Die letzte Rede von Michael Häupl im Wortlaut
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Michi Häupl Ultras

Die letzte Rede von Michael Häupl im Wortlaut

Der vielleicht wichtigste Aspekt daran kommt in der Ansprache selbst gar nicht vor: Michael Häupl hielt seine letzte 1.-Mai-Rede tatsächlich an einem Dienstag, um 12 Uhr.

Danke, meine lieben Freunde. Ich habe mir gerade eh gedacht, ich stehe wahrscheinlich kurz vor der sozialdemokratischen Seligsprechung. Liebe Wienerinnen und Wiener, liebe Freunde, liebe Genossinnen und Genossen, lieber Bundesparteivorsitzender – kurz habe ich mir vorher gedacht, dass du sagst: 'Danke Basti, dass so viele Leute auf den Rathausplatz gekommen sind'. Ich hätte das aber übertrieben gefunden, denn so gut sind wir gar nicht mit ihm.

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Liebe Freunde, eine bekannte Wiener Journalistin ist vor kurzem hier im Rathaus mit einem Preis ausgezeichnet worden. In ihrer Dankesrede sagte sie: 'Ich spüre in unserem Land einen neuen, frischen Wind – einen sehr kalten.' Und ich kann diesem Bild eine ganze Menge abgewinnen. Denn in der Tat, es weht ein sehr kalter Wind. Vieles ist heute gesagt und begründet worden. Manches wäre hinzuzufügen; wie etwa das durch ganz Europa ziehende Gespenst des Neonationalismus und Populismus.

Ihr wisst, dass ich Redundanz nicht sehr schätze. Aber eines sei ganz besonders und deutlich unterstrichen: Wir als Sozialdemokraten haben den absoluten USP für eine Politik, die die Gesellschaft zusammenhält und nicht spaltet. Wir sind die einzigen, die das letztendlich nicht nur programmatisch, sondern in der Umsetzung können.


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Und was immer Politologen auch in der Vergangenheit prophezeit und schwadroniert haben über das Ende des sozialdemokratischen Zeitalters – nein, genau dafür braucht man uns. Und zwar gerade in Zeiten, wo wesentliche politische Kräfte dabei sind, die Gesellschaft zu spalten und die Menschen gegeneinander auszuspielen.

Wir stehen für das Miteinander, wir stehen für die Solidarität der Menschen. Und das ist, denke ich, der entscheidende Unterschied und keiner soll mir mehr sagen, es gäbe zwischen den einzelnen Politikern oder Parteien eh keinen Unterschied. Das ist ein deutlicher und das ist ein entscheidender – letztendlich auch für die Menschen.

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Und nun liebe Freunde, liebe Genossinnen und Genossen, möchte ich mich zunächst bei euch bedanken. Natürlich bedanke ich mich für den Dank, der an mich gerichtet ist. Als Kreisky so alt war wie ich, hat er mal gesagt, als eine ganze Reihe von Genossinnen und Genossen ihm gedankt und gelobhuldigt haben: 'Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie viel Dank und Lob man in einem Leben vertragen kann.' Vor 25, 30 Jahren hätte ich das noch nicht so verstanden, heute verstehe ich's.

"Ich verabschiede mich nicht. Ich werde nicht unpolitisch." – Michael Häupl

Aber was ich tun möchte, ist mich bei euch zu bedanken. Mich bei euch dafür zu bedanken, dass ich so lange Zeit mit euch und für euch arbeiten konnte. Dass ihr mir gestattet habt, diese Führungsposition innezuhaben und gemeinsam jeden Tag, jede Stunde, jede Minute dafür zu kämpfen, dass es den Konservativen und Reaktionären nicht gelingt, unsere Gesellschaft zu spalten und auseinander zu driften.

Aber liebe Freunde, auf einen kleinen Unterschied möchte ich noch aufmerksam machen. Ich übergebe in drei Wochen die Funktion des Wiener Bürgermeister an meinen Nachfolger Michi Ludwig und das ist gut so, um es sehr einfach zu sagen.

Aber liebe Freunde, ich verabschiede mich nicht. Ich werde nicht unpolitisch. Niemand kann von mir verlangen, dass ich mich plötzlich völlig aus der Politik absentiere. Natürlich werde ich nicht den Balkon-Muppet spielen, natürlich werde ich meinem Nachfolger nicht pausenlos irgendwas dreinreden, das ist gar keine Frage. Aber ich verspreche euch, dass ich mich Zeit meines Lebens für diese Prinzipien, für die ich jetzt 24 Jahre als Bürgermeister und noch länger in der Partei gearbeitet habe, Tag und Nacht einsetzen werde. Liebe Freunde, ich verspreche euch das reinen Herzens. Denn ich bin bei euch, der Partei. Und ihr, liebe Freunde, ihr seid in meinem Herzen. Freundschaft!

Als die Zuseher und Zuseherinnen nach einer Zugabe rufen, kommt Häupl noch einmal als Mikrofon:

Hallo Freunde, ist ja nett. Aber ich bin kein Kabarettist, auch wenn's nicht immer so ausschaut. Was ich sicher nicht bin, ist ein Popsänger. Das mit der Zugabe funktioniert nicht. Ich wünsche euch noch einen schönen 1. Mai. Tschüs.

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