Nehmen ein dummes Video und schreiben dann einen ellenlangen Text darüber, dass es eigentlich total tiefgründig ist! Die Masche kennen wir doch schon!" Dazu kann ich eigentlich nur sagen: Danke, dass ihr uns schon so lange lest! Aber auch: Nein, das hier ist keiner dieser Texte. Diesmal meine ich es ernst: Paul Flart ist ein Genie. Denn Paul Flart hat es geschafft, uns allen – allen – gnadenlos den Spiegel vorzuhalten, uns als das zu zeigen, was wir sind: eine globale Zivilisation, die kollektiv vor ihren Bildschirmen kauert und gebannt einem Sicherheitsmann dabei zuschaut, wie sich sein Gesicht beim Furzen verzieht – immer und immer wieder. "Wir haben vor 50 Jahren jemanden auf den Mond geschickt, mit einem Prozessor, der langsamer ist als der in meinem Handy jetzt", schreibt ein nachdenklicher Reddit-User. "Und hier sitze ich und benutze diese Technologie, um einem übergewichtigen Mann zwei Minuten lang beim Furzen zuzuschauen."

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Was haben wir die letzten 10 Jahre eigentlich alle gemacht?

Aber dieses Video ist nicht das Problem. Dieses Video ist die Diagnose. Denn wenn wir ehrlich sind: Was haben wir die letzten 10 Jahre eigentlich alle gemacht? Wie viel Zeit haben wir damit verbracht, vor Bildschirmen hockend irgendwelchen Menschen bei irgendetwas zuzuschauen? Menschen, die sich Eiskübel über die Köpfe gießen, sich selbst anzünden, Schmink-Tutorials geben, Computer spielen, sich wieder abschminken, über Monate akribisch ihre Bauchmuskel-Challenge dokumentieren, Risotto kochen, ihre Einkäufe auspacken, Menschen, die sich selbst dabei filmen, wie sie andere Videos schauen. Und dann noch all die Menschen, die "seit acht Jahren jeden Tag ein Foto von sich" geschossen und das für YouTube zusammengeschnitten haben, Tausende Fotos mit dem immer gleichen Gesichtsausdruck, Tausende Paare toter Augen, die uns anstarren, und wir starren tausendfach zurück. Paul Flart hat alle diese Genres, alle wichtigen Internet-Trends der letzten Jahre – die Aufwachs-Videos, die Challenges, Instagram, ASMR, Letsplays, Haul-Videos – auf ihre Essenz reduziert: feuchte, Blasen schlagende Fürze.

Wie bei jedem wirklich genialen Künstler stellt sich die Frage: Weiß er es selbst? Weiß Paul Flart, wie perfekt, wie treffsicher, wie gnadenlos sein Furzvideo unsere gesamte Gegenwart seziert? Um das zu beantworten, muss man sich nur seine Augen ansehen:

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Was willst du tun? Wegklicken?

Er weiß es. Er weiß es genau. Diese Augen sehen direkt in unsere Seelen, ohne zu blinzeln, ohne ein Fünkchen Gnade, und sie sehen sie: unsere krankhafte Sucht nach Unterhaltung, nach Zerstreuung, nach irgendwas, das uns vor der grauenhaften Langeweile bewahrt, die wir nicht mal für ein paar Sekunden aushalten wollen, nein, nein, wir wollen nicht mit unseren Gedanken allein sein, nein, bitte macht das Licht nicht aus, bitte, NUR NOCH EIN VIDEO, irgendwas, gebt mir jemanden, der sich den eigenen Kopf einbetoniert, gebt mir IRGENDWAS! Und diese Augen sagen:

Hier. Ich gebe dir das hier. Schau mir beim Furzen zu, zwei Minuten lang. Wir wissen beide, dass du es tun wirst.

Update, heißes Update: Paul Flart hat seinen Job verloren – wahrscheinlich, weil man seinen Arbeitsplatz ziemlich einfach identifizieren konnte. Und ja, das macht ihn natürlich zu so etwas wie dem Messias des Internets. Er ist für unsere Sünden gestorben. Und er hat auch das auf Video dokumentiert:

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