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Wiener Originale

Wiener Originale: Erich Joham Superstar

Wir sprechen mit Star-Figaro Erich Joham über seinen berühmten Friseursalon, seine Beziehung zu Falco, Andreas Gabaliers Haarschnitt und warum er Paris Hilton nicht frisiert hat.

Alles Fotos mit freundlicher Genehmigung von Stefan Joham Foto-Grafiker

Seit ich den Friseur Erich Joham das erste Mal gesehen habe, zählt er zu den interessantesten Menschen, die ich kenne. Von Fotografie über Schauspielerei und dem Sammeln von kurioser Kunst gibt es nichts, was er noch nicht gemacht hat, und niemanden, den er nicht kennt oder irgendwann mal gekannt hat (außer Paris Hilton, zu der wollte er nämlich nicht ins Hotel kommen, als sie während ihrem Wienaufenthalt nach ihm fragte). Ich habe mich mit Erich im gemütlichen Café SuperSense auf der Praterstraße getroffen, um über Gott und die Welt und Andreas Gabaliers Haarschnitt zu reden. Bevor wir jedoch das Interview begonnen haben, bin ich jedoch noch eine gute Stunde neben Erich herumgesessen und habe dem Großmeister dabei zugesehen, wie er auf der Praterstraße mit einem Dutzend alter Freunde Socializing betrieb—zum Beispiel mit dem Jazz-Musiker Freddie Jelinek und einem Typen, der Kodak heißt und auch noch genau so aussieht. Manche Leute folgen Erich wie man einst Jesus oder Charles Manson gefolgt ist, und nach meinem Interview mit ihm weiß ich auch, warum.

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VICE: Du bist jetzt seit Ende der Achtziger in Wien der Szene-Friseur schlechthin. Was ist die Szene und wie kommt es zu dieser Bezeichnung?
Erich Joham:Eine Szene gab es ja schon immer—und ich hatte, genau wie andere auch, einige Leute, die wie Satelliten um mich gekreist sind. Aber in Wahrheit geht es nicht um mich, sondern um die Szene rundherum. Da waren natürlich auch andere Friseure tätig, die sich profilieren und aufspielen wollten. Vor kurzem erst hab ich im Falter gelesen, wenn man einen gewissen Bekanntheitsgrad erreichen will als Friseur, dann muss man Preisfriseur sein. Ich hab ja damals in den 80ern eine Woche lang Kunst am Kopf gemacht, weil ich an der Hochschule für angewandte Kunst beim Professor Weibel unterrichtet hab—also bin ich eigentlich Dozent.

Und wie war das so auf der Angewandten?
Der Weibel hat die Szene ja gut erkannt und Angst gehabt, dass er alles „verweibelt“, weil er der Zeit auch gscheit voraus war—auf der Hochschule hab ich verschiedene Sachen ausprobiert. Ich hab nicht gefragt, „was will ich von den Haaren“, sondern „was wollen die Haare von mir“. Der Weibel hat gesagt: „Hauptsache nicht an mir!“. Vielleicht waren das schon die Anfänge oder das Ende vom Punk. Immerhin haben ja die Dadaisten auch schon Kunst am Kopf gemacht und Haar-Tattoos gab es schließlich auch schon länger—mein Sohn hat sich sowas mal bei einem Szenefriseur in New York machen lassen. Das war dann aber nicht so, dass das die Szene war, sondern das war billig und da ist man hingegangen. Vom Bürgemeister bis zum Sandler. Und bei mir dasselbe! Wahrscheinlich hab ich so starke Anziehungskräfte für solche Leute und deshalb hat man daraus dann den Szenefriseur gemacht, oder Preisfriseur oder Kultfriseur oder Starfriseur und lauter solche Schmäh. Das haben sie dann ja auch mit den Köchen und Schneidern gemacht. Das ist Blödsinn! Es hört nie auf, und fängt auch nie an. Da ist auch ein anderes Wort damals aufgetaucht: Zeitgeist. Da hat aber auch der Peter Weibel gesagt, dass der Zeitgeist nur ein Geist ist, der kommt, und dann verschwindet. Mir ist gar nicht aufgefallen, dass ich dann mitten im Zeitgeist war. Du kannst es nehmen, wie du willst—wurscht was die Leute schreiben, du bist und bleibst Friseur.

