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Die Ölpest vor der Gazprom-Zentrale in Berlin

Greenpeace hat vor der Zentrale des russischen Staatskonzerns die geplanten Bohrungen in der ökologisch gefährdeten Arktis angeprangert.

Laut eines US-Gutachtens aus dem Jahr 2008 sollen sich circa 22% der Öl- und Gasvorkommnisse der Welt unter arktischen Meeren befinden. Dass uns diese Menge bei unserem derzeitigem Verbrauch vermutlich nur für die nächsten drei Jahre reicht, wie Greenpeace sagt, ist erstmal nicht so wichtig. Um diese Ressourcen nun zu gewinnen, will der russische Staatskonzern Gazprom, der neben Gas jetzt auch massiv ins Ölgeschäft eingestiegen ist, noch in diesem Jahr auf der in der Barentssee gelegenen Plattform Prirazlomnaya mit der Ölförderung beginnen. Aus diesem Anlass haben sich heute ein paar Greenpeace-Aktivisten bei der Markgrafenstraße 23 zusammengefunden, um vor der Gazprom-Germania-Zentrale ein bisschen Aufklärung zu betreiben. Auf zwei abgesperrten PKW-Parkplätzen ist eine Miniausgabe einer Ölbohrstation nachgebaut. Diese wird extra für mich noch mal zum Leben erweckt, so dass ich live sehen kann, wie das „Öl“ (was natürlich kein echtes ist) aus der Fontäne in das extra angefertigte Kunsteis herunterspritzt. Des Weiteren stehen noch ein paar Tonnen umher, auch gefüllt mit falschem Öl. Im Hintergrund ein paar Greenpeacer mir Bannern, auf denen „Rettet die Arktis, Stopp Gazprom“ zu lesen ist. Auf einer kleineren Flagge steht irgendwas auf Kyrillisch, ich nehme an, es ist die gleiche Nachricht. Es ist ein bisschen leer, ich frage mich, ob ich zu spät bin und den Anfang verpasst habe. Ich zähle ungefähr 10 Grüne und dafür aber etliche Männer in faltenfreien Anzügen, die nicht gewillt sind, im Vorbeigehen ein Infoblättchen mitzunehmen. (Liegt wahrscheinlich an ihrem furchtbar wichtigem Meeting in der Gazprom-Zentrale oder aber man interessiert sich in dieser Straße einfach generell nicht dafür?) Auf meine Enttäuschung hin, nicht bei einer großen, bunten Anti-Gazprom-Demo gelandet zu sein, entgegnet mir aber der nette Lutz (73) von Greenpeace, dass dies ja auch gar nicht der Sinn dieser Aktion sei. Ein Menschenauflauf käme erst später, wenn was Schlimmes passiert ist, und dann wird mit richtig vielen Menschen Terz gemacht.

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Heute gehe es lediglich um die Aufklärung, dass bald etwas passieren könnte. Denn zum derzeitigen Standpunkt gab es ja noch keine Bohrung. Dies könnte aber wohl jederzeit passieren. Nur wann? Auf Anfrage, über diesen Termin Genaueres zu erfahren, wollte mich die Rezeptionistin von Gazprom aber zu keinem Verantwortlichen durchstellen. Hinsichtlich dessen und „diesem Vorfall vor der Tür“, wie sie es nannte, solle ich doch eine E-Mail schreiben. Ich habe auch bis jetzt keine Antwort erhalten.

Dies könnte wohl auch daran liegen, dass Gazprom (das sich auch eben ein Kartellverfahren eingefangen hat, da es mutmaßlich seine Gas-Monopolstellung in einigen osteuropäischen Märkten durch unfaire Methoden erlangt hat) mit seinem Notfallplan, den jeder Ölkonzern vorlegen muss, ziemlich blöd dasteht. Erstens ist der schon im Juli dieses Jahres abgelaufen, was bedeutet, dass Gazprom auch nach russischem Gesetzt illegal handeln würde. Zweitens ist das, was von diesem Plan bekannt ist, eine große Lachnummer. Mit 15 Schaufeln, 15 Eimern und einem Vorschlaghammer wollen sie einem möglichen Blowout entgegenwirken. Vielleicht erinnert sich von euch noch einer an die Deepwater Horizon? Genau. Dort mit 15 Schäufelchen zu stehen, hätte sicher auch nichts gebracht. Ach ja, im Übrigen befinden sich die benötigten Gerätschaften 1000km weiter in Murmansk. Würde also ein bisschen dauern, ehe diese vor Ort eintreffen. Hinzu kommen die rauen arktischen Bedingungen. Eisgang, Stürme, extrem kaltes Wasser und die Dunkelheit, all das wäre nicht gerade sehr hilfreich, wenn man das Austreten des Öls bei einem Unfall verhindern möchte.

Kurzum, die Maßnahmen des (veralteten) Notfallplans sind, wie die ganze Sache an sich, völlig inakzeptabel. Deshalb will Greenpeace, wie mir der Öl-Campaigner Jörg Feddern mitteilte, dass sich Gazprom ganz aus der Arktis zurückzieht. „Wir wollen zudem ein Schutzgebiet einrichten—damit auch in Zukunft dieses sensible Gebiet von der Industrie verschont bleibt. Denn die Arktis ist eines der letzten unberührten Gebiete dieser Erde, wäre schön, wenn dies noch eine Weile so bleibt.“