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Kampfsport

Bruce Lee und Krishnamurti: Zwei unermüdliche Kämpfer für Freiheit

Auch wenn du es vielleicht nicht glauben kannst: Kampfsport-Gott Bruce Lee und der indische Philosoph Krishnamurti hatten eine ganze Menge gemeinsam.
Foto von Michael Ochs Archives

Bruce Lee ist der wohl angesehenste und einflussreichste Kampfkünstler der Welt. Selbst Leute, die sich nicht für Kampfkunst und Kampfsport interessieren, kennen und respektieren ihn. Er wurde zu einer Art Paul Bunyan, zum Zentrum von Mythen und Legenden. Gleichzeitig dient er auch vielen MMA-Kämpfern—darunter Bas Rutten und Jon Jones—als Inspirationsquelle. Wenn immer wir jemanden bewundern, sieht der nächste natürliche Schritt so aus, dass wir versuchen, ihn zu imitieren. Darum müssen sich seine Fans und Bewunderer zu allererst fragen: Für welche Kampfsportart steht Bruce Lee? Wenn man seine Filme gesehen hat, müsste die Antwort wohl Kung Fu lauten—was ja durchaus seine Richtigkeit hat, denn am Anfang seiner Karriere praktizierte Lee für viele Jahre den chinesischen Kung-Fu-Stil Wing Chun. Doch Lee wollte sich weiterentwickeln und begann deswegen, sich nebenbei auch mit Boxen, Judo und Fechten zu beschäftigen.

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Gegen Ende seines Lebens hatte Bruce Lee komplett den Glauben an das Konzept eines starren Systems von Kampfstilen, Techniken und Strategien—die vom Meister zum Schüler weitergegeben werden sollen—verloren. Lees wohl bekannteste Maxime („„Benutze keinen Weg als Weg—habe keine Grenze als Grenze") erinnert uns daran, dass uns alle Wege offen stehen, solange wir uns keiner bestimmten Schule oder Doktrin verschreiben. Passend dazu kommt im Namen vieler Kampfsportarten das japanische/koreanische Wort für Weg („„do") vor: Tae Kwon Do, Judo, Aikido, Hapkido und Kendo. Lee zufolge ist die effektivste Art zu kämpfen genau die, die für dich am effektivsten ist. Unterschiedliche Temperamente, Körperformen und athletische Möglichkeiten machen einen individuellen Trainingsansatz nötig. Für Lee gab es deswegen auch nicht die eine Methode, die allen Schülern weiterhelfen würde. Gleichzeitig war er überzeugt, dass jede feste Methode—wenn man an ihr dogmatisch festhält—am Ende allen schaden werde.

Lees Philosophie ist simpel: Mach einfach das, was für dich im Kampf funktioniert. Lee war also der Auffassung, dass es in der Verantwortung eines jeden Kampfsportlers liege, für sich selbst herauszufinden, welche Techniken ihm liegen und welche nicht. Was einem Channing Tatum liegt, muss noch lange nicht Yao Ming, Sarah Silverman oder Akebono weiterhelfen. Bruce Lee zufolge kann dir niemand beibringen, wie du zu kämpfen hast. Ein guter Lehrmeister gibt seinem Schüler nur die nötigen Mittel, um eigenständig weiter lernen zu können, an die Hand. Ein guter Lehrmeister hilft seinem Schüler bei der Selbstfindung. Obwohl es schon seit Ewigkeiten verschiedenste Kampfkunststile gibt und diese auch miteinander verbunden wurden, hat es bisher kein anderer Mensch geschafft, mit so viel Eloquenz über das Thema zu schreiben. Aus diesem Grund ist Lees wichtigster Beitrag für die Kampfkunst—neben der Tatsache, dass er sie durch seine Filme äußerst populär gemacht hat—die Entwicklung einer eigenen philosophischen Denkrichtung: Jeet Kune Do („„der Weg der abfangenden Faust"). Wie Jack Slack richtig festgestellt hat, hat es Bruce Lee vermocht, die Zukunft des modernen Kampfsports korrekt vorherzusehen. Doch wie so viele andere Philosophen vor ihm, knüpft auch Bruce Lee an das Schaffen früherer großer Denker an. Allen voran an die Lehre von Jiddu Krishnamurti.

