Popkultur

Netflix: Wo 'The Crown' bei Prinzessin Diana daneben liegt

War Charles wirklich so creepy – und Diana tatsächlich so dumm?
JG
London, GB
Prinzessin Diana in der Netflix-Serie The Crown und in echt, wie realistisch ist ihre Darstellung in der Serie?
Links: Des Willie / ©Netflix / Courtesy, Everett Collection || Rechts: REUTERS / Dylan Martinez DM / CMC / PN

Prinzessin Diana ist mit Abstand das Beste in der vierten Staffel von The Crown. Im Gegensatz zu Gillian Anderson als Margaret Thatcher, die eher wie eine überzogene Karikatur der berüchtigten britischen Premierministerin wirkt, spielt Emma Corrin die Prinzessin der Herzen verletzlich und voller Charme.

Aber welche Geschichte möchte The Crown über Diana erzählen? Wir sagen dir, wo die Serie richtig und wo sie falsch liegt.

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Hat Charles wirklich zuerst Dianas ältere Schwester gedatet?

Hut ab, dieses erste Aufeinandertreffen von Charles und Diana hat The Crown mit seiner unangenehmen Stimmung schon sehr schön hinbekommen. Die 16-jährige Diana im Waldnymphenkostüm läuft hier dem 13 Jahre älteren Charles über den Weg. Das Ganze hat wenig von einer Rom-Com, sondern ist vor allem creepy. Und ja, Charles war damals wirklich mit Dianas älterer Schwester zusammen.

Andy McSmith schreibt in No Such Thing As Society, seinem Buch über die 1980er in Großbritannien, dass Dianas Schwester sich ihre Chancen als Charles Freundin versaut habe, als sie vor Boulevard-Journalisten freimütig ihre Lebensgeschichte ausgeplaudert hat. Rückblickend ein absoluter Glücksfall.

Hat Charles wirklich auf die Interviewfrage, ob er in seine Verlobte verliebt sei, wirklich geantwortet: "Was immer 'Verliebtsein' heißen mag"?

Ja, dafür gibt es sogar einen Videobeweis. In der Serie ist Diana über die Antwort schockiert, sucht verunsichert den Rat ihrer Freundinnen. Charles soll allerdings genau die gleiche Formulierung privat bei seinem Antrag verwendet haben. Auch das hätte Diana skeptisch machen können.

War die Hochzeit von Charles und Diana wirklich eine so große Sache?

Ja. Die Königliche Hochzeit ereignete sich während einer politisch sehr angespannten Zeit und wurde vor allem dazu genutzt, das Land wieder zusammenzubringen – was größtenteils auch funktionierte. Tinnef im Wert von 400 Millionen Britischen Pfund wurde verkauft, 750 Millionen Menschen verfolgten die Hochzeit im Fernsehen und eine Million säumte am 29. Juli 1981 die Straßen Londons, um einen Blick auf die königliche Kutsche zu erhaschen.

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Diana wurde schnell ein internationales Schönheitssymbol. Der US-amerikanische Metal-Star Ted Nugent soll 1984 bei einem Gig im Hammersmith Odeon gesagt haben soll: "Ich würde meinen Schwanz eine Meile lange durch Glassplitter schleifen, um in ihrem Schatten wichsen zu können." Der US-Präsident hingegen schien nicht so angetan sein. Als das Paar zum ersten Mal das Weiße Haus besuchte, soll Ronald Reagan versehentlich sein Glas auf "Prince Charles und Princess Andrew" erhoben haben.

Der damalige spanische König Juan Carlos war wiederum extrem angepisst, dass die Flitterwochen das Paar durch Gibraltar führten, den britischen Zipfel im äußersten Süden Spaniens, und lehnte die Einladung zur Hochzeit ab.

Haben die Royals Diana wirklich so mies behandelt?

Mit der Queen hält es The Crown gerne, wie es der Serie gerade in den Kram passt. Gegen Thatcher ist sie die Gute, eine empathische Frau, die sich für den Wohlfahrtsstaat und die Mittellosen einsetzt. Bei ihren Interaktionen mit Diana ist sie eiskalt, manchmal sogar unbarmherzig. Ja, Menschen können verschiedene Seiten haben, aber so extrem?

