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Mörgeli gibt sich den goldenen Tweet

Christoph Mörgelis Abwahl ist keine Überraschung. Der SVP-Demagoge tweetet sich schon seit Jahren um Kopf und Kragen.
Screenshot/Collage VICE

Dass Christoph Mörgeli gestern abgewählt wurde, kommt nicht von ungefähr: Blochers Redenschreiber hat überraschend wenig Gefühl für öffentliche Kommunikation. Mit diesem Defizit ist er in der Volkspartei nicht alleine wie der folgende Text von 2012 zeigt. Anlässlich der historischen Abwahl haben wir den Artikel mit einem Update versehen.

Wer lernen möchte, wie man sich selbst den Kopf in den Analkanal tweetet, der kann bestimmt bei der Schweizer Volkspartei einen Kurs machen. SVP-Politiker haben sich dieses Jahr gegenseitig mit untragbaren Äußerungen im Internet förmlich übertrumpft. Im Februar brachte die SVP-Ortspartei aus dem aargauischen Widen den Ball ins Rollen. Die hatten die grandiose Idee den Subtext ihres Parteiprogramms, mittels ein paar typographischer Finessen auf ihrer Homepage, ein klein wenig offensichtlicher zu gestalten. Transparenz wird in der Politik ja bekanntlich groß geschrieben:

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Kaum hatten die Medien das Thema aufgegriffen, war die Seite auch schon vom Netz. Wir haben ja immerhin einen Gesetzesartikel der Rassismus strafbar macht. Mal abgesehen von den diversen anderen politischen Grundwerten, die uns von den Taliban unterscheiden.

Da hätte man als Parteimitglied schon hellhörig werden können: Was meine Kumpels aus der Orts Beiz lustig finden, ist offenbar Rassismus, hätte man sich denken und dann entsprechend vorsichtig werden können. Hat man aber nicht. Kaum drei Monate später meinte der mittlerweile als Amok-Twitterer bekannte Zürcher SVP Politiker Alexander Müller: "Vielleicht brauchen wir wieder eine Kristallnacht… diesmal für Moscheen." Er war innert weniger Tage seinen Job los und auch die Partei hat sich von ihm getrennt.

Trotzdem legte der Solothurner SVP-Politiker Beat Mosimann in derselben Woche via Facebook noch einen drauf: «Wann wird das gottverdammte Pack endlich ausgeschafft oder standrechtlich erschossen?», war sein Vorschlag zur Lösung der Ausländerkriminalitätsproblematik. Der Online-Kamikaze ist keine 4 Wochen nach diesen Äußerungen aus der Partei ausgetreten (worden). Sogar bei der AUNS musste der „Gletscherpilot" (ein Internet- Pseudonym Mosimanns) seinen Hut nehmen.

Bisher waren es nur kleine, unbedeutende Parteifunktionäre, die wohl nach dem siebten Schümli Pflümli den Stammtisch nicht mehr von der digitalen Weltöffentlichkeit zu unterscheiden wussten. Die sassen ja nicht in der Landesregierung, die konnte man ohne weiteres opfern oder noch besser: Sich von ihnen distanzieren. Die waren ja kein Toni Brunner oder gar Christoph Mörgeli.

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Letzterer erlebt 2012 ja nicht unbedingt den Höhepunkt seiner Karriere. Mal abgesehen von den ganzen Social Media Experten in der Parteibasis, hat man ihm auch seinen Job an der Uni genommen. Dort war er, der Professor Doktor Mörgeli, Oberassistent und Konservator des Medizinhistorischen Museums, welches er laut Universitätsrat schlichtweg vergammeln liess.

Zu seinen Vorlesungen (an denen er übrigens kaum selbst sprach sondern mehrheitlich Gastredner einlud) kam seit Jahren niemand, außer ein paar gelangweilten Senioren. Seine Veröffentlichungen, die er so gerne als Referenz bemüht, wurden mehrheitlich von seinem politischen Mentor Christoph Blocher oder gleich von Pharmakonzernen bezahlt, die sich ein löbliches Urteil über ein neues Medikament erkauften.

urz gesagt: Die Geißel aller Sozialschmarotzer verlor seinen Job weil er zu faul (oder zu politisch engagiert, wer weiß?) war den richtig zu machen, sich aber trotzdem jahrelang einen stattlichen Lohn aus der Staatskasse hat auszahlen lassen. Laut dem SVP-Demagogen Mörgeli war seine Entlassung, als auch die Nichtannahme seiner Texte in richtigen Fachzeitschriften, durchwegs politisch motiviert und eine gemeine Verschwörung des linken Filzes. Und wegen denselben Linken dürfen jetzt auch noch Homosexuelle Kinder adoptieren.

Homosexuelle! Die genitalen Staatsverräter, das Rückgrat des moralischen Zerfalls, sollen Kinder haben dürfen. „Da würde ich meine Kinder ja lieber von Tieren großziehen lassen! In so einer Welt will ich nicht leben." hat er sich wohl gedacht und kurzerhand zur bevorzugten Selbstmordwaffe der SVP Exponate gegriffen: Seinem Twitter-Account.

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Es mag, in Anbetracht dieser öffentlichen Gleichsetzung von Homosexuellen mit Haustieren, vielleicht etwas vermessen anmuten, aber der Nationalrat Mörgeli bewarb sich parallel zu diesem Tweet um die Stelle als Rektor der Universität Zürich.

Das Anforderungsprofil einer (Zitat) „visionären und weltoffenen Person" erfüllt er, nach eigener Beurteilung, ja voll und ganz. Konsequenterweise dürfte das AUNS-Vorstandsmitglied nächste Woche aus der Partei austreten, womit wenigstens die Politik kein Hindernis mehr wäre für eine strahlende, akademische Karriere. Wir wünschen ihm jedenfalls viel Glück und wenn es mit der neuen Stelle nicht klappen sollte, gibt es ja immer noch das RAV.

Update: 3 Jahre später

In der Zwischenzeit ist Herr Mörgeli von der Uni geflogen. Was seine Social Media Fähigkeiten betrifft, hat er uns noch einen ganz grossen Wurf geliefert, der dazu geführt hat, dass sein Facebook-Profil vorübergehend gesperrt wurde. Die Mutterpartei hat inzwischen gelernt, dass kein Inhalt deutlich besser ankommt als jener, wegen dem sie effektiv politisiert und hat mit dieser Coverversion des Arschficksongs die Wahlen 2015 gewonnen.

Quelle: Christoph Mörgelis Facebookprofil

Dass Mörgeli gestern, also beim nächsten möglichen Nationalrats-Wahltermin eine Schlappe kassierte und nicht wiedergewählt wurde, erstaunt eigentlich niemanden mehr. Schwulenhass ist mittlerweile sogar bei der SVP nicht mehr so en vogue, spätestens seit einer der neuen SVP-Nationalräte offen homosexuell ist. O tempora o mores.

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Wir hoffen natürlich inständig, dass uns Mörgeli wenigstens sozial-medial erhalten bleibt. Als Fenster in eine Schweiz aus dem letzten Jahrhundert kann er vielleicht doch noch einen wertvollen Beitrag an die Wissenschaften leisten.

Till Twittert sich auch um Kopf und Kragen: @Trippmann

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Titelbild ist ein Screenshot von: Welcome to SVP