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​Das Ende der 'Uncharted'-Reihe ist der Anfang von extrem guter Grafik

Nach über 15 Stunden reinem Gameplay sitze ich vor den Endcredits von 'Uncharted 4: A Thief's End' und versuche die beste Grafik, die ich je gesehen habe, zu verdauen.
Alle Screenshots vom Autor aus 'Uncharted 4: A Thief's End' (c) Naughty Dog

Als im Jahr 2001 das ambitionierte Filmprojekt Final Fantasy: The Spirits Within in die Kinos kam, war die Aufregung in unserer Film/Tech/Gamesblase groß. Nicht nur wegen der oft diskutierten Werktreue zum gleichnamigen Games-Franchise, sondern weil auch die Machart—ein rein computergenerierter Film mit Anspruch auf Fotorealismus—zahlreiche Diskussionen zum Thema Realfilm versus CGI und der Notwendigkeit echter Schauspieler anstieß.

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Und nicht zuletzt, weil wir Videospieler uns damals mit schwer gemoddeten Kisten auf LAN-Parties gerade mit Unreal Tournament und Konsorten amüsierten und angesichts des beeindruckenden Final Fantasy: The Spirits Within die grafischen Möglichkeiten der damaligen Games im Vergleich zu Filmen bitterlich beklagten. Der Tenor: Wenn es doch endlich mal Games in dieser grafischen Qualität gäbe!

Nun sitze ich nach etwas über 15 Stunden reinem Gameplay hier, lasse die Endcredits von

Uncharted 4: A Thief's End

laufen und bin ausgesprochen zufrieden mit dem Ende der vierteiligen Serie, die mich über neun Jahre und zwei Konsolengenerationen begleitet hat. Und zwar "

Toy Story 3

-glücklich", wenn ihr versteht.

Noch viel mehr aber beschäftigt mich die Tatsache, dass es nun 15 Jahre nach dem Final Fantasy-Film und unseren frommen Wünschen tatsächlich so weit ist: mit einer 300-Euro-Konsole (ein Bruchteil dessen, was damals ein ordentliches Gamer-Rack kostete) kann man ein Game zocken, dass weitestgehend on par mit dem Film oder auch dem 2003er-Animationsklassiker Final Flight of the Osiris aus der Animatrix-Kurzfilmsammlung ist. Und zwar immer, nicht nur in Cutscenes – die sind nämlich in fast jeder Hinsicht noch besser.

Uncharted 4 ist also nicht nur ein würdiger letzter Teil eines ausgesprochen erfolgreichen Franchise, sondern gleichzeitig auch ein technischer Gamechanger. Nicht, dass andere Games nicht auch schon in lichte Höhen klettern, was Detailverliebtheit, penibles Modeling und Motioncapturing oder Quasi-Realismus betrifft. Man denke nur an die wahnwitzigen Skyrim-Mods, den Tomb Raider-Reboot oder auch den Teenie-Horror Until Dawn.

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Ja, selbst Shooter wie Call Of Duty: Advanced Warfare können mit teilweise unglaublich realistischen Szenen aufwarten. Aber selbst die brillanten digitalen Alter Egos von Real Life-Stars wie Kevin Spacey oder Peter Stormare wirken im Vergleich zu den Charakteren in Uncharted 4 hölzern und unwirklich.

Entwickler Naughty Dog startete dabei aus einer alles andere als angenehmen Position. Nach drei Uncharted-Blockbustern für die PS3 und dem ebenso fantastischen The Last Of Us, das selbst Quantum Breaks Heavy Rain-Nachfolger Beyond: Two Souls in jeder Hinsicht die Schneid' abkaufte, waren nicht nur die Erwartungen an das Game selbst immens hoch.

Auch die erstmalige Neuentwicklung eines Naughty Dogs-Spiels für die PS4 wurde schon vorweg als echte Nagelprobe für das seit 2001 im Vollbesitz von Sony stehende Studio eingestuft: würden die Entwickler den neuen Hardwaremöglichkeiten entsprechend liefern und mehr noch, würden sie auch wie schon zu PS3-Zeiten Anspruch auf Technologieführerschaft hinsichtlich der grafischen Möglichkeiten stellen? Ja und ja. Und weit darüber hinaus.

Uncharted 4: A Thief's End ist im Grunde ein konventionelles Third Person-Abenteuer mit linearer Handlung, guter Steuerung, berechenbar via Stealth oder Shootout bezwingbaren Gegnern, den üblichen (nicht allzu schweren) Rätseln und jeder Menge Geschicklichkeits- und Kletter-Sequenzen. Im Westen nichts neues also, im Prinzip ein solide gemachter Abenteuer-Flick à la Indiana Jones oder National Treasure mit abwechslungsreicher Spielerbeteiligung.

