Anti-Valentinstags-Partys sind sinnloser als der Valentinstag

FYI.

This story is over 5 years old.

Popkultur

Anti-Valentinstags-Partys sind sinnloser als der Valentinstag

Im Travel Shack geht es um Shots und den gekonnten Aufriss – das Starter-Kit für alle, die den Valentinstag verachten.

Screenshot via Facebook

Eigentlich war uns der Valentinstag auch dieses Jahr ziemlich wurscht – zumindest mir und allen, die ich kenne. Die meisten Pärchen ignorieren ihn genauso wie die Singles, von denen man glaubt, sie würden am Valentinstag im Bett liegen und in ein Kissen weinen. Und wenn jemand etwas Besonderes geschenkt bekommt, dann auch nur, weil irgendjemand irgendetwas verbockt hat oder jemand anders seine eigene Konsumsucht damit kaschieren will.

Anzeige

Ich war nie diejenige, die wie Jessica Biels Charakter aus dem Film Valentinstag jedes Jahr eine Single-Party veranstaltet und traurigerweise all ihre alleinstehenden Freundinnen zusammentrommelt, um auf eine Piñata einzuschlagen, damit man sich am Ende mit Süßigkeiten vollstopfen kann. Trotzdem glaube ich, dass an diesem Tag so manche Single-Gruppen mehr Weinflaschen vernichten als sonst. Um sie zu finden, habe ich mich auf die Suche nach einer Anti-Valentinstags-Party gemacht und bin im Wiener Travel Shack fündig geworden.

Die Bar ist nicht nur für ihr Shot-Game berühmt, sondern auch als typische Aufriss- und Begegnungs-Zone zwischen Backpackern und Erstsemestrigen bekannt. Ein perfekter Ort also, um als Sozialwissenschaftlerin das Paarungsverhalten von jungen Studierenden zu beobachten und sie zu fragen, ob sie heute besonders viele Kurze trinken, um diesen Tag einfach zu vergessen.

Der Backpacker hatte keine Ahnung, dass hier eine Anti-Valentinstags-Party stattfand und folgte lediglich dem lauten Ruf des Travel Shack.

Lena* trank zwar keinen Shot, aber zog an ihrem weißen Spritzer, als sie mir erzählte, dass ihr Freund am Valentinstag vor zwei Jahren mit ihr Schluss gemacht hat. OK, auch wenn uns der Valentinstag kollektiv am Arsch vorbeigeht – es ist schon ein wenig hart, am Tag der Liebe verlassen zu werden. Vor allem deshalb, weil man jedes Jahr durch allen möglichen Spam daran erinnert wird. "Eigentlich ist mir der Valentinstag eh egal", sagt sie. "Aber ich dachte mir, die Party wird sicher lustig und ich hab mir ja auch Unterstützung geholt". Sie schaut zu ihrer Freundin. Die sei zwar vergeben, sagt sie, aber sie hätte den frühen Abend ohnehin schon mit ihrem Freund verbracht und sogar ein Geschenk bekommen.

Anzeige

Wie bei jeder Party, die auf heterosexuellen Geschlechter-Clash ausgelegt ist, saßen beide Geschlechter noch an getrennten Tischen und nippten an ihrem ersten Getränk. Die Sticker in den Signalfarben grün, gelb und rot, die am Eingang verteilt wurden, signalisierten die Paarungswilligkeit der Studis und Backpacker. Vor allem ihnen schien der Valentinstag so egal zu sein wie die dazugehörige Party. Eine Mädelsgruppe aus den USA führte gerade die typischen Traveler-Gespräche, als ich mich zu ihnen setzte: "How was Budapest? Did you do the Belvedere today?" Im Hintergrund lief eine Fußball-Liveübertragung, die von einigen Jungs gespannt verfolgt wurde. Die Mädels hatten keine Ahnung von der Anti-Valentinstags-Party und wollten einfach nur ein paar außergewöhnliche Shots trinken.

Shane aus Australien hatte eine ähnliche Mission. Obwohl meine beiden Freundinnen und ich zu faul waren, um uns beim Eingang Sticker zu holen, sprach er uns an – 100 Punkte für Shane, aber als offensichtlicher Backpacker hatte er es auch ziemlich leicht und es reichte ein "Where are you from?", um ins Gespräch zu kommen. Er erzählte, er habe die letzten 5 Jahre sehr viel Geld am Valentinstag ausgegeben: "Meine Freundin schlug immer vor, essen zu gehen, aber am Ende habe immer ich gezahlt. Einmal sogar 500 Dollar." Offensichtlich investierte er in diesem Jahr sein Geld in einen Flug nach Europa. Wie alt er ist oder was er beruflich macht, weiß ich leider nicht – wie gesagt, Shots und so. Aber ich kann euch sagen, dass auch dieser Reisende keine Ahnung hatte, dass hier eine Anti-Valentinstags-Party stattfand und lediglich dem lauten Ruf des Travel Shack gefolgt war.

