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Popkultur

Der Regisseur von ‚Human Centipede’ ist „sehr stolz“ auf sein Werk

Tom Six hat nicht nur lauthals einen der kaputtesten Gedanken geäußert, der ihm jemals in den Sinn gekommen ist, sondern daraus sogar eine Trilogie einzigartig abscheulicher Filme gemacht.
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Tom Six—Foto: Nigedldehond | Wikimedia Commons | CC BY-SA 3.0

Jedem von uns kommt mal ein furchtbarer Gedanke, Fragmente kranker Fantasien, die in den dunkelsten Ecken des eigenen Denkapparats herumgeistern. Die meisten von uns vergessen sie allerdings schnell wieder: Wir vergraben sie ganz tief, weil wir nicht wollen, dass unsere heimliche sadistische Neigung zu Tage tritt, oder weil wir uns selbst nicht eingestehen möchten, dass wir uns schon mal ernsthaft darüber Gedanken gemacht haben, was passiert, wenn—sagen wir—man den Mund von jemandem an den Anus von jemand anderem näht. Der niederländische Regisseur Tom Six tickt da aber etwas anders. Er hat nicht nur lauthals einen der kaputtesten Gedanken geäußert, der ihm jemals in den Sinn gekommen ist, sondern daraus sogar eine Trilogie einzigartig abscheulicher Filme gemacht.

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Auch wenn die ersten beiden Human Centipede-Filme von einem Großteil der Kritiker verrissen wurden und dementsprechend nicht gerade die Kinokassen klingeln ließen, haben sie in den Medien doch für einigen Wirbel gesorgt—auf jeden Fall genug, um einen dritten Teil zu rechtfertigen, The Human Centipede 3: Final Sequence, der dieses Wochenende zumindest in die amerikanischen Kinos kommt und noch viel mehr Mund-an-Arsch-näh-Action verspricht. Die Kritiker zeigen sich erwartungsgemäß nicht gerade begeistert von dem neusten Werk. Ich habe Six angerufen, um ihn über das zu interviewen, was er bis jetzt erreicht hat—aber vor allem, um herauszufinden, warum er dieses Zeug noch immer macht.

Manchmal lauert der Schrecken auch im Alltag: „Deine Pornos beobachten dich"!

VICE: Ich freue mich richtig, mich mit dir unterhalten zu können. Die letzten vier Jahre lang hast du mich nämlich ziemlich angeekelt—das ist also eine tolle Gelegenheit für mich.
Tom Six: Oh, das ist ein Kompliment, oder?

Stört es dich, dass man dich mit deinen Filmen in Verbindung bringt—dass du der „Human Centipede-Typ" bist?
Nein, überhaupt nicht. Ich bin stolz darauf, denn ich finde, dass Kunst in Menschen etwas auslösen muss, und bei vielen Horrorfilmen sind die Leute ziemlich unbeeindruckt—denen sind die total egal. Es gibt nichts Schöneres als Menschen, die auf deine Arbeit reagieren—ich sehe das als große Ehre. Entweder man mag meine Arbeit oder man hasst sie abgrundtief. Dazwischen gibt es nichts und darauf bin ich sehr stolz.

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Du hast in anderen Interviews gesagt, dass Frauen vor dir Angst haben und dass du über Facebook schon Morddrohungen erhalten hast. Warum machst du diese Filme dann trotzdem noch?
Ich finde, so viele Menschen haben ihre eigenen düsteren Fantasien, aber drücken sie nie aus—[aber] ich bin Filmemacher, Autor und Regisseur und finde es unglaublich reizvoll, meine dunklen Fantasien auf der Leinwand zu erschaffen. Viele Leute, die ich treffe, sehen auch die komödiantischen Aspekte darin—und darauf bin ich auch sehr stolz. Und jeder kann sich irgendwie in den Film hineinversetzen—[jeder hat jemanden] bei der Arbeit oder so, den er gerne zu einem menschlichen Tausendfüßler verarbeiten würde … Das macht es quasi auch so lustig—die Menschen, die du hasst, Kinderschänder, Tierquäler, wer auch immer—ich finde, einige verdienen das Schicksal das menschlichen Tausendfüßlers.

