"Kriege, Hungersnot und Afrikaner, die fette Menschen essen" – Steel Panther im Interview

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Interviews

"Kriege, Hungersnot und Afrikaner, die fette Menschen essen" – Steel Panther im Interview

Endlich mal ein ernstes Gespräch mit Steel Panther über Frauenfeindlichkeit, Satire und Political Correctness.

Foto: Vincent Grundke

Wir leben in einer Welt voll Scheiße. Ausgegrenzte Minderheiten, misshandelte Tiere und Menschen, Ausbeutung, Unterdrückung, Freiheitsberaubung und von moralischen Grundsätzen hat gefühlt eh nur jeder Fünfte mal gehört. Schuld daran: Menschen wie Steel Panther. Zumindest Teilschuld, das würden einige gern genauso unterschreiben. Nach langen Jahren als Cover-Act berühmter Heavy Metal-Bands wie Van Halen, ist das vierköpfige Glam Metal-Revival auch außerhalb von Los Angeles als eigene Einheit unterwegs. Vor acht Jahren erschien ihr Debüt "Feel The Steel". Man nehme den selbstverherrlichenden Testosteronüberschuss der 80er Jahre, den schrill-bunten bis semi-nackten Rockstar-Look, Promofotos, auf denen alle zwischen Zeige- und Mittelfinger ihre Zunge stecken und sehr direkte Texte, Ansagen und Interviews über die hohe und vielfältige Kunst der freien Liebe.

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Ein dezenter Sticker-Hinweis "Explicit Lyrics" deutet auf dem Debüt nur sanft an, was es da Verdorbenes zu entdecken gibt. "Wrap a tuna roll on my dick and the bitch is on her knees", die unmissverständliche Zeile in "Asian Hooker". "If you want to have a seat I'll clear a place on my face yeah" in der Erkenntnis "Eatin' Ain't Cheatin'". "Had to roll you in some flour just to find where you were wet" in "Turn Out The Lights". "All around the world there's a hundred billion stupid girls just like you just begging for nuts to chew" in "Girl From Oklahoma". Da können sie ihr viertes Album "Lower The Bar" (VÖ am 24. März 2017) auch mit "Goin' In The Backdoor" einleiten.

Knapp an der Minderjährigkeitsgrenze vorbeigeschrammte Mädels klettern scharenweise und hüllenlos auf die Bühne dieser Hundskerle in Frauenfummeln. Auch wenn sie noch so niederträchtige Ansagen machen, über Fette singen, Kanye West voll Sperma sehen wollen, und das weibliche Geschlecht auf den Knien. Für übertrieben viele Mädchen egal. Sogar aphrodisierend: Sie setzen ihren Schlafzimmerblick auf und reiben sich an den Musikern auf die Bühne. Schwingen sich sogar auf Schlagzeuger Stix Zadinia während er spielt – kein Witz. Feministinnen gehen auf die Barrikaden. Haben die nicht gemacht! Ist das meine Tochter da auf der Bühne? Nein, halt, lass das Shirt an! Brüste haben sich eben fest in der Show von Steel Panther etabliert.

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Wir wollten uns auf die Suche nach den Feinheiten und Gedanken zwischen und hinter dem Flachwitz bei Steel Panther machen. Wie viel Direktheit in Sachen sexueller Entfaltung ist angebracht? Ist der Künstler dafür verantwortlich, sich selbst zu zensieren? Ist es am Ende nur Unterhaltung oder ist er als Medium auch immer Botschaft? Und tatsächlich haben wir ein paar klare Momente innerhalb des satirischen SP-Schauspiels geangelt und zumindest ein wenig Licht ins Dunkel gebracht, ob das alles wirklich nur Parodie, nur Show ist, oder ob da doch mehr dahinter steckt. "Harte Fragen", schluckt Gitarrenwunder Satchel im Interview. Sänger Michael Starr findet das Schlusswort: "Heiße Themen hier".

Was bedeutet Feminismus für euch?
Satchel: Für mich persönlich heißt Feminismus, wenn eine Frau sich stark und sicher genug fühlt, einen Mann abzuschleppen. Viele Frauen glauben nicht, dass sie das tun könnten. Es ist sehr befreiend. Auf einen Mann zuzugehen und zu sagen: "Dich ficke ich heute Nacht."

