Sabina Murray
Grove AtlanticZu Anfang von Valiant Gentlemen, dem neuen historischen Roman der gefeierten philippinisch-amerikanischen Autorin Sabina Murray, diskutieren zwei Männer namens Casement und Ward über ihr erstes Treffen. Ward erinnert sich an einen sachlichen Händedruck, Casement an eine verträumte Szene. „Das ist das Problem mit dir, Casement", sagt er. „Du bist ein Romantiker, der sich laufend Sachen ausdenkt", sagt Ward. „Sicher nur ein Problem von vielen", antwortet Casement.
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IM SCHATTEN DES KRIEGES
Sarah Glidden
ReproduktDieses Buch aus der Sparte „Graphic Nonfiction" ist ein Meisterwerk. Sarah Glidden schmiedet aus zwei Monaten Berichterstattung über die Flüchtlingskrise in der Türkei, im Irak und in Syrien eine Mischung aus Reportage, persönlicher Erzählung und Geschichtsstunde. Mit dabei sind die befreundeten Journalisten Alex Stonehill und Sarah Stuteville sowie Dan O'Brien, ein Ex-Marine, dessen Anwesenheit trotz seiner ehrlichen Absicht, Land und Leute zu verstehen, immer wieder Spannungen erzeugt.Die Ereignisse in Im Schatten des Krieges haben sich zwar 2010 zugetragen, doch das Buch ist deprimierend aktuell. Glidden schildert gewandt und ergreifend die Geschichten der Vertriebenen, der Geflüchteten und der Traumatisierten—von denen viele auf unterschiedliche Art und Weise von der US-Regierung im Stich gelassen wurden. Gleichzeitig beleuchtet Glidden die logistischen Manöver und ethischen Grauzonen, welche die journalistische Arbeit mit sich bringt.
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CERTAIN WOMEN
Kelly Reichardt
filmscienceDie ersten fünf Filme der US-Filmemacherin Kelly Reichardt—die alle bis auf einen in Oregon spielen—konzentrieren sich auf kleine Personenkreise: eine Gruppe Umweltaktivisten (Night Moves), Auswanderer im Wilden Westen (Auf dem Weg nach Oregon) oder eine Obdachlose und ihren Hund (Wendy and Lucy). Ihr neuer Film, eine Adaption von mehreren Kurzgeschichten von Maile Meloy, ist anders: drei lose zusammenhängende Geschichten über vier Frauen in einer Kleinstadt in Montana. Laura (Laura Dern) ist eine Anwältin, die es mit einem aufgebrachten Klienten zu tun kriegt. Gina (Michelle Williams) entfernt sich von ihrem Ehemann—der auch eine Affäre mit Laura hat—als die beiden ein Haus bauen wollen. Eine einsame Ranch-Arbeiterin (Lily Gladstone) verliebt sich unsterblich (und unausgesprochen) in Beth (Kristen Stewart), als diese einen Abendkurs in ihrem Städtchen hält. Die ersten beiden Storys sind sensibel und subtil, doch die stillen, großen Momente der dritten Episode—Rendezvous spätnachts im Diner, ein nächtlicher Ritt am Highway entlang—zeigen eines der großen Talente Reichardts als Regisseurin: Sie besitzt ein unbeirrbares Gespür für die Atmosphäre amerikanischer Orte.
