Ein junger Mann mit Drei-Tage-Bart leckt eine goldene Kugel Eis; es handelt sich um eine Luxussorte aus dem Süden Italiens, von der eine Portion 70 Euro kostet, wir haben die Familiengeschichte der Erfinder aufgeschrieben
Der Autor lässt sich eine Portion der Luxus-Eissorte schmecken | Alle Fotos: Giuliana Massaro
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Eine Kugel für 70 Euro: Das steckt im italienischen Luxuseis

Die Eisdiele existiert, um "Eis für Arschlöcher" herzustellen, sagt ihr Chef.
Gianvito Fanelli
Conversano, IT

Du hast Heißhunger auf Süßes und gerade einen Batzen Geld über? Dann solltest du vielleicht einen Urlaub in Ruvo di Puglia in Süditalien planen. Dort gibt es die Eisdiele "Mokambo Gelateria". Sie ist international bekannt geworden, weil sie eine Sorte namens "Scettro del Re" [auf Deutsch "Königszepter"] verkauft. Der Preis für eine Kugel: 70 Euro.

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Giuliana und Vincenzo Paparella betreiben die Eisdiele zusammen mit ihrem Onkel Franco. Vor mehreren Jahren stießen die Paparella-Geschwister auf ein altes Notizheft, das einst dem Onkel ihres Großvaters gehörte, einem Unternehmer namens Luigi Marseglia. Darin standen die Rezepte, die heute die Grundlage der Mokambo-Speisekarte sind.


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Der Unternehmer Marseglia wurde 1889 geboren und wuchs in Neapel auf. Seinen ersten Job hatte er im Gran Caffè Gambrinus, einer örtlichen Konditorei und Eisdiele. Danach zog er mit Anfang 20 der Liebe wegen nach Ruvo di Puglia und eröffnete ein Hotel sowie später auch eine Bar. 1912 betrieb er sogar noch eine Tankstelle, um die reisenden Geschäftsleute abzugreifen. Sie kamen vor allem in die Stadt, um Mandeln zu kaufen.

Marseglias Neffe, Vincenzo Paparella Senior, arbeitete in der Bar seines Onkels, bis er zum Wehrdienst eingezogen wurde. Danach kehrte Paparella Senior nach Ruvo di Puglia zurück und wollte direkt in seinen alten Job einsteigen. Was er nicht wusste: Marseglia hatte alles verkauft und sich zur Ruhe gesetzt. 

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Der Eingang zu einer italienischen Eisdiele ist mit weißen Tüchern verziert, auf denen der Name der Eisdiele steht

Hier ist das Königszepter zu Hause

So verbrachte Paparella die nächsten Jahre in einem anderen Café. Dann entschied er sich im November 1967 dazu, ein eigenes Café zu eröffnen: die erste Version des Mokambo.

Ein junger Mann mit blauem Pullover, Mund-Nasen-Schutz und gepunktetem Schal präsentiert auf seinem Smartphone ein altes Notizbuch

Vincenzo Paparella präsentiert stolz das mit Rezepten gefüllte Notizheft, das einst Luigi Marseglia gehörte

Nachdem Vincenzo Paparella Senior 1984 im Alter von 51 Jahren gestorben war, übernahmen seine Söhne Antonio und Franco das Geschäft. So ging es ein Jahrzehnt, bis Franco es alleine versuchen wollte und sein eigenes Restaurant eröffnete. Das Projekt scheiterte nach vier Jahren. 

Danach dauerte es knapp 20 Jahre, bis das Mokambo sein Comeback feierte. Die Paparella-Geschwister sehnten sich nach dem Eis ihrer Kindheit. "Ich wollte jahrelang wieder ein Haselnusseis essen, das wirklich nach Haselnüssen schmeckt", sagt Giuliana Paparella, die Enkelin von Vincenzo Paparella Senior.

Zwei Hände auf den Deckeln einer Eiscreme-Auslage

2015 studierte sie noch Jura, während ihr Bruder Vincenzo – benannt nach seinem Großvater – für ein Beratungsunternehmen in Rom arbeitete. Beide wollten etwas in ihrem Leben verändern und die alten Geschmäcker wiederbeleben. Zuerst versuchten sie, ihren Vater Antonio von ihrer Vision zu überzeugen. Der hatte jedoch kein Interesse. So kam Onkel Franco ins Gespräch. Der hatte sowieso schon mit der Idee gespielt, wieder ins Eisgeschäft zurückzukehren. Er besaß das nötige Equipment und sogar einen kleinen Laden, der noch renoviert werden musste. 