Es scheint allgemeiner Konsens zu sein, dass Diana von den Royals so kalt behandelt wurde, wie es in The Crown dargestellt wird. Laut No Such Thing As Society mangelte es ihr zwar nicht an Ratschlägen, dafür aber an emotionaler Unterstützung. "Mit 19 hatte man sie aus ihrem gewohnten Umfeld herausgerissen und in den Fluren des Buckingham Palace alleingelassen, wo emotionaler Umgang unbekannt war", schreibt McSmith.

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Das ist definitiv das Narrativ, das auch Diana selbst geprägt hat. Einmal hat sie gesagt: "Ich konnte nicht glauben, wie kalt alle waren. Mir wurde eine Sache gesagt, aber in Wahrheit lief was anderes ab. Überall Lügen und Täuschungen."

Hatte Diana wirklich so viele Päckchen zu tragen, wie The Crown behauptet?

Wenn überhaupt, dann noch mehr. The Crown zeigt detailliert Dianas Bulimie-Problem. Aber das war nur der Anfang. Während sie mit William schwanger war, stürzte sie sich einen Treppenabsatz hinunter. Sie sagte später, dass sie sich vernachlässigt gefühlt und damit versucht habe, die Aufmerksamkeit ihres Mannes auf sich zu ziehen. 

"Ich hatte Charles gesagt, wie verzweifelt ich bin und wir sehr ich mir die Augen ausweine", so Diana zu ihrem Biograf Andrew Morton. "Er sagte, ich würde falschen Alarm schlagen. 'Ich werde dir nicht weiter zuhören', sagte er. 'Immer tust du mir das an. Ich werde jetzt reiten gehen.'"

Neben der Bulimie kämpfte Diana auch mit einer Postnatale Depression und selbstverletzendem Verhalten.

War Diana so dumm wie The Crown sie darstellst?

In The Crown sind die sehr unterschiedlichen kulturellen Interessen von Diana und Charles die Hauptursache für die Spannungen in ihrer Ehe. In einer ziemlich peinlichen Szene sabotiert Diana unfreiwillig einen Opernabend, der zu Ehren von Prince Charles stattfindet, indem sie auf die Bühne geht, um ihn mit einer Tanzdarbietung zu "Uptown Girl" zu beeindrucken – was auch wirklich so passiert ist. Als sie ihm zum Geburtstag ein Video schenkt, auf dem sie ein Stück aus dem Musical Das Phantom der Oper singt, stößt das bei ihrem Mann auf ähnlich viel Begeisterung. Hier verdient Charles Sympathiepunkte, aber stimmt diese Episode auch?

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Einigen Quellen zufolge: joa. Diana beschrieb sich mal als "thick as a plank", was in etwa "dumm wie Brot" bedeutet. Sie gab also nie vor, eine Intellektuelle zu sein. Sie verließ die Schule ohne mittlere Reife und arbeitete vor ihrer Hochzeit mit Charles als Reinigungskraft und Kindergartenhilfe. The Crown bemüht sich sehr, Diana als eine Art Heldin der Arbeiterschicht darzustellen, dabei ist sie auf dem königlichen Gut Sandringham in eine adelige Familie hineingeboren worden.

Journalist und Historiker Paul Johnson sagt: "Sie dachte, sie wisse nichts und sei sehr dumm … sie machte Kritik an ihr unmöglich, indem sie selbst immer wieder sagte: 'Ich bin sehr dumm und ungebildet.'" Aber was auch immer sie von sich hielt, ihre extreme Empathie ist definitiv ein Zeichen von Intelligenz. Sie war auch weitaus begabter als alle anderen Royals im Umgang mit den Medien, was zumindest eine gewisse Gerissenheit nahelegt.

War Dianas Arbeit während der AIDS-Krise wirklich eine so große Sache?

Was Diana in der AIDS-Krise getan hat, ist einer der Hauptgründe, warum sie bis heute in der LGBTQ-Community so verehrt wird. Der andere Grund ist wahrscheinlich, dass sie wunderschön und extrem unglücklich war. In den 1980ern war die Diskriminierung von Menschen mit AIDS extrem. Diana änderte das.

Der Historiker Alwyn Turner schreibt in seinem Buch Rejoice! Rejoice! über Diana: "Ihre Beteiligung an AIDS-Charitys hat auf kurze Sicht Vieles geleistet, die öffentliche Meinung über die Krankheit zu ändern. Ihre im Fernsehen übertragenen Treffen mit Patienten haben dabei geholfen, Gerüchte zu zerstören, dass die Krankheit durch normale soziale Kontakte übertragen werden kann."

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