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„Dann können ja die KZ wieder eröffnet werden“

Die allgemeine Tonalität gegenüber Flüchtlingen, Asylwerbern und dabei vor allem Muslimen, grenzt derzeit bei einem Großteil der Bevölkerung mehr an Volksverhetzung, als an eine sachliche Debatte.

Foto mit freundlicher Genehmigung von Eva Zelechowski

Wer sich dieser Tage nicht an den ereignislosesten und unpolitischsten Ort Österreichs—dem Parlamentsclub des Team Stronach—zurückgezogen hat und ab und zu einmal im Internet war oder eine Zeitung gelesen hat, wird nicht um islamfeindliche, rassistische und menschenverachtende Facebook-Kommentare und Zeitungsartikel umhergekommen sein. Die Reichweite von Krone (jeweils in Wien: 27,5 Prozent), Heute (39,2 Prozent) und Österreich (24 Prozent) ist immens. Diese Medien haben dementsprechenden Einfluss. Boulevard und Populismus emotionalisieren. Diese Emotionalisierung kann für positive und negative Zwecke genutzt werden (wobei positiv und negativ hier im Auge des Betrachters liegen).

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Alev Korun, türkischstämmige Nationalratsabgeordnete der Grünen hat vor einigen Tagen gezeigt, wie sachlich man mit jemandem umgehen kann, der davon überzeugt ist, dass gerade Korun „als Person mit Immigrations Hintergrund sich solche [FPÖ-kritischen] Kommentare sparen sollte.“ Ihr Kommentar, in dem sie, die Politikerin mit „Immigrationshintergrund“, den Mann auf seine Rechtschreibfehler hinweist, hat sich rasant verbreitet und viel Zuspruch gefunden. Wenig überraschend gab es aber auch Kommentare wie: „Werde Politikerin in deinem Land, lass unser Land unser bleiben, misch dich nicht in Angelegenheiten ein was dich einen Scheiß angehn!!! Schi Heil!!!!“

Aber weshalb wehren sich immer nur die, die selbst angegriffen werden? Warum wird es überhaupt nur dann mehrheitlich für OK befunden, wenn Betroffene sich für eine Sache stark machen—und warum wird Soldiarität sofort als Schimpfwort benutzt, wenn sich mal jemand zu Wort meldet, der einfach nur als privilegierter weißer Mittelschichteuropäer gegen Ungleichbehandlung einsetzt? So, wie bei uns jeder schreit, dass in Kobane, der Ukraine oder in Nahost eingegriffen werden muss (aber nicht von uns)—so sind wir Österreicher auch sehr gut darin, innerhalb der heiligen (nicht vorhandenen) Grenzen nicht für die einzutreten, die Hilfe benötigen, solange man nicht auch selbst irgendwie davon profitiert. Die allgemeine Tonalität gegenüber Flüchtlingen, Asylwerbern und dabei vor allem Muslimen, grenzt derzeit bei einem Großteil der Bevölkerung mehr an Volksverhetzung, als an eine sachliche Debatte.

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Über die Aktion des Handyanbieters Drei, der Asylwerbern in einem (!) Quartier nun Mobile-TV und WLAN zur Verfügung stellt, empört sich Heinz-Christian Strache wie sonst nur über die Mariahilfer-Straße. (Dann doch lieber die „wichtige Initiative des Blasmusikverbandes gegen den Kahlschlag im Bundesheer, der auch vor der Militärmusik nicht Halt macht“ unterstützen!). Artikel aus der Kärntner Ausgabe von Österreich, der von Johann Gudenus und Heinz-Christian Strache geteilt wurde, schlägt in die selbe Kerbe: Die großherzigen Österreicher haben doch selbst nichts außer ihrem schönen Land und selbst das wird ihnen jetzt noch genommen. Von Terroristen und (luxusverwöhnten) Sozial-Schmarotzern:

Foto mit freundlicher Genehmigung von SOS Mitmensch.