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Außerdem warst du schon öfter auf der Bühne zu sehen.
Bei meinen Sidesteps im Theater oder als Film-Akteur haben sie dann den alten Spruch gebracht: „Schuster, bleib bei deinen Leisten“. Auch der Herausgeber vom Profil vor 35 Jahren, Peter Michael Lingens, hat über mich geschrieben, dass ich einfach der Stadtfriseur bin.

Du hast mir mal erzählt, du magst es nicht so, wenn Leute den Salon als Parallelwelt oder Paralleluniversum bezeichnen.
Ich wurde mal in eine deutsche Talkshow eingeladen, wo man zu mir sagte: „Also Ihr Salon ist ein Universum und Sie leben in ihrer eigenen Welt …“ Neben mir haben sie auch einen U-Boot-Kapitän und eine Taubstumme eingeladen, die fünf Sprachen versteht, außer wenn’s finster ist, weil sie dann ja nichts sieht. Dort waren nur so seltsame Leute. Ich hab ihnen gesagt, mir ist lieber, sie bleiben in ihrer Welt, und ich bleibe in meiner. Aber das sind alles Parallelwelten, deshalb macht es keinen Sinn, meinen Salon da extra hervorzuheben. Fredl!!!

[Jazzmusiker und Freund von Erich, Freddie Jelinek, den wir bereits vorher auf der Praterstraße getroffen haben, kommt mit verwirrtem Gesichtsausdruck ins Kaffeehaus und wird von Erich zu uns geholt.]

Freddie Jelinek: Warum ist hier eigentlich kein Friseursalon?

Erich Joham: Dann laden wir den Herrn Jelinek mal auf einen Kakao ein, ich mach noch schnell das Interview. Habts einen Kakao? Na? Dann gebts ihm einen Apfelsaft.

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Freddie Jelinek: Na geh, sowas trink ich ja nicht.

Erich: Aber der is trüb!

Freddie: Ja trüb bin ich selber!

Erich: Gib eine Ruhe jetzt!

Auf Seite 2 geht es weiter mit Friseursalon-Small-Talk und Erichs Frau Trixi.

VICE: Und wie würdest du deinen Salon beschreiben?
Erich:Weißt du, warum man Salon sagt? Weil sich die Kunden dort einen Salon gemacht haben, also nicht ich bin der Salon, sondern die Leute machen sich den Salon selber. Das sind ja nur Räumlichkeiten, aus denen man genauso gut ein Museum oder ein Abstellkammerl oder ein Lager machen kann. Oder vielleicht auch wieder eine Wohnung—mein Salon ist ja eigentlich eine Wohnung gewesen. Ich stell mir unter einem Salon jedenfalls was anderes vor.

Die Mutter deiner Kinder, Trixi, arbeitet ja auch mit dir im Salon, ihr lebt aber getrennt. Wie ist das so?
Ich hab sie in diese Situation hineingezogen. Das hat ja einen gewissen Erlebniswert und sie findet auch bis heute noch Gefallen dran, und ich glaub, dass sie das nicht gegen irgendwas anderes tauschen würde. Das ist auch mir eine Hilfe. Oft sagt man ja, dass die eigene Frau im Salon der Tod für den Friseur ist. Aber SO einen Kundenservice wie sie betreib ich nicht. Ich bin nicht anders als alle anderen Männer, aber uns genügt auch die Zeit, die wir zusammen im Salon sind—wir sind nicht auseinander. Heute ist es ja so, dass viele Leute binnen kürzester Zeit zamkommen und gleich wieder auseinandergehen, und wieder zamkommen, ich würde das als Münze bezeichnen, und die Münze hat zwei Seiten. Werden wir sehen, wer früher stirbt. Meine Frau hat gesagt: „Du, bis 70 mach ich das nicht für dich!“—„Na, du machst das eh für dich“, hab ich gesagt.