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CRASHING THE PARTY
Scott Savitt
Soft Skull PressCrashing the Party, eine neue Autobiografie von Scott Savitt, dem langjährigen Chinesisch-Übersetzer der New York Times, beschreibt seine Zeit als einer der ersten amerikanischen Studenten in China während der turbulenten 1980er. Nach seinem Abschluss lebte Savitt fast 20 Jahre lang in China. Erst arbeitete er als Reporter, dann gründete er seine eigene Zeitung, was schließlich in seiner Inhaftierung durch brutale chinesische Beamte endete. Eine Nebenhandlung lockert die Stimmung auf; Savitt zeigt, was passiert, wenn die rebellische westliche Rock-Kultur auf das repressive China nach Mao trifft, und erzählt von Beatles-Coverbands, denen Regierungszensoren an den Fersen hängen. Savitt liefert einen Augenzeugenbericht der Studentenproteste und des Tian'anmen-Massakers, bei dem er selbst auf dem Motorrad zugegen war. Die Panzer und die zerfetzten Menschen beschreibt er in klaren, blutigen Worten. Zwar teilt er auch persönliche Sorgen um sein Liebesleben und Karriereerfolge, doch Savitts eigene Gefühle stehen nicht im Vordergrund, selbst als er von Schuldgefühlen zerfressen ist, nachdem seine Ex-Freundin verschwindet und man von Selbstmord ausgeht.-KIM KELLY
HUBRIS
Oren Ambarchi
Editions MegoAls ich den australischen Avantgarde-Komponisten Oren Ambarchi das erste Mal live hörte, dachte ich, mein Brustkorb würde kollabieren. In einem dunklen Theater in North Carolina entlockte er einer Gitarre und einem klein wenig Elektronik schneidenden Noise, dessen lautere Töne mein Brustbein sowie den Stuhl, auf dem ich saß, unkontrollierbar vibrieren ließen. Die Erfahrung war so verstörend wie bewegend. Auf Hubris, seiner jüngsten Veröffentlichung beim altehrwürdigen Österreicher Experimental-Label Editions Mego, wirkt er ein bisschen ruhiger und versetzt Zuhörer etwas kontrollierter in Schwingungen—mit einem Bein auf der Tanzfläche. Die drei Stücke, von denen eines über 20, ein weiteres über 16 Minuten lang ist, verbinden rastlose Gitarren, mechanistisch programmierte Elektronik (zum Teil von House-Genie Ricardo Villalobos) und flackernde Live-Percussion—zumindest in Bezug auf ihre einzelnen Elemente eignen sie sich also auch als Clubmusik. Doch wie der Großteil von Ambarchis Werken hypnotisiert auch Hubris bei längerem Hinhören mit seiner ruhelosen Dynamik. Dieses Unsichere, Fragmentierte kann sich anfühlen, als säße man hinten in einem Auto, das ein bisschen schneller fährt, als einem lieb ist. Oft will Tanzmusik die Ekstase eines verschwitzten Clubs heraufbeschwören, doch Ambarchi zielt mit Hubris auf die aufgekratzte Anspannung, die zu lange Nächte in der dunklen Enge hinterlassen.
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THE EXTERMINATING ANGEL
Luis Buñuel
CriterionIn Luis Buñuels absurdem Meisterwerk Der Würgeengel stecken die Gäste eines feinen Dinners unerklärlicherweise in der Villa ihrer Gastgeber fest. Tage oder Wochen vergehen, und doch gelingt es niemandem auszubrechen. Vom Hauspersonal verlassen und hungergeplagt werden die Gäste zunehmend egoistisch und streitlustig. Man fragt sich natürlich, was hinter dem Freiheitsverlust dieser Menschen steckt, und die einzig plausible Antwort lautet: „Alles." Der 1962 erschienene Film ist nun als US-Import auf Blu-ray im spanischen Originalton mit englischen Untertiteln erhältlich und führt uns vor Augen, dass der bequeme Lebensstil der Figuren auf Grausamkeit, Eitelkeit und Gier basiert. Ihre strenge Klassenhierarchie, ihre Bigotterie, die sexuelle Aggression, die Unterdrückung von Kindern, Partnerinnen und Geschwistern—all das zeigt sich als Produkt der primitivsten und stumpfsinnigsten Impulse. Silvia Pinal, die einen der Gäste spielt, schreibt Buñuel mit Der Würgeengel die Erfindung des Reality-TVs zu. Tatsächlich kommt man kaum umhin, diese genüssliche Zurschaustellung der niedersten menschlichen Eigenschaften als Big Brother-Vorgänger zu sehen. „Warum schaue ich das so gern? Bin ich nicht genauso schlimm wie diese Leute selbst?", durchzuckt es uns beim Zuschauen.-ANDREW KATZENSTEINFolge VICE auf Facebook, Instagram und Snapchat.