Anzeige

Die Bar am Wiener Gürtel ist quasi die perfekte Location für eine Single-Party: überschaubar, dunkel und mit ihren Stehtischen und der langen Bar so eingerichtet, dass man eher jemanden anspricht als in einem Club, in dem die ganze Truppe mit dem Gesicht zum DJ tanzt. Im Raucherbereich, in dem ein Wuzzel- und ein Billiardtisch stehen, hatte ich noch weniger Skrupel, mehr Menschen für euch auszufragen, weil ich zuerst um Feuer fragen konnte, um anschließend von meiner Analyse zu erzählen. Eine Gruppe junger Studierenden aus Wien – eine Rarität – war zuerst im Apollo-Kino und wollte – wie schon so oft – einfach ins Travel Shack, um zu feiern. "Dienstags ist hier meistens 'Tequila Tuesday'. Dass heute eine Anti-Valentinstags-Party stattfindet, ist mir gar nicht aufgefallen", sagte eine der beiden Mädels. "Mir ist dieser Tag auch wirklich egal. Ich hab zwar netterweise eine Tulpe vom Apollo Kino bekommen, aber sonst ist dieser Tag wirklich nicht so wichtig."

Archivfoto von Alessa Däger

Langsam dämmerte mir, dass ich hier wohl eine der wenigen bin, die extra gekommen war, um richtige Valentins-Hasser zu treffen, die ihre geheime Traurigkeit mit Shots zu betäuben versuchen. Den meisten hier war der Anlass zum Trinken genauso egal wie die Frage, an welchem Tag man seine Liebe eigentlich am besten zeigen sollte – was ich auf eine gewisse Art schon fast wieder romantischer fand als den Valentinstags-Hype selbst. Ein ehemaliger Mitarbeiter saß an einem der hohen Stehtische im Raucherbereich und sah mir schon seit Längerem zu. Als ich ihn fragte, ob er heute mit seinen Freunden das Single-Dasein zelebriere und den Valentinstag verabscheue, antwortete er: "Also ich bin voll verzweifelt und bin nur deswegen hier." Sarkasmus lässt sich leider schwer zitieren, aber ernstgemeint klingt anders. Eine Freundin aus dieser Runde ruft dazwischen: "Wir sind sowieso ständig hier und trinken recht gern, wer schert sich schon um den Valentinstag!"

Anzeige

Als ich bei "All Night Long" zu meinen Freundinnen zurück tänzle, sind diese schon längst von ein paar Burschen umzingelt. Die Jungs lallen schon ein wenig und stellen mir anfangs mehr Fragen als ich ihnen. Einer der Typen hatte seinen letzten Arbeitstag: "Wir haben was zu feiern. Wir sind nicht wegen des Valentinstags da", sagt sein Freund. Der Waldviertler Dialekt war zwischen den 90er-Hits teilweise schwer zu verstehen. "Aber im Ernst, ich scheiß eigentlich nicht auf den Valentinstag, aber i hab einfach grad keinen", erzählt er. "Winter ist generell ein bissl zach, aber ich lenk mich mit Schifahren ab".

Die Bar, an der BHs gegen Shots getauscht und diese über den Tresen gehängt werden, wird immer voller. Das Geschlechter-Verhältnis stimmt genau und die Grüppchen, die am Anfang noch zusammenstanden, haben sich in einzelne Pärchen aufgelöst, die jetzt (noch) miteinander reden. Als die letzten Studentinnen, die ich heute anspreche, mit "Morgen keine Uni, deshalb" antworten, als ich sie über ihre Motivation frage, wird immer deutlicher, was das hier ist: Eine normale Studentenparty mit lustigen Shots in einer Bar, die es einem wirklich einfach macht, andere kennenzulernen. Um den Valentinstag kümmern sich nur die wenigsten – auch wenn der Waldviertler am Ende zugegeben hat, seiner Mama via WhatsApp zum Valentinstag gratuliert zu haben.

Als um 00:30 Uhr eine Polonaise gebildet wird und mich ein zirka 50-Jähriger anmacht, weil ich offensichtlich mit 27 zu den älteren Menschen hier gehöre, beschließe ich, meine Recherche abzuschließen. Es drängen immer mehr Menschen in die Bar und draußen warten sogar ein paar Leute, um endlich einen Sticker zu bekommen. Als ich mir gerade die Jacke anziehe, spricht mich noch ein Typ an, der offensichtlich die längste Zeit auf der Suche nach einem Date war. "Ich habe mir für heute etwas ausgemacht, aber sie hat mich versetzt", erzählt er. Deswegen habe er beschlossen, alleine fortzugehen und sein Glück bei der Anti-Valentinstags-Party zu suchen. Das fand ich zwar mutig, aber wollte auf keinen Fall die Auserwählte sein und konzentrierte mich weiterhin auf meine Uber-Suche.

*Name von der Redaktion geändert

Folge VICE auf Facebook, Instagram und Snapchat.