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Bei dir habe ich gelernt, dass Friseurbesuche nicht nur ein unangenehmes Rumsitzen mit ein bisschen Small-Talk sein müssen—wie hast du diese besondere Art, mit Kunden umzugehen, kultiviert?
Ich will sie ja nicht denunzieren, aber das liegt auch einfach an der Intelligenz der Friseure. Da gibt’s einen Film mit einem Samurai, der Gefolgsmänner um sich herum hat. Und wenn man intelligent genug ist, kann man auch solche Gefolgsmänner um sich scharen. Es gibt ja so viele Sprichwörter bei Friseuren und noch mehr Leute, die bei mir gearbeitet haben, oder nur eine gewisse Zeit wegen der Szene arbeiten wollten. Dann sind meine Freunde gekommen und haben nach den anderen Freunden gefragt, und auf einmal waren sie weg. „Der hat einen Köpfler gemacht“, hab ich gesagt. „Der Schatzl oder irgendwer, sind verrückt oder asozial gworden“.

Freddie: Du, wenn man zu dir zum Lernen kommt, ist man sowieso verrückt.

Erich: Lernen muss man bitte selber. Also den Umgang mit Leuten.

VICE: Gibt es auch Leute, die das überhaupt nicht annehmen?
Es gibt Salons, da muss man mit dem Chef per Sie sein, und die müssen dem Chef dort am Morgen die Hand geben und guten Morgen sagen und am Abend müssen sie sich bei ihm verabschieden. Da gibt’s eine gewisse Hierarchie, das find ich ja sehr affig. Das ist ja eigentlich furchtbar—so sollt’s nicht sein. Natürlich gibt’s Leute, die wollen mich nachmachen, aber ich kann froh sein, dass ich in Wien leb. In Berlin gäbe es ja schon 20 Salons ErIch. Aber meistens liegt’s an der Intelligenz, und nicht am Können.

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Es gibt ja die Friseure, die viel smalltalken, und die, mit denen man gar nicht redet. Gibt es da Strömungen oder gewisse Schulen?
Die Lebensschule! Fürs Leben muss man lernen. Das erspart dir dann die Kronen Zeitung. Meine Freunde lesen auch keine Zeitungen.

Freddie:Ich geh in Österreich auch zu keinem Friseur!

VICE: Und dann gibt es noch die, die überhaupt nichts mit dir reden wollen.

Erich: Es gibt einen Friseurwitz, wo der Friseur den Kunden fragt, ob er noch irgendeinen Wunsch hat. Und er sagt: „Ja, bitte nicht sprechen.“

Führst du überhaupt selber Small Talk?
Nicht mehr! Da würde ich ja auch selber draufkommen, dass ich einen Small Talk führe. Ich hab schon tolle Kunden gehabt, einen hab ich gefragt, ob er seine Haare zurück will, und er hat dann gesagt: „Na, die können Sie sich ghalten.“

Oft sitzt man auch da und sagt nichts. Ist das unangenehm?
Der Michelangelo Antonioni, der hat sich hingesetzt und nix geredet, der hat aber früher auch schon nix geredet! Was soll denn der mit dir reden—ich hab ja damals auch Blow Up gesehen, und ihn nicht verstanden. Aber der hat auch beim Film solche nonverbalen Anweisungen gegeben! Mit den Augen kann man ja auch sprechen, kommt eh soviel Blödsinn aus’m Mund. Auch von mir!

Auf Seite 3 spreche ich mit Erich über Paris Hilton, Andreas Gabalier und seine Beziehung zu Falco.

Stimmt es, dass Paris Hilton dich in ihr Hotel bestellt hat?
Ja, die war da und das war grad für den Opernball oder Life Ball oder was weiß ich. Und ich wär in der Auslese gewesen, dass ich ihren Tross, also ihre Leute, frisier. Die nimmt ja sowieso immer ihre Stylisten und ihre Make up-Tante mit. Ich mach sowas nicht, hab ihr aber angeboten, dass sie gern in den Salon kommen können … Mir war lieber ich bleib im Salon und sie bleibt im Hilton.

