Fentanyl ist ein Opioid, das ursprünglich als Schmerzmittel und zu Therapiezwecken entwickelt wurde. Das Problem: Fentanyl beruhigt, und zwar ziemlich heftig. Wegen seiner starken Wirkkraft sowie einem kaum kontrollierten Zugang hat sich die Droge besonders im Westen Kanadas weit ausgebreitet—mit fatalen Folgen.Anfang diesen Jahres, weit vor Beginn der Festivalsaison, nahmen in den kanadischen Medien die Berichte über Tode im Zusammenhang mit Fentanyl sprunghaft zu. Es wurde deutlich, dass die Droge nicht mehr nur eine Gefahr für diejenigen ist, die ohnehin bereits Opioide konsumieren. Mittlerweile ist sie auch für diejenigen eine Gefahr, die in Clubs und auf Festivals andere Drogen wie Kokain und MDMA konsumieren. Denn Partydrogen werden immer häufiger mit Fentanyl gestreckt.
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Bis Ende Juli wurde in British Columbia in 264 Fällen einer Überdosis Fentanyl nachgewiesen, was einer Steigerung von 222 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Bis zum jetzigen Zeitpunkt hat sich diese Zahl auf 623 Tode erhöht."Innerhalb einer Woche war ich auf zwei Trauerfeiern für Leute in den Zwanzigern, die durch den Konsum von Fentanyl gestorben sind", so die aus Vancouver stammende CBC-Musikjournalistin Maddy Cristall gegenüber Noisey. "Einer hatte auf einer Hochzeit zum ersten Mal Kokain konsumiert [das mit Fentanyl gestreckt war] und starb. Der andere, der regelmäßig konsumierte, hatte Crack-Kokain genommen, das mit Fentanyl gestreckt war, und starb ebenfalls … Wenn Leute Drogen nehmen, und das werden sie, ob wir wollen oder nicht, dann muss es einen Weg geben, die Gefahren zu mindern."Die Provinz British Columbia hat zwar eine öffentliche gesundheitlichen Notlage erklärt—die erste ihrer Art—und im Juli gab Premierministerin Christy Clark eine Stellungnahme ab, dass die Provinz eine Taskforce ins Leben rufen werde, um die anhaltenden Probleme anzugehen. Trotzdem fehlt es Festivals, Clubs und Organisationen zur Risikominimierung noch an finanziellen Ressourcen für ihre Initiativen zur Vorbeugung von Überdosen.Da die Zahl der Toten weiter steigt, trafen sich Medizin-Experten, Gesundheitsminister aus Provinzen und Bund sowie engagierte Bürger vor Kurzem in Ottawa zu einer zweitägigen Konferenz, um über die Opioid-Krise zu diskutieren. Dort wurde Druck auf die Bundesregierung ausgeübt, eine gesundheitliche Notlage zu erklären. Trotzdem hält sich Bundesgesundheitsministerin Jane Philpott noch zurück und gibt an, dass noch mehr Zeit benötigt werde, um zu entscheiden, ob eine formale Erklärung wie diese in dieser Situation angemessen ist.
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Im ganzen Land suchen Nonprofit-Organisationen, die sich überwiegend an Partydrogen-Konsumenten richten—wie TRIP aus Toronto, GRIP aus Montréal und die AIDS Network Outreach and Support Society (ANKORS)—auch trotz öffentlicher Gesundheitsförderung noch nach alternativen Finanzierungsquellen. Die Organisation Karmik aus Vancouver, die auf Festivals und anderen Events an der Westküste Angebote zur Risikominimierung bietet, bekommt im Moment gar keine Förderung. Sie ist vollständig von Spenden abhängig, von gestaffelten Tarifen für Festivals und Clubs, die ihre Dienste in Anspruch nehmen, und von eigenen Mitteln."Es gibt nicht viele geförderte Einrichtungen im Hinblick auf Überdosis-Prävention, besonders wenn sie sich an Leute richtet, die zum Spaß Drogen nehmen und zu EDM-Veranstaltungen gehen", sagt Chloe Sage, die seit 12 Jahren im Büro von ANKORS in West Kootenay arbeitet. "Es gibt in Kanada viele Organisationen, die gerne mit dieser Arbeit beginnen würden, aber es mangelt wirklich an unterstützender Förderung, obwohl es gerade eine Notlage gibt."Derweil haben eine Handvoll Clubs, Festivals, Gruppen zur Schadensminderung und Individuen aus der Electro-Szene der Provinz sich der Angelegenheit selbst angenommen. Ob es nun Naloxon-Kits sind (ein Medikament, das Opioiden entgegenwirkt) oder Schulungen, wie diese anzuwenden sind, es wird einiges getan, um die Krise zu bekämpfen und ein öffentliches Bewusstsein für Fentanyl zu schaffen.
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Warum ist Fentanyl in Partydrogen zu finden?
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Wie reagieren Clubs und Festivals auf die Krise?
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Clubs und alternative Veranstaltungsorte haben zwar langsamer auf die Krise reagiert, sie beginnen jedoch ebenfalls, sich zusammenzuschließen, um zu lernen, wie sie Narcan anwenden, die bekannteste Marke des Opioid-Antagonisten Naloxon. Im September hielt der Fortune Sound Club einen Workshop zur Verabreichung des Mittels ab, der für alle offen war, die in der Clubszene der Stadt tätig sind, aber auch für die Allgemeinheit."Wir mussten einfach das Kommando übernehmen, weil es kein anderer macht", so Marketingdirektor Jason Sulyma. Er fügt außerdem hinzu, dass zu den mehr als hundert Teilnehmern "Sicherheitsbedienstete, Personal, DJs, Promoter, Leute, die auf Partys gehen und besorgte Mütter und Väter" gehörten. Auch wenn der Fortune Sound Club bislang der einzige Ort der Stadt ist, der Narcan-Schulungen abhielt, bei denen "viele Eigentümer und Repräsentanten anderer (alternativer) Orte" anwesend waren, hofft er, dass dies zu mehr Dialog führt.Bezüglich der Frage, wie die Opioid-Krise in Kanada gelöst werden kann, betonte der Suchtspezialist Dr. Hakique Virani aus Edmonton gegenüber uns die Notwendigkeit flächendeckender Naloxon-Verbreitunng."Es sollte nicht nur in Apotheken sondern auch in Clubs, Geschäften und Tankstellen erhältlich sein. Es sollte als Injektion und in Form von Nasenspray erhältlich sein und das kostenlos", sagte er. "Clubbetreiber sollten nicht nur aus dem Blickwinkel öffentlicher Gesundheit und Sicherheit verantwortlich sein, sondern auch aus betrieblicher Sicht. Sie sollten sich mit Gesundheitsbehörden zusammentun, um diese Dienste für Leute zu bieten, die ihre Einrichtungen besuchen."
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Was hält so viele Clubs und Festivals davon ab, sich vernünftigen Präventionsmaßnahmen gegen Fentanyl-Überdosen anzuschließen?
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