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Weihnachten

Wie in deutschen Gefängnissen Weihnachten gefeiert wird

In Berlin gibt es einen "Weihnachtsbeutel", in Sachsen-Anhalt eine Hüpfburg.
Ein Weihnachtsbaum steht in einem Gefängnis
Symbolfoto: imago | Klaus Haag

Für Weihnachtshasser muss der Knast die Hölle sein: Im Gegensatz zum Leben in Freiheit kann man im Gefängnis Weihnachten nicht entkommen. Überall glitzern geschmückte Bäume, spiegelt sich das Leuchten von Adventskränzen im Edelstahlmobiliar. Das ist zumindest in den 13 Bundesländern so, die unsere Fragen zu Weihnachten in den Justizvollzugsanstalten beantwortet haben. Sie alle schmücken mindestens die Gemeinschaftsräume, verteilen Gebäck, verabreichen ihren Zwangsgästen ein weihnachtliches Menü und veranstalten Gottesdienste.

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Auch wenn das Fest in Gefängnissen also oft wie aus einem Rolf-Zuckowski-Weihnachtslied wirkt, dürfte es selbst für einen inhaftierten Grinch willkommene Abwechslung in den Knastalltag bringen.

Denn Einsamkeit sei an Weihnachten ein besonderes Problem im Knast, teilen viele Ministerien in ihren Antworten mit. "Gerade zur Weihnachtszeit und um den Jahreswechsel herum wird den Gefangenen die Trennung von ihren Angehörigen und ihrer Familie oft schmerzlich bewusst", heißt es aus NRW. Psychologinnen, Sozialarbeiter und Seelsorger leisten in diesen Tagen Dauerdienst. Auch deshalb lassen sich die Bundesländer einiges einfallen, um die Inhaftierten in der Weihnachtszeit von dummen Gedanken abzulenken.

Rheinland-Pfalz

Es liest sich wie die Inventurliste einer Kreuzfahrtschiffsküche, ist aber ein Ausschnitt der Gerichte, die an den drei Weihnachtstagen in neun verschiedenen rheinland-pfälzischen Gefängnissen serviert werden: Rehgulasch, Hirschgulasch, Rinderroulade, Rindswurst, Kalbsrollbraten, Putenkeule, Hähnchenschenkel, Hähnchenbrust Caprese, Hühnerfrikassee, Schweinelende, Entenkeule und natürlich Kartoffelsalat mit Würstchen. Außerdem gibt es den üblichen Weihnachtsschmuck, dazu Sportevents, Gottesdienste, gemeinsames Backen und in manchen JVAs – fast vergessen – Christstollen, Schoko-Nikoläuse, Dominosteine, Spekulatius, Lebkuchen, Mandarinen und Nüsse. Und auch wenn wir jetzt nicht für alle Bundesländer jedes einzelne Gericht aufzählen: Auch dort gibt es an den Weihnachtstagen oft ein ähnlich festliches Menü.


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Bayern

Weihnachten im Knast bedeutet in Bayern, dass es "kein Tag wie jeder andere ist, sondern eine feierliche und besinnliche Zeit", schreibt eine Sprecherin des Justizministeriums. Das bedeutet für viele Gefangene an den Feiertagen Ausgang oder Urlaub bei der Familie. Wer in der weihnachtlich geschmückten JVA bleiben muss, kann zumindest von den "großzügigen Besuchsregelungen" Gebrauch machen.

Das Gerede vom Christkind, das nur zu den artigen Kindern kommt, trifft im Knast nicht zu: In Bayern schicken gemeinnützige Vereine Geschenkpakete mit Kaffee oder Schokolade an mittellose Gefangene. Diese schöne Geste gibt es außerdem in Niedersachsen, Sachsen und Bremen.

In Sachen Weihnachtsparty darf man im Knast keinen Drei-Tage-Wach-Rave erwarten. Aber in vielen bayerischen Gefängnissen gebe es Konzerte, Theateraufführungen, Filmvorführungen oder Sportturniere, schreibt die Sprecherin. Und weil der Katholizismus so sehr zu Bayern gehört, halten die Weihnachtsmessen auch nicht irgendwelche dahergelaufenen Priester. In Aschaffenburg erscheint der Würzburger Bischof himself und in München bringt der Weihbischof den ganzen Tölzer Knabenchor mit.

Niedersachsen

Auch in den Gefängnissen des Grünkohlreichs Niedersachsen orientiert man sich beim Weihnachtsessen an bundesdeutscher Tradition und serviert an Heiligabend Kartoffelsalat mit Würstchen. Auch sonst machen die JVAs in Niedersachsen überall dort ein Häkchen, wo in Deutschland "Weihnachten" draufsteht. Weihnachtsschmuck: check. Gottesdienste: check. Plätzchen: check. Außerdem finden in verschiedenen Anstalten Sportturniere statt.