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Was hältst du eigentlich von modernen „Hipster-Frisuren“, Undercuts und der Frisur von Andreas Gabalier? Gibt es Leute, die du nicht empfangen würdest?
Kann ich ja nicht, weil das ein öffentlicher Platz ist. Ich muss sie alle empfangen! Das kann auch ein Mörder sein, aber bitte keinen Mord im Salon. Und von modernen Hipster-Frisuren halt ich gar nix. Vom Andi besonders nicht. Das ist ja lächerlich. Was heißt denn Alpen-Rock’n’Roller, was soll denn der Schwachsinn? Nur weil der Großvater mit irgendeinem Mistkarren von einem Misthaufen zum anderen gefahren ist und er jetzt glaubt, als Enkelmusiker die Leute begeistern zu müssen? Das ist ja alles nicht auf seinem Mist gewachsen, weder die Frisur noch irgendwas anderes. Das ist ja lächerlich, dass der eine Rockabilly-Frisur hat. Was hat das mit Rock ’n’  Roll zu tun? Also nicht bös sein, wenn er das liest, aber der wird das eh nicht sehen. Ich muss ja auch damit leben, ich leb eh nimmer lang, wahrscheinlich.

Den Undercut hat es ja früher auch schon gegeben.
Ja, das ist damals schon passiert, der Gert Voss als Richard der Dritte hatte einen Reindlschnitt, und die haben mich angerufen und gefragt, ob ich das war! Hab ich gesagt, „na sicher nicht, der Peyman hat das gmacht, den Reindlschnitt!“ Wer geht denn heute noch zum Friseur … Meine Leute nicht!

Freddie:Ich geh nicht zum Friseur—also nicht in Österreich, bin ja nicht deppat!

Erich:Ich hab dem Fredl mal eine Flechtfrisur gemacht—eine Flechtfrisur wie beim Stevie Wonder. Das war absurd!

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VICE: Apropos absurd. Was war denn das Absurdeste, das jemals im Salon bei dir passiert ist.Gab es wilde verdrogte Orgien oder wie kann man sich das vorstellen?
Da war dieser schizophrene Künstler, Walter Eglauer, der sich selber geschnitten hat, also selbstverletztend war, der hat’s aber auch oft überlebt. Der hat sich die Venen aufgestochen oder sich geritzt, oder tiefe Schnitte gemacht und mit dem Blut dann gemalt. Einmal hat er sich ein Ohr abgeschnitten und war vorher im Delikatessengeschäft und hat das Ohr dann in die Wurstsemmel reingelegt. Da war eine Kundin, die nach Jahren wieder versucht hat, zu mir zu kommen, und ich hab nicht damit gerechnet, dass der Eglauer dann blutüberströmt vorbeikommt. Das war ein Trauma für mich, die Kundin ist dann auch nie wieder gekommen. Ich hab dem Eglauer dann Lokalverbot gegeben. Das war die ärgste Szene. Von Orgien oder Drogen gibt’s keine Red! Und auch keinen Mord. Da will ich meine Ordnung haben.

Falco war ja ein gern gesehener Kunde bei dir im Salon. Wie würdest du euer Verhältnis beschreiben. War er anders, als in der Öffentlichkeit?
Er war ja in der Öffentlichkeit, wenn er bei mir war! Nur die Leute haben’s nicht gewusst! Die haben geglaubt, er ist ein Wella-Vertreter, weil er so neu ausgeschaut hat. Weil er so glücklich war und schlank und braun und einen Höhepunkt gehabt hat und Schallplattenmillionär war. „Wieso sagst mir nicht, dass das der Falco war?“, haben meine Kunden gesagt. „Das war nicht der Falco, das war der Hansi Hölzel“, hab ich dann gesagt. Wie oft hat man den Leuten einbläuen müssen, dass das eine Kunstfigur war, die er sich selber geschaffen hat. So wie der David Bowie, und auf den ist er ja gstanden, wer nicht! Weil „Junge Römer“ geklungen hat wie „Let’s Dance“, haben’s zu ihm gesagt, dass das nach David Bowie klingt. Hat er gesagt: „Na Oida, kennst an Besseren?“ So gesehen ist er schon untergetaucht bei mir, ist auch ganz gern in der Küche gesessen und hat Micky Maus-Heftln gelesen. Der Wolf Wondratschek, der ein Buch über mich geschrieben hat, hat mich einen Ein-Mann-Indianerstamm genannt, und der Falco war auch so einer. Er hat ja auch nix hinterlassen! Außer der Musik. Aber die gibt’s ja noch immer. Und alles andere war ja nur Schall und Rauch, was er auch selber gesagt hat. Zu mir hat er immer gesagt: „Erich, nimm das Leben nicht so ernst“. Der Hans war ja sehr intelligent, im Gegensatz zu anderen.

