Mysteriöse Ameisenkolonie vermehrt sich prächtig in lebensfeindlichem Atombunker
Die eingesperrte Formica Polyctena bei der Arbeit | Bild: Wojciech Stephen

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Mysteriöse Ameisenkolonie vermehrt sich prächtig in lebensfeindlichem Atombunker

Das zähe Volk, das in ewiger Finsternis in einem Schacht lebt, ist eine weltweit einzigartige Entdeckung.

Die eingesperrte Formica Polyctena bei der Arbeit | Bild: Wojciech Stephen

„Leben am Limit", das ist nicht nur ein attraktiver Slogan für Menschen mit selbstzerstörerischen Ambitionen, sondern auch der Titel einer aktuellen biologischen Studie. Dabei handelt es sich allerdings nicht um die empirische Analyse der neuesten Party-Kreationen von Erlebnis-Pionier Jochen Schweizer, sondern um die wissenschaftliche Untersuchung der einzigartigen Bewohner eines verlassen sowjetischen Atomwaffenbunkers.

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Unterhalb eines lichtlosen Luftschachts der Anlage bei Templewo nahe der deutsch-polnischen Grenze fristet ein besonders zähes Volk von Waldameisen seit Jahren sein Dasein in lebensfeindlicher Umgebung. Und obwohl sich die kleinen Krabbeltiere der Gattung Formica polyctena unfreiwillig in den trostlosen Überresten des Kalten Kriegs befinden, trotzen sie überaus erfolgreich ihrem eigenen Untergang

Die Studienobjekte des Papers Living beyond the limits of survival können sich nicht untereinander fortpflanzen und haben dementsprechend auch keinen eigenen Nachwuchs. Die Forscher um den Biologen Wojciech Czechowski von der Polnischen Akademie der Wissenschaften fanden in ihren Untersuchungen weder Larven noch Puppen, was auf eine Vermehrung der Ameisen in dem dunklen Schacht hingewiesen hätte. Möglicherweise liegt es an den niedrigen Temperaturen, die auch im Sommer die 10° Celsius nicht überschreiten, oder an der spärlichen Nahrung und der permanenten Dunkelheit, dass die Waldameisen, die im Atombunker leben, ihre Fruchtbarkeit einbüßen müssen.

Sehr zur Verwunderung der Forscher ist die Kolonie dennoch seit ihrer Entdeckung im Jahr 2013 gewachsen. Der Grund für diese unbefleckte Empfängis neuer Stammesmitglieder ist ein Loch in der verrosteten Abdeckung des Schachts, durch das jedes Tier der gesamten Ameisenschar bisher hindurchgefallen ist. Über der unterirdischen Ameisenzwischenwelt befindet sich ein Luftschacht, dessen durgerostete Abdeckung löchrig ist. Dadurch, dass sich an dieser überirdischen Stelle eine ganz normale Kolonie der Kahlrückigen Waldameisen angesammelt hat, scheint auch der Fortbestand der unteridischen gesichert, denn regelmäßig purzeln unbedachte Ameisen durch den rostigen Schacht.

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So kann die Ameisenschar ihre Größe nicht nur halten, sondern hat sich seit die Biologen im Jahr 2013 zum ersten Mal auf die Kellerameisen gestoßen sind, sogar noch vergrößert. Die Forscher schätzen die Anzahl der unterirdischen Waldameisen auf hunderttausende, wenn nicht sogar eine Million.

Die zähen Insekten trotzen den Widrigkeiten des Bunkers, der zwischen 1960 und 1992 als Basis für sowjetische Atomwaffen genutzt wurde, mit all ihrer Arbeitskraft und räumen ihr 3x1,2 Meter großes Gefängnis in unbeirrbarem Eifer fleißig auf. Nachdem die Wissenschaftler auf ihrer Suche nach Larven im Juli 2015 beispielsweise ein wenig Unordnung in die die Behausung gebracht hatten, war im Januar 2016 alles wieder in bester Ordnung und jegliche Schäden repariert.

In den Sommermonaten beobachteten die Forscher, dass zahlreiche Ameisen versuchten an den Wänden ihres düsteren Gefängnisses zum warmen Sonnenlicht hochzuklettern. Die Bemühungen scheinen jedoch nicht von Erfolg gekrönt zu sein, denn Czechowski und sein Team konnten keine Ameisen an der Decke des Bunkers finden.

Die gefangenen Insekten versuchen in ihren kargen Verhältnissen also ihr normales Ameisenleben aufrecht zu erhalten. Die Körper der an Altersschwäche oder Unterernährung Verstorbenen stapeln sie in einem improvisierten Friedhof in einer Ecke des Schachts auf und versuchen anscheinend, sich mit ihrem unheilvollen Dasein zu arrangieren. Laut den Forschern handelt es sich hierbei um eine weltweit einzigartige Entdeckung.