Thüringen

Die Menschen in der thüringischen Gemeinde Tonna gehen oft in den Knast – um dort beim Bäcker Brötchen, Geburtstagstorten oder Stollen zu kaufen. Dieser sei selbst außerhalb der JVA sehr beliebt, schreibt ein Sprecher des thüringischen Justizministeriums stolz. Deshalb gebe es den Stollen zu Weihnachten auch in anderen Justizvollzugsanstalten und obendrauf Gerichte "die sich an den traditionellen Festspeisen orientieren". Daneben erwartet die Gefangenen in der JVA Hohenleuben ein Highlight – zumindest im Verhältnis zum langweiligen Knastalltag. An Weihnachten röhrt dort zwar nicht Beyoncé, aber immerhin der Posaunenchor Gera.

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Saarland

Wenn man Familienangehörige in einer der beiden saarländischen JVAs hat, kann man dort für sie seit diesem Jahr ein Weihnachtspäckchen kaufen. Darin verbirgt sich natürlich kein Haschisch, Whisky oder Smartphone, aber immerhin Kaffee, Kuchen und Pralinen. Das Weihnachtsmenü läuft hier jedoch anders. "Die Speisen in den Saarländischen Justizvollzugsanstalten sind ganzjährig von hoher Qualität und der Speiseplan ist grundsätzlich abwechslungsreich", schreibt eine Sprecherin des Justizministeriums. An den Feiertagen drücken die Gefängnisköche deshalb die Replay-Taste und kredenzen Gerichte, die bei den Gefangenen am beliebtesten sind. Auch in der JVA Saarbrücken kommt dann also kein Seetangsalat mit Chiasamen-Einlage aufs Knast-Tablett sondern der dortige All-Time-Favorite halbe Hähnchen.

Nordrhein-Westfalen

Im Knast wird vieles schwierig, was draußen selbstverständlich ist. Das gilt nicht nur für einen 1.000-Meter-Sprint in eine Richtung, sondern auch für das Vergnügen, stumpf ins Licht einer Kerze zu starren. Die sind nämlich in den meisten Bundesländern verboten. In NRW gilt jedoch in der Weihnachtszeit eine Ausnahme – wenn Seelsorger sie beantragen. Außerdem erwartet die Inhaftierten ein Weihnachtsspeiseplan, "der die Festtage in angemessener Weise würdigt", schreibt ein Sprecher des Justizministeriums. Doch das ist gemäß den ehernen Regeln des nordrhein-westfälischen Justizvollzugs noch nicht alles: "Die Verpflegungsordnung sieht an Weihnachten die Ausgabe eines Christstollens vor."

Bremen

An Weihnachten rückt die Welt im Knast zusammen und gleichzeitig näher an die Außenwelt. Zumindest der Speiseplan in Bremer Gefängnissen verströmt die Heimeligkeit gutbürgerlicher Gasthäuser. Entenkeulen, Rindergulasch und Rinderrouladen gibt es an den drei Weihnachtstagen, norddeutsch gekrönt von einem Krabbensalat. Die Zellen darf in Bremen der Schein eines Teelichts oder sogar einer Lichterkette erhellen – wenn beides genehmigt wurde. Die Weihnachtsbäume schmücken die Inhaftierten in Bremen selbst, an den Feiertagen gibt es Tischtennis-, Kicker- oder Dartturniere, bis am ersten Weihnachtsfeiertag der optionale zusätzliche Besuch eintrudelt.

Sachsen-Anhalt

Weihnachten hat etwas von einer Simulation, wenn man seine Familie nicht sehen darf. Vielleicht, um die Simulation möglichst realistisch zu gestalten, errichtet die JVA Burg in Sachsen-Anhalt am 5. und 19. Dezember einen Weihnachtsmarkt in ihrem Hof. Mit Weihnachtsbäumen, Weihnachtsmusik und Gegrilltem. An den Biertischen serviert die JVA außerdem "Heißgetränke", womit die Simulation wohl auch ihre Grenzen erreicht. Denn für Glühwein müssten die Inhaftierten wahrscheinlich einen Tunnel in die Freiheit graben.

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Kinder, deren Väter in Buch einsitzen, können sie für eine Weihnachtsfeier besuchen, zum gemeinsamen Basteln und Plätzchen essen. "Höhepunkt für die Kleinen wird das Erscheinen des Weihnachtsmannes mit kleinen Geschenken sein. Zum Spielen wird eine Hüpfburg aufgebaut", schreibt ein Sprecher des Justizministeriums. Manche Gefangenen erhalten außerdem Langzeitausgang, für einen Kurztrip unter den Weihnachtsbaum der Familie.

Auch in der JVA Halle können Gefangene an Weihnachten einen ganzen Nachmittag mit ihren Kindern und deren Müttern verbringen. Für die Kinder gibt es Geschenke vom Weihnachtsmann – insofern die Väter diese vorher in der JVA gekauft haben. In Halle gibt es außerdem einen "Mit-Sing-Gottesdienst" und die Gefangenen können sich ein Posaunenkonzert im Hof anhören.