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Und war er anders, als in der Öffentlichkeit?
Anders als in der Öffentlichkeit war er sicher bei mir, weil das Vertrauenssache war, dafür hat er sich meine Blödheiten anhören müssen. Er hat aber immer versucht, zu dominieren. Kaum war er im Raum, hat er das Sagen gehabt. Er hat keinen Blödsinn geredet, war aber nicht unanstrengend für Produzenten und solche Leut.

Und wie blickst du nach seinem Tod darauf zurück?
Heute wird auch soviel Blödsinn über ihn geredet, weil er sich nimmer wehren kann, und das find ich gemein. Eigentlich ist ein Teil von mir gestorben und ich bin sehr traurig, dass er nimmer lebt. Er hat mir auch einen Teil der Angst vor dem Tod genommen. Verunglücken werden wir eh alle. Dass er gestorben ist, stört mich, ich hätt ihn noch gebraucht. Er hat uns verlassen, das ist die Frechheit und deswegen bin ich traurig und beleidigt. Er hätt noch ein paar gute Sachen rausbracht, und er hat auch nicht Erich oder er-ich oder so zu mir gesagt, sondern Figaro Enrico. Auf einer Platte von ihm steht ja hinten drauf, dass er dem Figaro Enrico und dem Mister Jack Daniels dankt.

[Jetzt kommt Karotti, ein guter Freund von Erich rein. Karotti hat seinen Spitznamen wohl seiner äußeren Erscheinung und seinem Tingeltangel Bob-Afro zu verdanken, außerdem hat er die Umrisse einer Karotte auf den Arm tätowiert.]

Karotti:Das ist ja vielleicht eine Bobo-Hüttn!

Erich:Der Freddie war auch schon da, dem haben wir eine Wurschtsemmel reingestopft, damit er ruhig ist.

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Auf Seite 4 dreht sich alles um das U4, Fotografie und Film.

VICE: Ein Szene-Ort von damals war ja auch das U4. Was hat das U4 von damals ausgezeichnet, und gibt es sowas heute noch? Oder war das auch die Zeit damals? Meine Generation hat das ja nie so kennengelernt.
Erich:Ja, aber die U4 kennen’s. Die U-bahn. Der Ossi Schellmann hat angefangen mit den Clubbings, und das U4 war ja ein Lokal mit Live-Gruppen. Und das war ja der Aufbruch der Geschmacklosigkeit der 70er. Das hat mit den radikalen Forderungen der Hippies zu tun. Die 70er hat man durchgedrückt damit ENDLICH die 80er ankommen und das U4 war natürlich zur gegebenen Zeit der gegebene Ort. Das war eigentlich eine schirche Kommerzhüttn, man hat sich die richtigen Leute geholt, zum Beispiel den Conny, und hat dann die Zeit dort überbrückt. Es gab ja noch Zeiten wo wir den ganzen Tag im U4 waren, der Conny kann das bezeugen. Der ist ja meine zweite Trixi. Hab ich dann aber auch meiner Frau gesagt: „Sag’s ihr jetz, der Trixi, wo ich war!“. Wenn ich nicht daheim war, war ich im U4.

Und gibt’s sowas heute noch?
Jaja das gibt’s schon noch, aber auf anderen Plätzen mit anderen Voraussetzungen und andere Leuten. Die hätten damals vielleicht ein U3 oder U5 machen können! Und dort treffen sich die jeweiligen Leute dann wie damals. Das ist wie ein Münzenverein oder die Briefmarkensammler. Am Donnerstag spielt’s 70er-Musik, oder 80er Jahre-Musik am Samstag … Das ist ja jetzt auch so in verschiedene Tage eingeteilt. Nachdem da aber auch das Gedächtnis im U4 sitzt, wird’s das U4 immer geben. Aber vielleicht hat’s den Höhepunkt schon überschritten. Unserer kommt erst! Mit 70 vielleicht. Da werd ich dann den ersten Flagship Store aufmachen und den Conny stell ich mir vor die Tür.

