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Wahlen 2015

Die Schweizer Wahlen für Dummies

So meisterst du mit möglichst wenig Aufwand die National- und Ständeratswahlen am 18. Oktober.
VICE Media

Das mit dem Wählen ist so eine Sache: Die meisten wissen, dass es eigentlich ja schon irgendwie wichtig wäre—aber die wenigsten machen es wirklich. Das ist durchaus verständlich, so langweilig wie sich die Politik meistens präsentiert. Doch wissen wir um unsere staatstragende Funktion und tun deshalb unser Bestes, damit du uns nicht als Ausrede benutzen kannst, warum du dich für ein Dasein als Nichtwähler entschieden hast.

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Nachdem wir dir in unserem A bis Z für (Erst-)Wähler schon gezeigt haben, was hinter den wichtigsten Begriffen rund um die National- und Ständeratswahlen am 18. Oktober steckt (kumulieren hat immer noch nichts mit Cumulus-Punkten zu tun!), beantworten wir hier die grundlegendsten Fragen, die du wahrscheinlich nie zu fragen wagst:

Darf ich überhaupt wählen?

Grundsätzlich gibt es nur zwei Bedingungen, die du erfüllen musst:

Du musst alt genug sein: Sobald du 18 Kerzen auf deiner Gebrutstagstorte ausgeblasen (oder 18 Geburtstags-Mexikaner geext) hast, hält dich der Staat für reif genug, in der Politik mitzumischen. Ob du das anders siehst, ist ihm egal. Er führt dich vom ersten Tag nach der grossen Volljährigkeits-Party bis zu deinem Lebensende in der Kategorie „wahlberechtigt" auf.

Du musst Schweizer sein: Bei den Wahlen auf Bundesebene darfst du nur mitmachen, wenn du einen roten Pass mit weissem Kreuz drauf dein Eigen nennst. Wenn du in der Schweiz wohnst, darfst du Kandidaten aus dem Kanton deines Hauptwohnsitzes wählen. Aber sogar wenn du nicht in der Schweiz wohnst, kannst du bei den Nationalratswahlen—in manchen Kantonen auch bei den Ständeratswahlen—mitmischen. Du musst dich nur bei der Schweizer Botschaft deines Wohnlandes melden und schon darfst du dein Dreamteam (oder zumindest ein Team) für die politische Bühne zusammenstellen—und dich teilweise sogar selbst wählen lassen.

Wo kann ich meine Stimme abgeben?

Check mal wieder deinen Briefkasten. Irgendwo zwischen den Paint-Flyern des „besten Pizzakuriers der Stadt" und den „Wählt mich, denn ich bin der Beste!"-Prospekten, die den „Keine Werbung"-Sticker gekonnt ignoriert haben, versteckt sich dein Wahlcouvert.

Grundsätzlich hat ja niemand Lust, am Sonntagmorgen sein verkatertes Ich aus dem einzigen existierenden Safe Haven—alias Bett—zu quälen, wenn draussen nicht mindestens etwas so Wunderbares wie eine vor Fett triefende Pizza wartet. Die gute Nachricht: Um zu wählen, musst du das auch gar nicht. Du kannst sogar am Wochenende vor der Wahl in deinem Bett liegen bleiben, in der einen Hand die mit Tomatensauce und Mozzarella um sich schmeissende Pizza, in der anderen den Wahlzettel—all hail to the Briefwahl! Der ausgefüllte Wahlzettel muss nur rechtzeitig dort sein, wo er auch was bringt. Darum: Nach dem Ausfüllen spätestens am Dienstag, 13. Oktober, in den nächsten Postkasten schmeissen.

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Hast du diese Deadline verpasst, bleibt dir noch das wirklich richtige Demokratie-Feeling übrig: der Gang an die Urne. In den vier Tagen vor dem Wahlsonntag haben die Wahllokale zwei Mal geöffnet. Wo diese sind und wann sie geöffnet haben, steht ebenfalls auf einem Zettel im Wahlcouvert. Die Deadline ist aber am Sonntag, 18. Oktober, um 12:00 Uhr—und ja: Du darfst notfalls auch auf allen Vieren zur Afterhour ins Wahllokal kriechen, um deine Stimme abzugeben.

Manche Orte sind mittlerweile sogar schon im 21. Jahrhundert angekommen und haben das grandiose Internet für sich entdeckt. Bislang ist das e-Voting aber nur auf Teile der Kantone Genf und Neuenburg sowie die Auslandschweizer beschränkt.

Wie gebe ich meine Stimme ab?

Im Grunde musst du nur einem simplen 5-Stufen-Programm folgen:

1. Wahlcouvert öffnen: Du öffnest das Wahlcouvert—danke, Mr. Obvious!

2. Wisch für Nationalrat auswählen: Das ist der wohl komplizierteste Schritt—hier gibt es ganze drei Möglichkeiten: 1. Wenn du eine absolute Lieblingspartei hast: Nimm ihre Parteiliste und pack sie unverändert ins kleine Couvert. 2. Wenn du Kandidaten von verschiedenen Listen wählen willst: Wähle eine Liste, kumuliere, panaschiere und streiche drauf los und pack sie ins kleine Couvert. Kumulieren heisst, einen Kandidaten zwei Mal auf die Liste zu schreiben und ihm damit zwei Stimmen zu geben. Panaschieren heisst, zum Beispiel einen Kandidaten der SVP auf die SP-Liste zu schreiben. Und streichen heisst … naja, streichen eben (mehr dazu haben wir in unserem A bis Z für Erstwähler zusammengefasst). 3. Wenn du nix mit Parteien am Hut hast: Nimm die leere Liste und schreib die Kandidaten drauf, mit denen du am meisten anfangen kannst und pack sie ins kleine Couvert—kumulieren und panaschieren kannst du übrigens auch hier.

