Hier mal eine anzügliche Bemerkung über die üppige Oberweite der Kollegin, dort mal ein Klaps auf den Po des Praktikanten: Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz kennt viele Gesichter und Formen und ist leider keine Seltenheit. Eine repräsentative Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes aus dem Jahr 2015 hat ergeben, dass jede_r zweite Befragte bereits Belästigung am Arbeitsplatz erlebt hat. Jede sechste Frau und jeder vierzehnte Mann stuft das Erlebte auch eindeutig als sexuelle Belästigung ein. Als Täter wurden von beiden Geschlechtern mehrheitlich Männer benannt.Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat in ihrem Leitfaden "Was tun bei sexueller Belästigung am Arbeitsplatz" klar definiert, was das Gesetz unter sexueller Belästigung versteht:Mehr lesen: "Ich hoffe, du wirst wieder vergewaltigt" – der Alltag einer Sportreporterin
"Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) spricht von sexueller Belästigung, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornografischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird." (§ 3 Abs. 4 AGG)
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Lena* hat genau das erlebt. Ihr Vorgesetzter bot ihr Geld für Sex. "Mein Chef wollte mir 5000 Euro bar auf die Hand geben, wenn ich mit ihm schlafen würde", erzählt die 23-Jährige, die zu dieser Zeit in der Gastronomie tätig war. "Ich dachte zuerst, dass das ein schlechter Scherz sei, doch irgendwann kapierte ich, dass er es todernst meinte."Die damals 20-Jährige lehnte sein Angebot ab – auch wenn einige ihrer Freundinnen kein Verständnis für diese Entscheidung hatten. "Sie sagten Dinge wie: 'Ist doch nur Sex! Für 5000 hätte ich das sofort gemacht!' oder 'So leicht verdienst du nie wieder 5000 Euro!'. Aber wer will schon mit seinem schmierigen Chef schlafen, ihm in sein Orgasmus-Face blicken und am anderen Tag so tun, als wäre nichts passiert?"
Gegenüber der Antidiskriminierungsstelle des Bundes gaben 31 Prozent der Befragten an, von Vorgesetzten aus höheren Hierarchiestufen sexuell belästigt worden zu sein. Die Betroffenen befinden sich in einer schwierigen Situation: An wen wendet man sich, wenn der Chef der Täter ist?"Ich habe nichts unternommen, weil ich mich irgendwie geschämt habe und noch in der Probezeit war."
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Paulina erzählte schließlich einem Bekannten, was ihr widerfahren ist: "Er hatte so viel Verständnis für mich und bestätigte mich darin, dass das, was da passiert, falsch ist. Es gab mir Kraft zu hören, dass ich nicht überreagiere und meine Wut und Hass dem Kollegen gegenüber berechtigt ist." Nachdem sie auch den Rest ihres Freundeskreises und ihren Partner eingeweiht hat, zählen sie gemeinsam die Tage bis zu ihrer Versetzung in ein anderes Büro. "Nach meinem letzten Arbeitstag habe ich all meine Sachen gewaschen und alles abgewischt, was er jemals angefasst hatte. Diese Sachen haben mich richtig angeekelt."Der Fall von Gwen zeigt, wie Firmen im Idealfall mit sexueller Belästigung am Arbeitsplatz umgehen sollten. Von ihren Kolleginnen bekam sie ausnahmslos Unterstützung. Nach einem Gespräch mit ihren Vorgesetzten über die Vorfälle, wird ihr übergrifflicher Kollege zum Personalgespräch geladen. Der schien jedoch vorgesorgt zu haben: Er verbreitete bereits im Vorfeld unter allen Kollegen eine verdrehte Version der Geschichte und nahm zusätzlich auch noch eine Begleitung mit ins Gespräch.
"Ich habe ihn daran erinnert, dass ich ihm die Finger brechen werde, wenn er mich noch mal anfasst."
Dass diese Möglichkeiten bestehen, wissen viele Betroffene nicht. "Ich wusste gar nicht, ob ich rechtlich gegen das eindeutige Angebot meines Vorgesetzten vorgehen kann, schließlich hatte ich keine Beweise", erzählt Lena. In vielen Fällen kann es also durchaus Sinn machen, sich erst einmal bei unabhängigen Beratungsstellen über seine Rechte und Möglichkeiten zu informieren. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend beispielsweise bietet betroffenen Frauen kostenlose Beratung per Mail, Telefon oder Chatfunktion. Der umfangreiche Leitfaden der Antidiskriminierungsstelle des Bundes erhält ebenfalls Informationen zum richtigen Umgang mit sexueller Belästigung am Arbeitsplatz – für Betroffene, aber auch für Vorgesetzte.Gwen ist froh, dass sie mit der Situation so offen umgegangen ist. Als sie ihrem ehemaligen Kollegen allerdings vor ein paar Wochen über den Weg lief, tat der im ersten Moment so, als wäre nichts zwischen ihnen vorgefallen. "Er sprach mich an und suchte wieder Kontakt", erzählt sie, trotz aller Abwehrversuche. Schließlich nahm er sie dann aber doch ernst, endlich. "Ich habe ihn direkt und sehr bestimmt daran erinnert, dass ich ihm die Finger brechen werde, wenn er mich noch mal anfasst."Folgt Broadly bei Facebook, Twitter und Instagram.Mehr lesen: Frauen erzählen, wie ihre männlichen Kollegen sie in den Wahnsinn treiben
*Namen von der Redaktion geändert