In Deutschland setzen sich mehr und mehr Menschen wie Künstler für Feminismus und Political Correctness ein. Trolle im Internet werden bei frauenfeindlichen Kommentaren prompt von einer Flut an Leuten zurechtgewiesen. Wie ist das in den USA?
Satchel: Das ist heute überall so auf der Welt, in den Vereinigten Staaten auch. Die Leute sind überempfindlich. Gegenüber allem, was ihnen Identität gibt. Ob ihr Geschlecht, ihre Rasse, ihr Alter oder was auch immer. Wir leben in einer sexistischen, rassistischen Gesellschaft, wo man sich innerhalb von Gruppen identifiziert. Das ist nicht unbedingt eine großartige Sache. Letztlich sind wir alles Menschen, stimmt's? Und versuchen eine gute Zeit zu haben und miteinander klarzukommen. Ich versuche keinen wegen seiner Rasse oder seinem Geschlecht zu beurteilen. Na klar liebe ich es, Mädchen zu ficken. Aber ich habe nichts gegen einen Typen, der einen Typen ficken will. Ich habe auch nie über George Michael geurteilt, wenn er mit einem Dude nach Hause ist.
Michael Starr: Oder einem Dildo.
Satchel: Was ist falsch an Dildos? Michael kommt nicht mal hoch ohne Dildo. Das ist eben, was er so macht, Teil seiner Routine.
Michael Starr: Mein Ritual.

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[Jetzt bricht das Gespräch zum ersten Mal lang und ausufernd aus, hin zu der durchschnittlichen Größe von Penissen, je nach Nation und Kontinent eben. Irgendwie finden wir einen Weg zurück.]

Werdet ihr oft von Menschen mit einem hohen Standard an Political Correctness angegriffen, beschimpft oder kritisiert?
Satchel: Dass Leute böse auf uns werden? Weil wir nicht politisch korrekt sind? Nein. Diejenigen, die sich von uns angegriffen fühlen, die sind nicht besonders lautstark deswegen. Die Meisten, die zu unseren Shows kommen, lieben uns. Ehrlich gesagt glaube ich, dass die Menschen zur Zeit Political Correctness satthaben. Das bauscht sich schon eine ganze Weile immer weiter auf, überall auf der Welt. Die Leute kommen zu unserer Show, weil wir uns nicht darum kümmern. Wir machen Witze über jeden, auch über uns. Menschen sind müde davon, sich darum zu sorgen, jemanden zu kränken, sobald sie den Mund aufmachen.
Michael Starr: Das ist viel Druck.
Satchel: Wenn Leute kommen, um Steel Panther zu sehen, dann ist da frische Luft für sie. Es wird immer Leute geben, die uns hassen werden. Die können meinen Schwanz lutschen.

Political Correctness fehlt es also an Humor?
Satchel: Nicht immer, aber sie kann Humor verdrängen. Es kann so witzig sein, all die Unterschiede von Menschen hervorzuheben. Das muss gar nicht schlecht sein.
Michael Starr: Es kann auch gesund sein. Wir haben einen Song namens "Fat Girl", der ist gesund. Die meisten reden darüber nicht, wenn eine Frau fett ist. Damit ignorieren sie das Problem. Als wäre da ein weißer Elefant und keiner redet darüber. Die Quintessenz ist: Sobald wir den Song singen, dann lieben ihn die fetten Mädels. Es ist ein Lied für Mädchen, die zu viel essen. Sie müssen sich nicht mehr verstecken.
Satchel: Was ist, wenn ein Mädchen es mag, fett zu sein und sich gar nicht so fühlt, als würde sie zu viel essen?
Michael Starr: Was soll daran falsch sein?
Satchel: Aber warum sagst du, sie isst zu viel?
Michael Starr: Das meinte ich nicht, aber wenn sie fett ist, ist sie fett.
Satchel: Willst du sagen, es ist ungesund für eine Frau, wenn sie übergewichtig ist?
Michael Starr: In manchen Ländern ist es das.
Satchel: In welchen Ländern ist es nicht ungesund, fett zu sein?
Michael Starr: In manchen wird man gegessen, wenn man zu fett ist.
Satchel: Sie essen dich? Quatsch, das hast du dir ausgedacht.
Michael Starr: Menschliches Fett ist eine Delikatesse in manchen Ländern.