Was sagen deine Filme über die Menschheit aus? Was heißt es nach der Philosophie von Human Centipede, ein Mensch zu sein?
Ich habe ein sehr düsteres Bild von der Menschheit. Ich glaube, dass wir böse auf die Welt kommen. Das klingt vielleicht etwas verrückt, aber so sind wir. Die Gesellschaft hält uns auf dem rechten Weg. Wenn aber ein Krieg ausbricht, dann kannst du beobachten, wie sich die Menschen in Tiere verwandeln—wir bewegen uns also auf sehr dünnem Eis. Wir sind sehr grausame Geschöpfe. Wenn du uns zum Beispiel mit Tieren vergleichst: Tiere töten, weil sie essen müssen, aber die menschliche Rasse tötet auch mal nur aus Spaß. Das ist, wie ich finde, sehr verstörend und ich zeige das in meinen Filmen—die dunkle Seite der Menschheit.

Du hast vor ein paar Jahren mal gesagt, dass der dritte Teil den zweiten wie einen Disney-Film aussehen lassen wird. Hast du dein Versprechen gehalten?
Nun ja, das liegt wohl im Auge des Betrachters. Es gab Leute, die viel mehr Angst vor Teil drei hatten. Ich hatte [Crewmitglieder, die] nicht wollten, dass sie mit vollem Namen im Abspann stehen, und im zweiten Teil hatten die gleichen Leute überhaupt kein Problem damit. Teil drei ist von allen der wohl am wenigsten politisch korrekte. In Teil zwei gibt es eine Menge Gedärme und Blut, aber ich schätze, dass Teil drei der kontroverseste aus der Reihe ist. Es ist der thematisch aktuellste.

In den Filmen wiederholen deine Charaktere immer wieder, dass das alles zu 100 Prozent medizinisch korrekt ist, und dass es sich auch wirklich umsetzen lässt. Es sieht fast so aus, als würdest du wollen, dass das jemand nachahmt. Willst du, dass jemand einen echten Human Centipede erschafft?
Ähm … Das wäre schon tolles Marketing, natürlich, falls es jemals … Ich glaube nicht, dass das irgendwann mal passieren wird—einfach weil es so unglaublich abgedreht ist. Das ist auch der Grund, warum ich Teil zwei gemacht habe. Die Leute haben ständig gesagt: „Was ist, wenn irgendein Typ das nachahmt?" Und es ist einfach unfassbar abwegig, einen menschlichen Tausendfüßler zu machen. Ich bin mir sicher, dass das niemals passieren wird. Aber ich spiele natürlich damit—ich finde das unglaublich lustig. Ein Chirurg könnte das tatsächlich bewerkstelligen. Ich bin in Besitz eines sehr detaillierten Berichts, den ein Chirurg in den Niederlanden angefertigt hat—und es kann tatsächlich gemacht werden. Das macht den Film noch gruseliger und noch faszinierender. [ Anmerkung der Redaktion: VICE hat anlässlich des zweiten Films einen Arzt befragt und er meinte nicht gerade, dass der Film besonders akkurat sei.)

Kannst du uns schon etwas über deinen nächsten Film, The Onania Club, erzählen? Du meintest mal, er wäre unmenschlicher als alles, was du bis jetzt gemacht hast.
Ja, ich werde weiter die dunkle Seite des menschlichen Daseins ausloten, aber immer mit etwas Humor. Ich denke, man braucht diesen Comic Relief einfach, weil auch viele schlechte Dinge eine lustige Seite haben. Es ist ein Film, über den die ganze Welt sprechen wird—und er ist wieder sehr originell. Es geht um eine Gruppe sehr reicher Leute, die etwas machen, das, nun ja … es ist noch etwas zu früh, um die Handlung zu enthüllen. Ich bin mir aber zu 100 Prozent sicher, dass South Park es wieder kopieren würde. Er wird sehr originell und sehr schockierend zur gleichen Zeit sein.