SOS Mitmensch hat die Geschichte überprüft und mit dem Kärntner Polizeisprecher gesprochen, der bestätigt, dass es genau das ist: eine Geschichte. „Er dementiert praktisch alles, was im Artikel steht. Die Flüchtlinge haben lediglich nachgefragt, ob es Internetzugang gibt, damit sie Kontakt mit ihren Angehörigen in Syrien aufnehmen können. Es gab keinen Aufstand. Es ging nie um Luxus. Die Flüchtlinge reisten auch nicht einfach wieder ab, sondern wurden, wie von Anfang an geplant, in ein anderes Quartier überstellt. Denn der Polizeiturnsaal war von Anfang an nur als kurze Übergangsnotlösung vorgesehen.“ Zu diesem und ähnlichen Artikeln hatten die Fans auf Straches Facebook-Seite trotzdem viel zu sagen:

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Kommentare auf Straches Facebook-Seite.

Aber ich merke immer mehr, dass langsam auch die Menschen, die sich kritisch, reflektiert und ohne „Österreich für Österreich!!einself!“-Attitüde mit dem Thema auseinandersetzen, beginnen, die anti-islamische Hetze mit in ihre Alltags-Kommunikation aufzunehmen. Es ist in Ordnung, Vorurteile zu haben, so lange man sich bewusst ist, wie schwachsinnig sie sind und man sich von ihnen nicht beeinflussen lässt. Aber bei vielen Menschen ist das eben derzeit nicht (mehr) der Fall.

Als ich letzte Woche mit der U6 gefahren bin, sind mit mir zwei Männer mit Turban eingestiegen und ich habe kurz überlegt, ob ich nicht besser in einen anderen Waggon wechseln sollte. In der gleichen Sekunde bin ich rot geworden—selten habe ich mich so für einen Gedanken geschämt. So etwas habe ich nie von irgendwo mitbekommen—meine Eltern sind die offensten Menschen, die ich kenne. Ich informiere mich über sämtliche Themen, die zu diesen Vorurteilen führen könnten, auch nicht auf Straches Facebook-Seite und lese Krone, Österreich oder Heute nur selten und wenn, dann mit Kopfschütteln und einem unwohlen Gefühl im Magen, weil ich immer im Hinterkopf habe, dass viele Menschen glauben, was sie da lesen.

Der Zweck von Medien ist, die Bevölkerung über Geschehnisse aufzuklären, zu denen sie sonst eventuell keinen Zugang hätte. „Was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben, wissen, wissen wir durch die Massenmedien“ hat Niklas Luhmann einmal geschrieben. Aufgabe der (Massen-)Medien sollten also neben einer aufklärerischen auch eine vermittelnde sein. Wenn sich Boulevardzeitungen (und populistische Politiker) so energisch für Flüchtlinge einsetzen würden, wie für ungerecht behandelte Tiere, wäre die Welt vermutlich eine andere.

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Hasst und liebt Hanna auf Twitter: @hhumorlos

Wir sagen euch, wo ihr dieses Wochenende feiern und euch alle lieb haben solltet:

DONNERSTAG:

Noch ist nicht Wochenende, also spart eure Kräfte, geht ins Gartenbaukino und schaut euch „Under the Skin“ an, solange es diesen sensationellen Film sensationellerweise in diesem sensationellen Kino zu sehen gibt. FREITAG

Bliss hat uns Fatima Al Qadiri ins Wiener mumok geholt und das finden wir besonders schön. Geht hin uns lasst euch berieseln! Außerdem gibts im Kiosk Senf, wackelnde Bootys und gute Musik. Wenn ihr aber Kunstliebhaber seid oder zumindest gern so tut, solltet ihr euch die Wiedereröffnung der INOPERAbLE Gallery nicht entgehen lassen und danach im Heuer am Karlsplatz tanzen und trinken. SAMSTAG

Heute feiern wir in der Tonstube unsere große MUNCHIES Launch Party mit euch. Und weil wir euch alle lieb haben, gibt es Free Drinks und das beste Essen von Das POM. Falls die Tonstube zu voll ist und ihr nicht mehr rein kommt oder ihr lieber nicht mit uns feiern wollt, solltet ihr zum Konzert von The Mauvais Garcons gehen.