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Wichtig ist, dass du mindestens einen und maximal 35 Kandidaten auf die Liste deiner Wahl schreibst.

3. Wisch für den Ständerat ausfüllen: Fülle maximal zwei leere Linien mit den Kandidaten, die du wählen willst. Wichtig: Schreib nur Kandidaten drauf, die auch wirklich in deinem Kanton antreten—und anders als bei den Nationalratslisten, jeden Kandidaten höchstens einmal.

4. Stimmrechtsausweis unterschreiben: Du unterschreibst den Stimmrechtsausweis—willkommen zurück, Mr. Obvious!

5. Alles ins kleine Couvert und ab zur Post: Pack die beiden Wahlzettel ins kleine Couvert und klebe es gut zu. Bring das Wahlcouvert mit allem drin zur Post oder an die Urne.

Wer das nicht alles lesen will, sondern lieber vier Minuten seines Lebens gegen beruhigende Musik und Hörbuch-Stimme eintauscht: easyvote hat ein sehr gutes Erklärbär-Video zusammengebastelt:

Was wähl ich nochmal?

Wenn du das nicht so genau weisst, bist du nicht alleine. Wer in den vergangenen Wochen ab und an die Medien verfolgt hat, könnte meinen, es geht nur um die Frage: SVP oder Nicht-SVP? Natürlich ist das alles nicht ganz so simpel.

Das Parlament in der Schweiz ist in zwei Räte aufgeteilt. Der Nationalrat ist dazu da, das Volk zu vertreten. Rein rechnerisch vertritt jeder der 200 Abgeordneten momentan 40'400 Einwohner der Schweiz. Wächst ein Kanton stärker als andere, bekommt er mehr Sitze im Nationalrat zugeteilt—jeder Kanton hat dabei mindestens einen Sitz. Zürich hat momentan also am meisten Nationalräte (35) und die kleinen Kantone wie Uri oder Appenzell Innerrhoden am wenigsten (je 1). Momentan sind die Stimmen prozentual so auf die Parteien verteilt:

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Die 46 Politiker im Ständerat vertreten die Kantone. Anders als im Nationalrat, sitzen im Ständerat für jeden Kanton je zwei Parlamentarier—ausser bei den Halbkantonen, dort ist es nur einer. Der Ständerat gilt als sowas wie der alte, weise Onkel des Nationalrates, weil in ihm die Mitteparteien stärker sind als im Nationalrat und weil in ihm vor allem ältere und erfahrenere Politiker sitzen.

Obwohl die Diskussionen in den beiden Räten meist stinklangweilig sind, beschliessen sie wichtige Dinge: Sie bestimmen, was in der Schweiz läuft und welche Gesetze gelten. In der letzten Sitzung diskutierten sie etwa, ob Flüchtlinge für ihre Anwälte bezahlen müssen (nein, müssen sie nicht) und ob sie wieder bei Schweizer Botschaften im Ausland Asyl beantragen können (nein, dürfen sie nicht).

Den Bundesrat wählst du übrigens nicht selbst, das übernehmen der National- und der Ständerat für dich. Dabei beachten sie das sogenannte Konkordanzprinzip, nach dem die sieben Bundesratssitze dem Wähleranteil der Parteien entsprechend vergeben werden. Seit 2008 Eveline Wimder-Schlumpf anstatt Christof Blocher in den Bundesrat gewählt und anschliessend aus der SVP geschmissen wurde, ist die SVP als stimmenstärkste Partei im Bundesrat aber untervertreten.

Falls du keine Ahnung hast, was und wen du wählen willst, kannst du bei easyvote nachschauen, was die Parteien als ihre Positionen angeben. Oder bei smartvote 30 Fragen zu Themen wie der Legalisierung von Cannabis beantworten und schauen, welche Politiker ähnlich denken wie du.

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Sonst noch was, das ich wissen sollte?

Ja! Etwas mehr als jeder Dritte Einwohner der Schweiz (36.5 Prozent) darf nicht mitbestimmen, welche Politiker anschliessend über ihn bestimmen sollen. Viele Menschen in der Schweiz sind entweder jünger als 18 Jahre oder haben keinen Schweizer Pass. Genauer: Fast 1.5 Millionen Menschen dürfen nicht wählen, weil sie zu jung sind und 1.9 Millionen, weil sie keine Schweizer sind—manche sind natürlich beides.

Ausländer und U18-Bewohner—die zwischen 16 und 18 Jahre alt sind—dürfen zwar in manchen Kantonen und Gemeinden wählen und abstimmen. Aber von den grossen, nationalen Wahlen sind sie weiterhin ausgeschlossen.

Das finden nicht alle OK. Organisationen wie der politische Think Tank foraus fordern aktuell, dass auch die 1.9 Millionen Ausländer mitbestimmen dürfen. Sie argumentieren damit, dass ein moderner Staat alle Einwohner in politische Entscheide einbinden muss. Schliesslich seien Ausländer ebenso von den in Bern getroffenen Entscheidungen betroffen wie Schweizer.

In den vergangenen Jahren ist weniger als die Hälfte der Wahlberechtigten auch wirklich wählen gegangen. Nur knapp ein Drittel der Einwohner der Schweiz haben also darüber bestimmt, wer für die nächsten vier Jahre im Parlament sitzt.

Sebastian gibt auch auf Twitter den Erklärbär: @nitesabes

Vice Schweiz hilft ihm dabei: @ViceSwitzerland