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Ein gezockter Film, wenn man so will. Davon gibt es ja reichlich. Was aber den Unterschied ausmacht, ist die sagenhafte Präzision und technische Ausgereiftheit, mit der dieses Spiel präsentiert wird. Das selbe Prinzip, warum Barbie-Animationsfilme Scheiße sind undPixar-Werke großes Kino; warum Avatar und The Matrix ebensolche Meilensteine für das Filmgeschäft waren wie Unreal oder Far Cry für die Gamesbranche: technische Perfektion mit Wow-Effekt.

Natürlich bedient sich Uncharted 4 zahlreicher Tropen, Selbstreferenzen und künstlerischer Stilmittel, die als erprobt und zuverlässig gelten. Auch die Handlung, Plot Twists, Charaktere und das Pacing könnten genauso aus einem 30 Jahre alten Bond oder etwas jüngeren Dan Brown stammen. Letztendlich soll das Gesamtkonstrukt ja trotzdem einer möglichst breiten Masse gefallen. Die Stärke liegt hier in der ausführlichen Charakterentwicklung und Dialogen, deren Inhalt und Voiceacting weit über die oft nicht mehr als Schwarzenegger-Qualität erreichenden Sprechrollen in Games hinausgeht.

Das eine oder andere Plothole sei hier—wie in den meisten Action-Werken, die irgendwann handlungsmäßig dann doch wieder die Kurve kriegen müssen—verziehen. Entscheidend wieder mal, erraten: technische Qualität.

Perfekte Dialogregie und dazu das unerreicht ziselierte Mienenspiel der digitalen Charaktere machen die Cutscenes, aufgefettet durch bewusst atmosphärisches Licht je nach Handlung, zu einem Lehrstück nicht nur für Schauspieler, sondern auch für Medizinstudenten, Berufsziel Plastischer Chirurg. Wenn nur alle gebotoxten Mimen und C-Promis auch nur halb so viel aus ihren Gesichtsmuskeln rausholen könnten wie die Hauptprotagonisten in diesem Spiel, wäre die Welt ein besserer Ort und die Klatschspalten um einiges inhaltsärmer.

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Das alles soll aber keineswegs die Qualität des Leveldesigns in den Schatten stellen. Von der Wüste über den Regenwald bis zur belebten Stadt gelingt der proprietären Engine von Naughty Dog fast alles in überragender Qualität. Freilich nicht mühelos, wie der oft heftig präsente Lüfter der PlayStation unterstreicht, aber mit stabilen Framerates und erstaunlich wenigen Clipping-Fehlern.

Auch konnte ich in den wie gesagt mehr als 15 Stunden Gameplay (Cutscenes nicht eingerechnet) mit der Version 1.03, also dem gerade mal zweiten Update nach dem obligaten Zero-Day-Patch nur einen einzigen Absturz verzeichnen. Das ist, angesichts der vielen plattformunabhängigen Negativ-Beispiele bei diversen A-Games der letzten Jahre, echt bemerkenswert und ein Zeichen für hohes handwerkliches Können sowie rigoroses Qualitätsmanagement.

Ein Spiel also nicht nur mit in einer eigenen Liga spielenden Grafik abzuliefern, sondern auch pünktlich und praktisch fehlerlos—geht doch! Da können sich andere Studios aber ordentlich an der Nase nehmen.

Als ob Sony bzw. Naughty Dog das auch noch allen wirklich deutlich unter die Nase reiben wollten, bietet der eigene Photo-Modus noch dazu die Möglichkeit, besonders erhebende Szenen und Bilder vor dem eigentlichen Screenshot noch mit zahlreichen Kameraoptionen, Filtern und Effekten zu versehen. Eine Art integriertes Instagram also, denn 2016 ist der herkömmlich Screenshot ja nicht mehr gut genug. Wenn schon auf Social Media angeben, dann aber richtig!

Naughty Dog hat also mit Uncharted 4 zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Erstens: das beliebte Franchise mit einem sowohl aus Gamer-Sicht, als auch vom Narrativ her äußerst befriedigendem Ende versehen bevor es mit zu vielen Aufgüssen lächerlich wird (Hallo, Assassin's Creed!).

Und zweitens eine technische Grundlage für die PS4 beziehungsweise die kontrovers diskutierte kommende PS4.5 geschaffen, die nicht nur auf einige Jahre als Garant für visuell hochwertig präsentierte Games auf Realfilm-Niveau dient. Das wird unter anderem auch dann deutlich, wenn man die für (lächerlich wenig) im Game erworbene Punkte unterschiedlichen Renderoptionen im Menü wählt und das Game je nach Gusto via Cel-Shading, Retro- oder ASCII-Grafik und noch vielen weiteren visuellen Gimmicks spielen kann. "One Engine to rule them all", sozusagen. Ich bin schlichtweg begeistert und werde mich noch lange an so manchen Eyecandy aus dem Spiel erinnern.