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Wie können eure Texte die Welt verändern?
Michael Starr: Wir hören diese Frage oft.
Satchel: Unser Ziel war es nie, die Welt zu verändern. Wir wollten so hart feiern und so viel Spaß haben wie möglich. Wenn Leute unsere Musik genießen und Spaß haben, dann haben wir die Welt verändert. Auf unsere kleine Weise. Wenn wir das Herz einer Person erreichen und sie zum Headbangen bewegen oder ein wenig zum Grinsen, dann haben wir unseren Job auf dem Planeten getan. Es gibt so viel Scheiße da draußen, die stinkt: Kriege, Hungersnot und Afrikaner, die fette Menschen essen.
Michael Starr: Ich habe nicht Afrika gesagt!
Satchel: Wo auch immer. Michael will diese Information ja nicht mit uns teilen. Der Punkt ist: Wir machen manche Menschen glücklich. Leute, die uns nicht hassen, weil wir Frauenhasser sein sollen, das sind echt glückliche Menschen.
Michael Starr: Ich finde es gut, wenn wir Kontroversen erregen. Dass Leute sauer auf uns werden. Weil es Gefühle auf eine andere Weise weckt.
Satchel: Guter Punkt. Wenn wir dich wegen einem Song oder Thema auf die Palme bringen, dann solltest du vielleicht mal einen Blick in den Spiegel wagen. Und dich fragen: Bin ich zu sensibel? Bin ich einfach nur ein Schwanz? Vielleicht ist es das.
Michael Starr: Michael Jackson hatte recht. [Singt in extremer Höhe:] "I'm starting with the man in the mirror."

Es gibt eine Seite namens stopmetal.com …
Satchel: Warte, was?! Stop – Metal.com?

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… die schreibt: Wenn ihr bei euren Shows Frauen auffordert, ihre Brüste zu zeigen, dann nehmt ihr ihnen die Rechte weg. Weil sie einem enormen Druck von allen männlichen Zuschauern ausgeliefert sind. Was ist Feminismus in dieser Situation: Brüste zeigen oder nicht?
Satchel: Das ist die Entscheidung der Frau.
Michael Starr: Aber er sagt, es gibt diesen Gruppendruck. Ich sage den Mädchen auf der Bühne immer: Zeigt nicht eure Brüste, weil Satchel euch das sagt. Zeigt sie, weil ihr sie feiern wollt. Tut es nicht für die anderen, tut es für euch selbst. Und Heavy Metal rules! Es gibt keinen Grund, 80er Jahre-Metal zu stoppen, nur weil du keine Titten magst! Wer auch immer diese Scheiße [auf stopmetal.com] schreibt, ist offensichtlich schwul. Wenn wir einen Kerl auffordern würden, seinen Schwanz zu zeigen und ihn so unter Druck setzen sollten, dann müssten wir 80er New Wave stoppen, weil es Kerle dazu bringt, ihren Schwanz zu zeigen.

Außerdem gibt es Menschen bei euren Konzerten, die Frauen auf unsittliche Weise anfassen. Habt ihr deswegen den Song "Pussy Ain't Free" geschrieben mit der Zeile: "you gotta pay for this shit / one way or another"?
Satchel: Ich würde niemals empfehlen, ein Mädchen anzufassen ohne ihr Einverständnis zu haben. Weil das zu Vergewaltigungsvorwürfen führen kann. In der gewaltigen Mehrheit an Ländern. Hol dir immer ihre Erlaubnis ein, bevor du ein Mädchen anfasst, ob an ihrer Muschi oder den Titten. Oder an ihrer Schulter! "Pussy Ain't Free" wurde einfach geschrieben, weil das eine universelle Wahrheit ist. Ob du nun für eine Nutte bezahlst oder du eine Ehefrau zu Hause hast – du bezahlst so oder so für die Pussy. Lesben genauso.
Michael Starr: Das ist keine schlechte Sache, nur die Wahrheit.
Satchel: Es hat seinen Preis, manche ist viel teurer. Denkst du, Melania Trump gab es umsonst? Zur Hölle, nein. Donald Trump hat einiges bezahlt dafür. Du kannst aber auch das am wenigsten materiell eingestellte Mädchen der Welt haben, du wirst für die Pussy bezahlen. Auf anderem Wege. Konversationen, du musst mit ihr reden, abhängen, in den Park gehen. Ihre Hand halten, es gibt Millionen Wege.
Michael Starr: Mit ihrer verdammten Mutter reden, diese Scheiße eben.
Satchel: Deswegen ist eine Nutte manchmal besser, du musst nicht mit ihr quatschen. Ich muss nicht so tun, als würde ich sie mögen.