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Jiddu Krishnamurti wurde 1895 als Sohn einer hinduistischen Familie geboren. Als kleiner Junge wurde er von Theosophen „„entdeckt", die glaubten, dass es sein Schicksal sei, der sogenannte Weltlehrer zu werden—ein Auserwählter, der die Welt dank seiner Lehren auf die richtige Bahn bringen würde. Zur Bekanntmachung und Unterstützung ihres zukünftigen Messias wurde dann der Orden des Sterns des Ostens gegründet. Im Alter von 34 Jahren—als er schon über ein Schloss in Holland sowie 2.000 Hektar Land verfügte—hielt Krishnamurti vor 3.000 Anhängern seine berühmte Austrittsrede, in der er den Orden des Sterns des Ostens auflöste. In seiner Rede kritisiert Krishnamurti jegliche Form von Doktrinen, Dogmen, philosophischen Systemen und organisierten Religionen.

Krishnamurti: „„Ich behaupte, dass die Wahrheit ein pfadloses Land ist und dass es keine Pfade gibt, die zu ihr hinführen—keine Religionen, keine Sekten. Das ist mein Standpunkt, den ich absolut und bedingungslos vertrete. Die Wahrheit ist grenzenlos, sie kann nicht konditioniert, sie kann nicht auf vorgegebenen Wegen erreicht und daher auch nicht organisiert werden. Deshalb sollten keine Organisationen gegründet werden, die die Menschen auf einen bestimmten Pfad führen oder nötigen. Wenn ihr das einmal verstanden habt, werdet ihr einsehen, dass es vollkommen unmöglich ist, einen Glauben zu organisieren." Dann führte er weiter aus: „„Wenn eine Organisation zu diesem Zweck gegründet wird, so wird sie zu einer Krücke, die euch schwächt, zu einem Gefängnis. Solche Organisationen verkrüppeln das Individuum, hindern es daran zu wachsen und seine Einzigartigkeit zu leben, die ja darin liegt, dass es ganz alleine diese absolute, uneingeschränkte Wahrheit entdeckt."

Es fällt nicht besonders schwer, Krishnamurtis Einfluss auf Bruce Lee zu erkennen. Dafür musst du einfach nur die Worte Wahrheit mit Kämpfen und Organisation und Religion mit Kampfkunst und Kampfstil ersetzen. Laut Linda Lee Cadwell, der Witwe von Bruce Lee, hat Lee tonnenweise Literatur von Krishnamurti gelesen, nachdem er sich beim Gewichtheben am Rücken verletzt hatte. Weiter oben habe ich geschrieben, dass aus der Bewunderung für eine Person in einem nächsten Schritt dessen Nachahmung folgt. Andererseits geht es hier um Bruce Lee, weswegen wir ziemlich sicher sein können, dass er uns raten würde, ihn gerade nicht zu imitieren. Er würde uns sagen, wir sollen einfach wir selbst—also einzigartig und originell—sein, anstatt irgendwelchen Trends zu folgen. Er würde uns ermutigen, selbstständig zu denken, anstatt blind irgendwelchen religiösen, politischen oder pädagogischen Denkschulen zu folgen. Lee würde uns anbrüllen, dass wir Buddha töten sollen. Sowohl Bruce Lee als auch Krishnamurti waren absolute Verfechter von Freiheit: Während sich Krishnamurti mit seiner Forderung nach Freiheit auf Fragen der Philosophie und Religion bezog, machte sich Bruce Lee dafür stark, dass man Kampfkunst frei von Dogmen und Bedingungen praktizieren können soll.

Dieser Artikel erschien ursprünglich auf Fightland.