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blut

Wir sollten alle mit Blut kochen

Blut schreckt viele Menschen erstmal ab. Was man alles damit anstellen kann, erzählt uns Ben Reade, der fürs Nordic Food Lab allerhand ausprobiert hat.
Foto mit freundlicher Genehmigung vom Nordic Food Lab

Alles begann mit einem Abendessen im Mugaritz. Ich war mit ein paar Kollegen vom Nordic Food Lab auf Rundreise durch Spanien, wo wir uns den „Abstecher" in eines der besten Restaurants der Welt einfach nicht verkneifen konnten. Zum Nachtisch wurden uns sehr spezielle Makronen serviert—aus Schweineblut und Blaukäse. Keine Frage, es hat super geschmeckt. Aber vor allem waren wir angetan von der Idee, Makronen ganz ohne Eier zuzubereiten. Nach dem Essen haben wir mit ein paar Leuten vom Mugaritz in ihrer Forschungsküche zusammengesessen. Dort hat uns dann einer der Köche erklärt (obwohl ich mir nicht so sicher bin, ob das wirklich im Sinne seiner Chefs war), wie man beim Kochen Eier durch Blut ersetzen kann.

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Blut hat etwas überaus Reißerisches und lässt keinen kalt. Es erinnert auf sehr plastische Weise an den Tod. Es führt uns mit einem Knalleffekt vor Augen, dass auf unserem Teller Überreste eines toten Tieres liegen. Viele Leute blenden gerne aus, dass ihr Brathähnchen auf einen Vogel mit Federn, Schnabel und Blut zurückgeht. Das klappt bei abgepackten Fleischwaren aus dem Supermarkt auch ziemlich gut. Bei Blut ist das hingegen anders. Und genau aus diesem Grund mussten wir es einfach in unsere Arbeit aufnehmen.

Vielen Menschen ist der Geschmack von Blut präsenter, als ihnen vielleicht bewusst ist. Wenn Leute zum Beispiel Blutwurst essen, kommen sie an dem süßlich-strengen Geschmack einfach nicht vorbei. Gleichzeitig ist die geschmackliche Wahrnehmung von Mensch zu Mensch sehr verschieden. Eine der Fragen, der wir unbedingt nachgehen möchten, ist die, ob Frauen genauso auf den Geschmack von Blut reagieren wie Männer. Und nehmen Frauen den Geschmack stärker wahr, wenn der eigene Körper aufgrund der Menstruation gerade Blut verliert? Ihr seht, das Thema Blut hat es uns wirklich angetan.

Wenn ich Leute dazu ermutige, in der Küche mit Blut zu arbeiten, geht es mir keinesfalls darum, ein How-To für finanziell schwierige Zeiten zu bieten, sondern an ihren gesunden Menschenverstand zu appellieren. Ich sehe das so: Wenn du von einem Schwein nur die Filetstücke verwertest, stehst du vor einem doppelten Dilemma. Erstens verhältst du dich gegenüber dem getöteten Tier respektlos. Und zweitens macht es wirtschaftlich keinen Sinn. Das ganze Tier zu verwerten, also samt seinem Blut, ist also nur logisch und sollte nicht als ein „Trend" von irgendwelchen Foodies angesehen werden.

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Die meisten Leute, die im St. John Niere oder Leber vom Lamm essen, machen das nicht, weil sie auf Teufel komm raus Gerichte wollen, die „in" sind. Nein, meiner Meinung nach haben sie einfach nur verstanden, dass ein Schaf auch innere Organe hat und nicht nur aus Schultern und Haxen besteht. Dabei möchte ich betonen, dass es nicht darum geht, der blutrünstigste Fleischesser zu sein. Ganz im Gegenteil. Es geht um Respekt. Ich für meinen Teil ernähre mich überwiegend vegetarisch. Wenn ich doch mal Fleisch esse, dann verwerte ich auch das gesamte Tier (wenn auch nicht in einem Ritt).

In Dänemark gibt es zwanzig Millionen Schweine (bei gerade mal fünf Millionen Einwohnern). Jeden Tag haben 20.000 von ihnen leider gar kein Schwein und müssen ihr Leben lassen. Das Blut landet dann fast immer im Abfluss. In unserem Fall war es, der dänischen Gesetzeslage sei dank, dennoch gar nicht so leicht, an das „Abfallprodukt" heranzukommen.

Das sollte aber keinen Hobby-Koch davon abhalten, es einfach mal mit Blut zu probieren. Aber Achtung: Besorg dir unbedingt frisches Blut. Geh dafür am besten zum Metzger deines Vertrauens und erkundige dich bei den Mitarbeitern, an welchen Tagen geschlachtet wird—wenn einer an frisches Blut rankommt, dann sie. Und Achtung: Lass die Finger von dem gefrorenen Zeug aus dem Asia Shop—es schmeckt einfach nur furchtbar, wenn es erstmal aufgetaut ist. Der reine und süßliche Geschmack von Blut geht dabei nämlich komplett verloren. Und gefriergetrocknetes Blut (das Zeug, das so aussieht wie Milchpulver) könnte man zwar dazu verwenden, um den Eiweißgehalt bestimmter Lebensmittel zu erhöhen, zum Kochen eignet es sich aber trotzdem nicht. Du brauchst schon das knallrote und flüssige Zeug und du musst dich echt sputen. Denn es gerinnt verdammt schnell.

Wenn du alle logistischen Hürde überwunden hast und frisches Blut auftreiben konntest, wäre es—unserer Erfahrung beim Nordic Food Lab nach—eine gute Idee, mit Blut-Pfannkuchen oder einem Blutkuchen zu beginnen—beides geht leicht von der Hand. Blutwurst (ein Mix aus frischem Blut, Hafer, Fett sowie Gewürzen) ist dagegen der Heilige Gral. Du brauchst dafür unbedingt ein Füllgerät sowie Naturdarm. Alles in allem ist die Zubereitung relativ simpel. Das wissen aber nicht deine Gäste, die dich beim Anblick der hausgemachten Blutwürste ohne Zweifel für den ultimativen Boss in der Küche halten werden.

Also trau dich was und mach's mit (Herz-)Blut.