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Denkt ihr oft, Leute verstehen eure Texte falsch? So wie das neue "Anything Goes" oder "Gloryhole", die ja an sich für Toleranz für alle Arten der freien Liebe werben.
Michael Starr: Nein, denke ich nicht. All unsere Texte sind ziemlich selbsterklärend. Die Geschichte ist eindeutig.
Satchel: Das ist eine der schönsten Sachen an unserer Band: Wir sind die wohl ehrlichste Band, die es gibt. Wir haben keine Angst davor, Leute zu verletzen. Wir sind geradeheraus, was den Inhalt angeht. Es gibt keine wirkliche Grauzone bei uns. Man mag uns oder nicht. Die große Masse an Bands denkt genau darüber nach, bevor sie etwas sagt. Sie sorgen sich darum, wie es interpretiert werden könnte. Es mag Menschen geben, die uns fehlinterpretieren. Aber die meisten wissen genau, was wir sagen wollen.

Wir sind den Leuten von Anfang an auf die Eier gegangen, genau wie in "Death To All But Metal". Unsere erste Single. Und die erste Zeile darin heißt: "Fuck the Goo Goo Dolls"! Ich denke, die Goo Goo Dolls haben Humor dafür.

Was meint ihr, warum kommt ihr mit solchen Sachen immer davon?
Satchel: Weil wir es einfach machen. Es ist vielleicht beleidigend, wenn du Teil der Goo Goo Dolls bist. Als erste Zeile eines Liedes zu hören "Fuck the Goo Goo Dolls"!
Michael Starr: "They can suck my balls".
Satchel: Es wird eine Menge Goo Goo Dolls-Fans geben, die denken: Was zur Hölle, das ist meine Lieblingsband. Und wir sagen ihnen, sie sollen unsere Eier lecken! Damit machst du Leute echt wütend. Die Fans sind sicher beleidigter als die Band selbst.
Michael Starr: Haben sie überhaupt Fans?
Satchel: Weiß ich nicht, haha. Aber man kriegt direkt Fans von Leuten, die die Goo Goo Dolls hassen.

Manche behaupten, ihr kommt mit euren sexistischen Texten immer davon, weil ihr eine Parodie seid. Seid ihr das?
Satchel: Das sind wir nicht. Wir sind so ernst wie ein Herzinfarkt.
Michael Starr: Ich höre das Wort Parodie seit wir angefangen haben. Und ich weiß nicht mal, was das ist.
Satchel: Weil er kein Wikipedia kennt. Manche Menschen werden immer versuchen, uns auszugrenzen. Indem sie uns Parodie schimpfen. Das ist OK, ich gebe einen Fick darauf, wie uns Leute nennen. Ich kümmere mich um die Leute, die in diese Band abtauchen und sie feiern. Offensichtlich werden wir nicht jeden gewinnen können. Aber die Leute, die uns lieben, sind loyaler als ich es je erhofft haben könnte.

Bitte nennt ein paar Gründe, warum ihr nicht frauenfeindlich sein könnt.
Satchel: Ich denke, wir können das sein. Warum wir es nicht sind? Das kann ich nicht beantworten. Kannst du?
Michael Starr: Ja, weil wir Frauen lieben.
Satchel: Das ist keine gute Antwort.
Michael Starr: Für mich schon.
Satchel: Ist es das? Du liebst Frauen wirklich, selbst die fetten, die gerade in Afrika gegessen werden?
Michael Starr: Was hin ist, ist hin. Ich liebe sie nun mal. Ich könnte direkt jetzt eine umarmen. Und sie direkt seitlich auf ihre Titten schlagen.
Satchel: Wir lieben Titten und wir lieben Muschis. Es wird Frauen geben, die uns dafür hassen, dass wir es laut aussprechen.
Michael Starr: Wie könnten sie? Es ist, als würde dir jemand sagen: "Ich liebe dich, Bro." Und du würdest sagen: "Boah, ich hasse dich!".
Satchel: Das ist nicht dasselbe. Eher, wenn du sagst: "Ich liebe Schwänze." Ich bin nicht besorgt wegen der Frauen, die uns als frauenfeindlich oder sexistisch bezeichnen. Es ist mir egal. Weil diese Frauen zu keiner Steel Panther-Show kommen werden. Die Leute, die von unserer Musik gekränkt sind, sollten verdammt nochmal lockerer werden.
Michael Starr: Lass uns doch über was wichtiges reden: Heavy Metal!
Satchel: Wir reden doch über was wichtiges. Wenn du eine Frau bist und dich wegen uns verletzt fühlst: Alles, was du in diesem Interview oder unserer Musik hörst, gibt dir die Chance, Dinge entspannter zu sehen und nicht jeden Scheiß so ernst zu nehmen.
Michael Starr: Oder die Chance, sich Tickets für Blink 182 zu kaufen und die zu sehen.
Satchel: Oder die scheiß Goo Goo Dolls und sich dabei den Finger in die Muschi zu stecken.

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