Ein junger Mann mit blondierten Haaren, orangefarbenem Pullover und Mund-Nasen-Schutz steht neben einer jungen Frau in Kochoutfit

So eröffnete im Sommer 2016 die neue Version der Mokambo Gelateria und brachte die Rezepte aus dem 20. ins 21. Jahrhundert. Die Eisdiele existiert, um "Eis für Arschlöcher" herzustellen, wie es Franco Paparella ganz unverblümt sagt. "Denn nur Arschlöcher machen wegen Eis so ein Theater."

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Auf einem eingerahmten Foto ist ein älterer Mann in Anzug zu sehen, im Hintergrund steht eine edle Porzellantasse

Das ist LUIGI MARSEGLIA, die Inspiration hinter dem Mokambo

Unter Francos Leitung benutzt man im Mokambo hochwertige Haselnüsse und Pistazien sowie 36 verschiedene Sorten Kakaobohnen. "Am Anfang haben wir die Schokolade noch von woanders eingekauft", sagt Franco Paparella. "Obwohl es natürlich die beste auf dem Markt war, waren wir damit nicht zufrieden, weil sie Kakaobutter enthielt. Wir wollten aber ein reines Produkt. Also entschieden wir uns 2017 dazu, die Kakaobohnen direkt zu importieren."

In mehreren Gläsern sind verschiedene Sorten Kakaobohnen aufbewahrt

Eine der 36 Kakaobohnen-Sorten, aus denen im Mokambo täglich Eiscreme entsteht

Dieser hohe Qualitätsanspruch erklärt auch, warum das Eis im Mokambo mehr kostet als in anderen Eisdielen. "Ich musste die Preise erhöhen und mich mit dem ganzen Scheiß rumschlagen, weil die Zutaten teurer geworden sind", sagt Franco Paparella. An einer Portion Eis, die vier Euro kostet, verdiene er nur 70 Cent, sagt er.

"Wir bieten eine komplett andere Erfahrung als klassische Eisdielen", erklärt Vincenzo Paparella. "Bei uns gibt es kein großes Schild, und unser Etablissement ist weder glamourös, noch befindet es sich in zentraler Lage. Wir wollen, dass die Leute wegen unseres Eises herkommen, sonst nichts."

In einer kleinen Schale befindet sich eine kleine Portion rot leuchtendes Safran

Der aus dem Irak stammende Safran sorgt dafür, dass eine Kugel Eis dieser besonderen Sorte 70 Euro kostet

Die wohl außergewöhnlichste Eissorte im Mokambo? Das erwähnte Königszepter – also das mit Safran versetzte Eis, das inzwischen zum Aushängeschild des Familienunternehmens geworden ist. Der Safran wird aus Maschhad im Nordosten des Irans importiert. Ein Gramm kostet circa 55 Euro. Diese Safranfäden werden mit einem Mix aus Eiern, Milch und Zucker – also der Basis der Eiscreme – vermischt. Das ursprüngliche Rezept für diese Sorte stammt natürlich aus dem Notizbuch von Luigi Marseglia.

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Eine junge Frau mit dunklen Haaren und Kochoutfit hält eine Portion edel aussehendes Eis in einer Waffel hoch

Giuliana Paparella mit einer Portion der Königszepter-Sorte

Das fertige Königszepter ist dann eine Kombination aus Sahne, Pistazienbutter, Safran-Eis, Karamell und 24-karätiger Goldfolie. Das Eis sieht wirklich aus wie ein Zepter. Die Textur ist samtweich, das Aroma wohlriechend und der Geschmack königlich. 

"Wir sind 2017 auf die Idee für dieses Eis gekommen und haben es im August 2018 zum ersten mal angeboten", sagt Giuliana Paparella. "Wir verkaufen hier nicht nur eine Portion Eis. Wir entführen dich und behalten dich für eine intensive Geschmacksreise hier."

Eine Hand hält eine Waffel, in der gerade eine Kugel Eis mit Blattgold verziert wird

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Update, 23. März 2022, 17:15 Uhr: In einer früheren Version des Artikels stand fälschlicherweise, dass die Stadt Maschhad im Irak liegt. Wir haben den Fehler korrigiert.