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Deutschrap-Legenden können mit ihren Comebacks nicht gewinnen

Curse, Denyo, Ferris MC: Mit Begeisterung wurde keiner der Rücktritte vom Rücktritt wahrgenommen.

Falls du dich die letzten Jahre über gefragt hast: „Hey, wie würde dieser und jener Deutschrapper aus der Zeit um die Jahrtausendwende wohl heute klingen?“, dann hast du momentan echt Glück. Ob Curse, ob Denyo, ob Ferris MC: Viele Rapper, die eigentlich bereits ihren HipHop-Rücktritt veröffentlicht hatten, bringen dieser Tage neue Alben. Mit Begeisterung wurde jedoch kein Rücktritt vom Rücktritt aufgenommen.

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Der bekannteste Gegner der Comebacks ist vielleicht Shindy, einer der zu Recht relevantesten Vertreter der „Neuen Schule“. Seine Antwort auf die Rückkehr von Deutschlands Melancholie-Rap-Vorreiter: „Curse kann sich gleich wieder verpissen.“ Nico Suave und Denyo hingegen hätten sich ein so offensives „Fuck You“ vielleicht sogar gewünscht, wurden ihre Comeback-Platten doch von Käufern wie Kritikern am Ende vor allem gleichgültig aufgenommen. Und auch Ferris MC's musikalische Neujustierung juckt kaum wen. Warum das so ist? Hier ein paar Gründe:

Der Zeitpunkt wirkt zu kalkuliert

Das war auch der Kernvorwurf Shindys in Richtung Curse. „Jetzt, da es gut läuft, sind plötzlich wieder alle Rapper. Rap braucht euch nicht.“ Tatsächlich hörten viele Deutschrap-Veteranen zu einer Zeit auf Musik zu veröffentlichen, als der erste große Boom vorbei war. Die zweite, kommerziell erfolgreiche Generation (netter Deutschrapper), um zum Beispiel Cro, Casper und Marteria wiederum ließ noch auf sich warten. Mit Ausnahme einer kleinen Garde auserwählter MCs mit veritabler Block-Vergangenheit verdiente mit HipHop aus D ab 2005 kaum noch jemand gutes Geld. Als das Geld zurück in die Szene floß, folgten auch die Comebacks. Und wer will nicht ein bisschen „Saudi Arabi Money“ machen? Dadurch stehen Künstler wie Curse, Ferris oder Denyo im Generalverdacht aus Mula-Gründen nun doch wieder Rap zu machen.

In Wahrheit geht diese Rechnung nicht immer auf, wie Curse selbst anschaulich in einem Interview bei 16 Bars erklärt: Insbesondere dann, wenn man auf einem Indie-Label veröffentlicht und die Produktionskosten selbst trägt, rechnet sich das Ganze nur dann, wenn ein Album wirklich durch die Decke geht. Ein spät nachgeholtes BWL-Studium wäre sicherlich die bessere Lösung, will man auf die alten Tage noch mal gutes Geld machen.

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Die Musik wirkt anbiedernd

Wer irgendwann mal aufgehört hat, Musik zu machen, wird nach seinem Comeback höchstwahrscheinlich nicht einfach den selben Stiefel aufnehmen wie vorher, sonst hätte er ja gar nicht erst aufhören müssen. Comebacks sind daher auch immer eine kleine künstlerische Neuerfindung. Gut zu beobachten ist das bei Denyo: Der hat seit dem letzten Beginner-Album “Blast Action Heroes” aus dem Jahr 2003 musikalisch viele verschiedene Dinge ausprobiert—darunter ein schwer verdaulicher Gehversuch als Singer-Songwriter—und fand schlussendlich zurück zum HipHop.

Sein neues Album #DERBE kommt eher elektronisch daher, leicht trippig und dubsteppig, irgendwo zwischen AlunaGeorge, FKA twigs und sonstigem Krams aus London. Denyo arbeitet nebenbei als DJ und Radiomoderator, von daher macht es natürlich Sinn, dass er am Puls geblieben ist und seine neuen Eindrücke auch in seiner Musik verarbeiten will. Weil der Großteil der Rap-Fans soweit nicht denkt, wirkt diese logische Konsequenz für viele jedoch anbiedert. Dass Denyo überdies auf der „#Derbe“-Single unbeholfen mit Hashtags um sich wirft, verstärkt diesen Eindruck noch weiter.

Dasselbe gilt auch für Ferris MC, der für „Glück ohne Scherben“ mit Swen Meyer zusammengearbeitet hat. Meyer hat unter anderem Alben für Tomte und Kettcar produziert, was wiederum ein logischer Schritt ist, wenn man bedenkt, dass Ferris Mitglied bei Deichkind ist und auf Punk- und Indie-Bands steht. Curse wiederum wurde auch noch vorgeworfen, er würde Casper biten. Was wiederum irgendwie Quatsch ist, weil Curse in seiner Musik bereits lange vor Casper private Krisen verarbeitet hat. Allerdings nimmt er sich auf „Uns“ technisch komplett zurück und rappt zugunsten seines inhaltlichen Anspruchs langsam und simpel, wodurch er jene seiner Hörer verliert, die ihn für seine anspruchsvolle Reimkunst von früher gemocht haben.

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"das neue denyo album ist super" (denyo)

— A$AP GNOCCHI (@AlibiSW) May 9, 2015

Die Nischen sind besetzt

Wer lange weg war und dann wieder zurückkommt, der muss sich an den Gedanken gewöhnen, dass die Nische, die ihn als Künstler ausgemacht hat, schon von jemand anderem besetzt ist. Es hat einen Grund, dass Curse plötzlich in vielen YouTube-Kommentaren als billige Casper-Kopie niedergemacht wird: Das musikalische Grundrezept, das Curse in Deutschland groß gemacht hat, ist von Künstlern wie Casper weiterentwickelt und perfektioniert worden. Über seine Beziehungsprobleme zu sprechen, war im maskulinen HipHop mal Alleinstellungsmerkmal—heute ist das anders. Ferris MC wiederum galt mal als provokanter Assi-Rapper. Heute jedoch reicht ein Drogenproblem nicht, um Eltern und Lehrer zu schocken. Es braucht also neue Themen, wenn man nach seinem Comeback noch relevant sein will.

Nun rappt Curse heute nicht mehr über seine Ex, sondern über seine Langzeitbeziehung. Denyo wiederum erklärt seiner Tochter seinen Rapper-„Job“. Das ist natürlich „real“, allerdings sind die beiden damit denkbar weit von der Lebensrealität der meisten HipHop-Hörer entfernt. „Grown Man Rap“ ist eben nur für „Grown Men“ interessant—und die sind in HipHop-Deutschland fürs Erste weiter in der Unterzahl.

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