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Hat der Erfolg vom U4 auch was mit einer bestimmten Subkultur zu tun?
Ja, aber die Zeit vergeht so rasch. Dann gibt’s auf einmal Clubs mit Partys für 30+ und 40+, aber danach wird’s schon gefährlich, da muss man ja schon aufhören. Da muss dann schon das Altersheim abbrennen, damit wir uns noch alle treffen!

Bist du durch den Conny zur Fotografie gekommen oder wie war das? Dein Sohn ist ja auch Fotograf, hat er das von dir?
Als Kind bin ich durch meinen Vater über die Fotografie gestolpert. Der hat sich immer geärgert, weil kreuz und quer durchfotografiert wird, und die Füße nicht auf den Bildern sind. „Das sind Trotteln! Die können nix! Du brauchst das Aug dafür!“, hat er gesagt. Die Leute stehen nicht mal auf ihre eigenen Urlaubsfotos. Das nimmt Überhand bei uns, und jetzt fotografiert ein jeder, und man braucht nicht einmal einen Gewerbeschein oder sowas. Ich bin ja draufgekommen, weil ich auch ein ganz gutes Auge hab für sowas. Dass nur was rund um ein Foto herum passiert, interessant ist. Es gibt ein Foto von meinem Vater, wo er mich und meine Schwester vor dem Tegetthoff-Denkmal am Praterstern fotografiert hat. Ich im Matrosengewand und meine Schwester im weißen Kommunionskleidchen. Und jetzt will ich mich mit meiner Schwester da noch mal hinstellen, und du wirst sehen, wie schirch das Drumherum geworden ist. Meine Schwester und ich schauen aber noch gleich aus!

Und wer soll das Foto machen?
Ich möchte, dass mich mein Sohn dabei fotografiert. Weil der Platz ist ja noch da, und der Tegetthoff steht auch noch. Deswegen hoff ich auch, dass mein Nachlass nicht im Müll endet, oder irgendwo bei der Caritas, weil dort schau ich mir meistens alte, private Fotos an, die noch in der Kredenz drinnen stecken. Wahrschlich hat der Thomas Bernhard recht gehabt, dass in Oberösterreich noch der Hitler in der Kredenz drinnen gesteckt ist und es geheißen hat: „Solange der Opa lebt, bleibt der Hitler in der Kredenz stecken“. Aber Fotografie ist auch sehr kunstvoll. Ich merk, dass ich das jetzt auch schon lange mach und dass mir wahrscheinlich nichts anderes überbleibt als eine Foto-Ausstellung von mir zu machen. Die muss man noch kuratieren und sich Bilder aussuchen … Ich hab halt schon 3- oder 4000 Polaroids.

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Familie Joham v.l.n.r.: Lisa Joham, Stefan Joham, Christl Zajitschek, Figaro Enrico, Beatrix „Trixi“ Joham, Silvia Kysela

Und was macht ein gutes Foto aus?
Ein Foto muss aus drei Schichten bestehen: Vorne ist die Realität, dann dazwischen die inszenierte Geschichte, da kann man der Fantasie freien Lauf lassen, und dahinter muss das Paradies sein. Das hat der Peter Weibel einmal gesagt. Deswegen hat der Padhi Friedberger auch gesagt, dass das die besten inszenierten Fotos sind, weil der als Künstler einen Blick dafür hat. Der ärgert sich ja auch, dass heutzutage jeder Plempel fotografiert, noch dazu mit besserem Equipment! Der hat nicht einmal Linsen gehabt, oder Erbsen, oder was weiß ich. Heute braucht jeder erst einen guten Apparat, damit er ein gutes Foto zambringt. Und eine gute Location braucht er. Jeder Trottel kann ein gutes Foto in New York machen, weil New York so fotogen ist. Aber ein guter Fotograf macht IMMER ein gutes Foto! Weil es gibt eben nur EIN Foto oder KEIN Foto. Es gibt keine schlechten Fotos. Außer denen, die diese Fotos nicht als Fotos gelten lassen, weil keine Füße drauf sind, wie mein Vater.

Also hat dein Sohn das Fotografieren von dir?
Die Kinder haben ja schon alles gehabt. Ich hab dann mit der Zeit gemerkt, dass er einen Blick für sowas hat, und ich dachte mir: „Vielleicht will er ja Fotograf werden, wär nicht schlecht“, wir haben uns ja nicht eingemischt. Wie ich draufkommen bin, dass ihm das Spaß macht, hab ich ihn einfach machen lassen.

