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Medienkompetenz

Diese PowerPoint-Präsentation kommt direkt aus der Hölle

Was das Gesundheitsministerium da erschaffen hat, müsste eigentlich unter die Genfer Kriegswaffenkonvention fallen.

Gehörst du zu den Leuten, die sich in der Nacht vor einem Referat oder Vortrag literweise lauwarme Energy-Drinks in den Schlund schütten, damit die Slides ästhetisch aussehen, nur um am nächsten Tag festzustellen, dass dir sowieso niemand zuhört? Dann solltest du jetzt aufpassen.

Am Montag stellte die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler, die BLIKK-Studie vor. Für die Studie haben Kinderärzte in Deutschland die Mediennutzung von 5.500 Kindern und Jugendlichen untersucht. Unter anderem fanden die Ärzte heraus, dass 70 Prozent der Kinder im Kita-Alter das Smartphone ihrer Eltern für mehr als eine halbe Stunde am Tag benutzen. Daraus würden Konzentrationsprobleme, Hyperaktivität und Einschlafstörungen entstehen, sagen die Ärzte. Die Würzburger Medienpsychologin Astrid Carolus warnte daraufhin aber vor einer einseitigen Diskussion und bemerkte, dass die Studie keine Beweise für die Schädlichkeit von Smartphones liefere.

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Aber was die Studie in Sachen Ergebnisse vielleicht nicht liefert, macht sie in puncto Präsentation locker wieder wett. Denn was die Rheinische Fachhochschule in Köln da zusammengebaut hat, gehört zu dem Extravagantesten, das je mit PowerPoint veranstaltet wurde: Farben, die sich beißen; verschiedene Schriftarten, die sich mit zahllosen Cliparts einen erbitterten Kampf um Platz auf der Folie liefern; Stockfotos mit Sprechblasen – es ist alles dabei.

Wer diese Präsentation gebaut hat, ist weit über so spießige Konzepte wie "benutzerfreundlich" oder "lesbar" hinaus. Hier geht es einzig und allein um Shock Value. Und du kannst das auch! Wenn du all diese Tipps befolgst, schläft ganz sicher niemand mehr während deines Vortrags ein.

1. Da geht noch was! Versuch, jede Folie so vollzuquetschen wie möglich

Alle hassen weiße Flächen. Außerdem hast du eh viel zu viel zu sagen, als dass du dir das leisten könntest! Also: Stockfoto irgendwo in die Ecke, schwebende Texte überall, und wenn du dazwischen noch irgendwo Platz hast, quetsch einfach noch ein paar Cliparts, Pfeile und Symbole rein.

Das Tolle daran: Die enorme Anstrengung, die der Betrachter unternehmen muss, um den Inhalt deiner verschachtelten Folien zu verstehen, führt bei ihm zu nachhaltigen kognitiven Verbesserungen. Wer deine Folien navigieren kann, für den ist Kommunikation mit vierdimensionalen Aliens danach ein Klacks.

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2. Je mehr Farben, desto besser! Mach es schön bunt

Grün, Gelb, Blau, Schwarz, Orange – alles muss rein. Wenn deine Präsi am Ende nicht aussieht wie eine frisch überfahrene Gummibärchentüte, dann hast du etwas Grundlegendes falsch gemacht.

Was war das? Du willst lieber seriös und professionell rüberkommen? Ich habe eine einfache Frage für dich: Was willst du sein? Gummibärchen oder After Eight? Genau.

3. Bring auf jeder einzelnen Folie sämtliche Logos aller Beteiligten unter

Das ist sehr, sehr wichtig, weil der Betrachter bei jeder einzelnen deiner Folien einen epileptischen Anfall bekommen könnte. So weiß er immer genau, bei wem er sich dafür bedanken kann.