Schleswig-Holstein

Leute, die in Deutschlands nördlichstem Urlaubsparadies eine Zwangspause einlegen, bringen im Knast besser gute Smalltalkfähigkeiten mit. "In den Justizvollzugsanstalten des Landes Schleswig-Holstein finden regelmäßig Weihnachtsfeiern für Gefangene statt, bei denen gemeinsam mit dem Vollzugspersonal gesungen und sich bei Kaffee und Kuchen unterhalten wird", schreibt ein Sprecher des Justizministeriums. Wer keine Lust hat, mit seinen Bewachern und Bewacherinnen zu singen und zu reden, könnte sich neben dem traditionellen Weihnachtsessen zumindest über "bunte Teller" hermachen. So heißen in Schleswig-Holsteins JVAs Teller mit Weihnachtssüßigkeiten, die die Anstalten bereitstellen.

Berlin

Wenn in Berliner Gefängnissen für Kokstaxifahrer, Neonazis, dutzende Schwarzfahrende und andere Inhaftierte Weihnachten ist, gibt es vegetarische und schweinefleischfreie Alternativen zum traditionellen Festessen. Der "Weihnachtsbeutel" ist eine Besonderheit in der JVA Tegel und der Jugendstrafanstalt. Darin sind keine Erwachsenengeschenke, sondern ein Schokoladenweihnachtsmann, eine Packung Lebkuchenherzen, Gewürzspekulatius, Dominosteine sowie einen Apfel und eine Orange für jeden Inhaftierten.

Wie in München bekommen auch Inhaftierte der JVA Tegel hohen Besuch. Nicht von Bushido, der mit alten Weggefährten abhängt, sondern vom Erzbischof von Berlin und dem Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, die an Heiligabend für einen ökumenischen Gottesdienst vorbeischauen. Die muslimischen Gefangenen dürfte das weniger beeindrucken, für sie gibt es in allen Berliner Männergefängnissen seit 2017 aber die Möglichkeit, zum Freitagsgebet zu gehen.

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In ganz Berlin bleiben auch die Knastbetriebe an den Weihnachtsfeiertagen geschlossen. Aber weil in Deutschlands größter Dönermetropole auch in den Gefängnissen immer etwas zu essen da sein muss, ackern die Haus- und Küchenarbeiter auch an den Weihnachtstagen gegen einen Feiertagszuschlag von fünf Prozent. Das ist übrigens auch in den anderen Bundesländern so.

Hamburg

In vielen Antworten auf unsere Anfrage zeigt sich ein ziemlich traditionelles Rollenverständnis von Mann und Frau. Männliche Inhaftierte messen sich an den Feiertagen in Kickerturnieren, Frauen basteln Kränze. Auch in Hamburg. "Die weiblichen Gefangenen in der Teilanstalt für Frauen haben beispielsweise unter professioneller Anleitung in einem Workshop Gestecke und Kränze hergestellt", heißt es in einer Pressemitteilung von Hamburgs Justizbehörde. Wie in Berlin heben die Hamburger ihre vegetarische und schweinefleischfreien Alternativen zum Festtagsmenü hervor. Außerdem gibt es in Hamburg die Möglichkeit, dass Inhaftierte in der JVA gemeinsam mit ihren Familien feiern können.

Baden-Württemberg

Damit Gefangene keine spitzgefeilten Zahnbürsten oder aus WC-Sitzen geschabte Dietriche zwischen Christbaumkugeln und Tannenzweigen verstecken, beschränken viele JVAs die Weihnachtsdeko in den Zellen. Die "Übersichtlichkeit" müsse gewahrt bleiben. Auch in Baden-Württemberg, wo gar kein Weihnachtskitsch in den Zellen erlaubt ist. Was genau es in Baden-Württembergs Gefängnissen an Weihnachten zu Essen gibt, verrät der Sprecher des Justizministeriums nicht. Nur so viel: "In einzelnen Anstalten wird der Speiseplan an den Weihnachtsfeiertagen dem Anlass entsprechend aufgewertet."

Hessen

Für Hessens Justiz gehört ein ordentliches Knast-Weihnachtsfest zur Resozialisierung dazu: "Der Strafvollzug darf für die Inhaftierten nicht eine Endstation darstellen, sondern ein Wendepunkt in ihrem Leben", schreibt ein Sprecher des Justizministeriums. Deshalb gelte auch im Land der Eintracht, dass die Seelsorgerinnen und Seelsorger versuchen, die Weihnachtszeit erträglicher zu machen. Neben dem üblichen Schmuck, Festtagsmenüs und Freizeitaktivitäten ist Weihnachten in Hessen einer der Anlässe, an denen Angehörige Geld für Sondereinkäufe auf die Konten der Inhaftierten einzahlen dürfen.

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