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Und wie stehst du zum Film?
Ein Film muss so gut sein, dass jeder einzelne Kader ein gutes Foto wäre. Das hat der Pahdi Friedberger auch gesagt. Sonst ist das kein guter Film! Und diese Kameraleute werden nie erwähnt, nur der Regisseur und die deppaten Figuranten, die sich eh niedermachen und niederkotzen und sich in ihren schönen Häusern aufhängen—sollen sie sich aufhängen, es ist furchtbar, mit den Berufen. Ich freu mich, dass der Stefan mit seinem eine Freude hat.

Heute spricht man ja irgendwie von einer Generation, die alles in eine gewisse Schublade stecken muss. Die Generation X, Y, die Generation Selfie, die Generation Facebook, … Was hat deine Generation geprägt, wo siehst du dich da?
Nichts. Der Rock ’n’ Roll! Das war auch in ein paar Staaten verboten in Amerika. Weils ein Lebensgefühl war, und die Generation davor hat auch Angst gehabt, dass der Elvis dann noch mächtiger wird als der liebe Gott. Ich bin ja noch nicht auf die Beatles gestanden, meine Schwester hat mich einmal fotografiert—und da wären wir wieder bei meinem Beruf—wie ich mir eine Tolle gemacht hab und auf den Elvis gestanden bin, und nicht auf die blöden Burschen aus Liverpool. Und der Manager von den Rolling Stones hat gesagt, „wir machen das nicht so, wie die Affen da, wir machen einen auf ‚bad’!“ Seitdem zappelt und rennt der Mick Jagger auf der Bühne herum und ist die ärgste männliche Diva die es gibt. Da kann man auch locker drei Generationen überspringen, und auch nächstes Jahr kommt der wieder. Der ist einfach ein Performer! Deswegen hat der Elvis ja auch ein Lebensgefühl hervorgerufen, weil er auf der Bühne getanzt hat. Es wird immer wieder was Neues geben und ich freu mich schon auf morgen! Der Falco hat in „Emotional“ eine Freundin gesucht und „Bitte komm auf die Welt“ gesungen. Ich denk mir das jeden Tag! Aber es kommen eh ein paar auf die Welt, mit denen ich seelenverwandt bin. Der Helge Schneider zum Beispiel.

Die Leute sagen ja auch, dass du ein großer Netzwerker bist.
Ja, ich merk das aber gar nicht, weil wenn ich zum Beispiel auf eine Ausstellung geh, dann schau ich mir auch an, was dort ausgestellt wird. Ich hab nicht gewusst, dass sich Leute dort so treffen, damit sie sich kennenlernen, ich kenn ja eh genug! Aber das hat angefangen in meinem 14ten Lebensjahr, da bin ich in die Erwachsenen-Berufswelt gestoßen worden, und hab gesehen, was für arge Leut es gibt auf so einem kleinen Planeten. Als ich auf die Welt gekommen bin, hat’s nur halb so viele Leute gegeben wie heute! Dann brauch ich ja nicht mehr „bitte komm auf die Welt“ sagen—ist eh schon alles voll! Und Netzwerker bin ich insofern, dass ich den Salon selber mach und den Leuten noch was weitergeb. Ein Freund von mir sagt: „Erich, du bist so selbstlos, du bist ein Vorbild, weil du mehr gibst als du nimmst—Du machst was aus den Leuten!“ Natürlich ist das nicht allein mein Verdienst, da muss man selber auch was machen! Also über’s Fernsehen kann man niemanden kennenlernen. Es gibt ja auch Leute, die glauben, dass die Leute in der Seitenblicke-Gesellschaft bezahlt werden. Nein! Die sind wirklich so blöd. Denen ist das wirklich ein Anliegen, dass sie ihr Selbstwertgefühl durch Fernsehauftritte heben. Da geht ihr Leben aber ordentlich an der Realität vorbei! Die sollen mal zu mir kommen. Da mach ich was aus ihnen!

Auf der letzten Seite spreche ich mit Erich über das silberne Verdienstzeichen der Stadt Wien und die Zukunft von ihm und seinem Salon.