4. Mach es unverständlich

BLIKK steht ja übrigens für "Bewältigung, Lernverhalten, Intelligenz, Kompetenz, Kommunikation". Nichts davon hat auf dieser Folie funktioniert, aber anscheinend machen Smartphones Kinder dreimal schlauer als Marcel Reich-Ranicki.

Aber genau das ist der Trick: Wenn die Folie zu verständlich ist, dann hört ja keiner mehr dem Vortragenden zu!

5. Klatsch immer alles mit Stock-Fotos voll

Vor allem, wenn man damit so unmittelbar klar machen kann, wie gefährlich die digitalen Medien wirklich sind: Auch aus deiner zarten Tochter kann im Handumdrehen ein dicker Junge werden! Obwohl der immerhin aussieht, als hätte er Spaß am Leben.

6. Und jetzt klatsch die Stock-Fotos mit Sprechblasen voll

Vergiss aber auf keinen Fall, die Sprechblasen dann noch mit einer Flut aus Satzzeichen aufzufüllen!

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7. Mach Rechtschreibfehler in den Sprechblasen – das knallt!

Diese Folie hat besonders viel Häme auf sich gezogen, weil die Macher hier ihre relativ simpel gestrickten Gegensatz-Paare ("Biken statt Liken", "Paddeln statt Daddeln") durch die sehr eigenwillige Rechtschreibung vollkommen unverständlich gemacht haben. Als die Rheinische Post bei den Machern der Studie nachgefragt hat, wie das passieren konnte, hatten die eine überraschende Antwort parat: Das war Absicht. "Es wurden bewusst für die beiden alternativ genannten Aktivitäten zur digitalen Medien-Nutzung 'Bicken statt Liken' und 'Paddeln statt Datteln' falsche Schreibweisen gewählt, um bei der heutigen Informationsflut einen Eyecatcher für die Wahrnehmung unserer Empfehlungen zu generieren", erklärte Rainer Riedel, der Direktor des Instituts für Medizinökonomie Köln, der Zeitung.

Man merkt: Wir haben es mit einem echten PowerPoint-Ninja zu tun. Diese Art von Meisterschaft erlangt man nicht, indem man sich ein Fachbuch kauft, sondern indem man tagelang unter einem Berg-Wasserfall in Tibet meditiert. Was Riedel hier geschaffen hat, ist eine völlig neue Form der "Wahrnehmungs-Generation": Das Gehirn des Betrachters mit so viel Wut und Hass zu fluten, bis die Botschaft ("Bicken statt Liken") sich tiefer in den präfrontalen Cortex eingebrannt hat als die Fähigkeit, aufrecht zu gehen.

8. Ende mit dem 'GMF' – dem Goldenen Mindfuck

Wir wollen ehrlich mit euch sein: Ihr werdet lange brauchen, bis ihr das Level erreicht habt, auf dem die Rheinische Fachhochschule PowerPoint beherrscht. Kennt ihr die "Fatalities" bei Mortal Kombat (Vorsicht: Ihr solltet diesen Link nur klicken, wenn ihr erstens sehr viel Zeit und zweitens überhaupt kein Empathievermögen habt)? Das, was die RFH mit dieser Folie am Schluss abgezogen hat, ist der ultimative Finishing Move: zuerst natürlich der absolut brutale Tippfehler in genau dem Satz, in dem es um "Medien-Nutzungs-Kompetenz" geht. Dann dieses grauenhafte, verpixelte Bild einer Autobahn aus SimCity 1 oder so. Und zu guter Letzt der große, gnadenlose Smiley, der uns diabolisch grinsend herausfordert: "Na, traut ihr euch, jetzt noch was zu sagen? Wollt ihr uns vielleicht auf den Rechtschreibfehler hinweisen? Bitte, bitte, weist uns auf den Rechtschreibfehler hin! DAS IST NÄMLICH EIN 'EYECATCHER'! DU WURM, DU POWERPOINTPARASIT, DU NICHTSKÖNNER!"

Wir verneigen uns vor diesem Meisterwerk der angewandten Trollkunst.

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