Erich verkleidet als Michael Häupl

Letztes Jahr hast du das silberne Verdienstzeichen der Stadt Wien bekommen—wofür eigentlich genau?
Ich weiß das auch nicht! Ich hab einen Verdacht, wer mich dafür vorgeschlagen hat, würd die aber nicht fragen. Die eigentliche Frage ist ja „warum nur das Silberne?“ Das ist ja unter meiner Ehre! Das ganze Event war ja kabarettreif, ich bin als Häupl verkleidet gekommen und meine Schwester hat sich zuerst geärgert, dann hat es ihr aber gefallen. Aber das Kreuz hat mir eh der Stadtrat Pokorny gegeben, vielleicht kann der Häupl ja auch mal als Erich kommen, und ich verleih ihm dann das goldene!

Das silberne Verdienstzeichen wurde ein paar Jahre zuvor auch an den Conny und auch an Stefan Weber verliehen. Ist das dann eine Ehre?
Nein, das war ein Klamauk und peinlich auch noch! Ich hab mich gefreut, dass fast alle die ich kenne da waren, also war’s eh lustig, und das Begräbnis wird dann wahrscheinlich auch lustig werden! Wozu es gut war weiß ich nicht. Früher hast du ja auch noch was bekommen zusätzlich zum Orden! Ein Brennmaterial nach dem Krieg oder sowas, aber man kriegt heute nichts mehr! Ich kann’s mir auf den Christbaum hängen. Der Pokorny hat seinen Spaß gehabt weil dem eh immer fad ist, die Musiker waren aber arm dran, die wirkten richtig deplatziert. Ich wollt mir ja Freunde aussuchen, die spielen, das ist aber von Amtswegen her auch nicht gegangen.

Du bist jetzt 65 Jahre jung. Hast du überhaupt vor in Pension zu gehen und wie sieht deine Zukunft aus? Gibt es einen Salon ErIch ohne Erich?
Aus dem Salon Erich machen wir eine Gedenkstätte. So wie mit den Hippies in San Francisco. Früher haben die Leute sich intellektuell gegeben, wenn sie auffallen wollten. Ich hab lieber danach getrachtet, dass man was aufdreht, bevor’s abgedreht wird und solange verdreht, bis es dann eh abgedreht ist, bevor’s wieder aufgedreht wird. Das hat der Ossi Schellmann beim Aufkommen der U-Mode gesagt—und ich hab mir das auch gedacht! Da dreh ich lieber was auf, weil mir die Szene zu fad ist! Vielleicht hätt ich noch was machen können aus dem Salon, oder ich mach noch was draus! Ein Museum. Ich studier ja immer noch Haare an der Hochschule für angewandte Kunst.

Und wie sieht es mit der Pension aus?
Ich weiß es noch nicht. Ich hab Freunde die lieben mich und finden es furchtbar, dass ich aus dem Salon nix mach, oder dann doch was mach, oder schon was gemacht hab aber noch nichts gemacht hab. So wie der berühmteste Friseur in Deutschland, Udo Waltz, geliebt und gehasst, sperrt jetzt endlich zu—da hab ich ihn sofort angerufen und er hat gesagt er verkauft die ganzen acht Salons und eröffnet dann einen großen Salon. Mit 70 Jahren fängt er erst an! Weil er sich fühlt wie 45! Außerdem hat er gesagt, dass ich mich nicht vor dem Geschäft drücken soll. Aber ich weiß nicht, ob ich nicht auch ein großes Geschäft aufmachen soll, ich hab aber zum Udo gesagt, dass ich das nicht will, weil dann kommen sie ja alle. Das hat mir auch schon die Elfriede Jelinek, die nicht mehr unter die Leute geht, gesagt. „Mach das ja nicht, Erich, denn dann kommen sie alle.“ Ich hab mich immer gehütet, über ihre Bücher zu reden—da wären wir wieder beim Small Talk—weil sonst bringt sie mir die Bücher noch vorbei und ich muss sie dann lesen!

Ich hätte da nur noch eine Frage. Was ist der Sinn des Lebens?
Du bist ja wie der Columbo! Sowas darfst mich aber nicht fragen. Da musst du schon zu den Monty Pyhtons gehen!

Danke, Erich.

Adrians Parallelwelt auf Twitter: @doktorSanchez