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Interviews

Ein Gespräch mit dem Mann, der für David Bowies legendäre Berlin-Alben mitverantwortlich ist

Wir waren auf der David Bowie-Trauerfeier und haben mit seinem ehemaligen Tontechniker über die Zeit im Studio, die Verheimlichung seiner Erkrankung und den überraschenden Tod gesprochen.

Foto: Imago

Oh man, erst Lemmy und danach trifft es auch noch Bowie. Es scheint wirklich so, als ob die unzerstörbaren Rockstar-Körper, die in den 1970er und 1980er Jahren auf wirklich alles einen Fick gegeben haben und wahrscheinlich in ihren besten Zeiten schon vor dem Mittagessen einmal durch die komplette Drogenpalette gerockt sind, jetzt an den Grenzen der Sterblichkeit angekommen sind und traurigerweise an so einer fiesen Scheiß-Krankheit wie Krebs zugrunde gehen. Auch wenn du vielleicht kein Bowie-Fan bist, versprechen wir dir, sehr viele deiner Lieblingskünstlern sind es und haben sich nicht nur einmal einen neuen kreativen Anstrich von dem experimentierfreudigen Chamäleon geholt. Allein dafür hätte er schon eine Ehrung verdient, also komm schon Berlin: Gib ihm endlich seine David-Bowie-Straße.

Wer wäre nicht am liebsten gern mal dabei gewesen, als Bowie seine legendäre Berlin-Trilogie in den Hansa-Studios aufnahm und er danach mit Iggy Pop, Tony Visconti und Co. durch die Nacht gezogen ist, bis sie irgendwann mal wieder am Wannsee gestrandet sind oder es in einem Streit endete, weil Iggy den Kühlschrank leergefressen hatte. Aber wahrscheinlich wäre man schon nach der ersten Nacht fast gestorben oder zumindest in der Ausnüchterungszelle wach geworden, weil man nicht mit dem abgedrehten Rockstar-Lifestyle mitgehalten hätte . Dann wäre es vielleicht doch cooler gewesen, wenn man so eine Legende wenigstens zu seinen Freunden zählen könnte und ihm mal ganz locker und frei am Samstagnachmittag eine E-Mail schickt, um ihn zu fragen, wie es zur Zeit in New York—oder wo immer er auch schon wieder unterwegs war—gerade so läuft. Eduard Meyer ist uns da sehr weit voraus. Der mittlerweile 72-Jährige war damals Tontechniker für David Bowie und ließ es sich natürlich nicht nehmen, am Freitag neben den hunderten Bowie-Fans an der öffentlichen Trauerfeier im Meistersaal der Hansa-Studios am Potsdamer Platz teilzunehmen, um seinem guten Freund David die letzte Ehre zu erweisen und noch eine paar seiner Erinnerungen mit den anderen Gästen zu teilen. Wir waren auch da, um Bowie die letzte Ehre zu erweisen und haben mit Eduard Meyer gesprochen, um herauszufinden, ob der Tod von David Bowie wirklich so überraschend kam und wie es damals war, mit ihm im Studio abzuhängen und an mittlerweile legendären Alben zu arbeiten.

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Foto: Moritz Götz

Noisey: Sie hatten ja die letzten Jahre schon noch öfters E-Mail Kontakt mit David Bowie. Wie offen beantwortete er eigentlich seine E-Mails?
Eduard Meyer: Immer wenn ich ihm geschrieben habe, hat er mir umgehend zurückgeschrieben und dann auch ganz locker. Außer bei den letzten E-Mails, da kam keine Antwort mehr. Aber da war auch schon die Zeit, wo er die Krebs-Diagnose bekommen hatte. Anfangs dachte ich, er wäre irgendwie verärgert auf mich, aber später habe ich dann begriffen, dass der Krebs ihn einfach nach unten gezogen hat.

Wie und wann haben sie von dem Tod erfahren?
Wir hatten hier in den Hansa Studios letzte Woche diese Release-Party und den darauf folgenden Sonntag gab es noch eine Studio-Führung, für die ich mich mit dem Organisator Thilo Schmied verabredet hatte. Wir haben ein bisschen überzogen, weil so viele Leute hier waren und danach habe ich noch ein paar Freunde besucht. Dann liege ich schön gemütlich Montag um halb 8 Uhr morgens im Bett, da ruft mich Thilo nochmal an und sagt nur „David ist gestorben“.

Gab es keine Vorahnung, dass sich sein Gesundheitszustand so immens verschlechtert hatte?
Kein Mensch wusste das. Das Thema wurde familienintern gehalten und die Familie hat solche Informationen nach außen hin abgeblockt. Auch aus meinen E-Mails kann man den Rückschluss ziehen, dass es genau das Datum war, wo der Krebs aufgetreten ist. Er hat sich eben schon mental zurückgezogen und keine E-Mails mehr beantwortet.

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Gab es noch irgendwelche anderen Anzeichen dafür, dass er sich wirklich zurückgezogen hatte?
2014 im September war Bowies langjähriger Produzent Tony Visconti hier. Er musste in Berlin einen Vortrag halten und da sind wir ein bisschen rumgefahren. Ich habe ihm für David einen Kindl-Krug und einen Kindl-Flaschenöffner mitgegeben, weil er hier im Studio anstatt Drogen zu nehmen immer Bier getrunken hat. Tony hat das Geschenk dann für David mitgenommen. Danach habe ich mich immer gefragt, warum er sich nicht bedankt. Tony Visconti hat mir dann nur ausrichten lassen, dass David sich bedankt und da habe ich auch schon überlegt, warum er sich nicht selbst meldet.

Eduard Meyer | Foto: Moritz Götz

Vor allem in den 1970er Jahren war David Bowie ja auch bekannt für ausschweifende Partynächte und Drogen. Waren sie jemals mal mit Bowie unterwegs, wenn er wieder mal exzessiv durch die Nacht gezogen ist?
Nein, der private Kontakt beschränkte sich auf wenige kleine Ereignisse, wie beispielsweise Geburtstagsfeiern. Am 30. Geburtstag von Bowie waren wir in irgendeiner Kneipe in Charlottenburg und haben fröhlich gezecht. Ansonsten weiß ich auch nur, dass sie oft ganze Nächte am Wannsee verbracht haben.

Und wenn er dann aufgenommen hat, war er immer fit?
Ja, auf jeden Fall.

Hunderte Fans haben heute den Weg in die Meisterhalle gefunden, um Abschied von David Bowie zu nehmen. Was denken sie eigentlich: Warum wird David Bowie von so vielen Menschen geliebt?
Ich glaube, das Besondere war möglicherweise, wie er seine Texte und die Musik miteinander verband—und dann natürlich noch seine Stimme. Er hat so eine wunderschöne Stimme gehabt, dass er mir bei den Aufnahmen manchmal wie ein Opernsänger vorkam. Aber auch seine unterschiedlichen Charaktere, die er so ehrgeizig ausarbeitete und auf der Bühne auslebte, haben dazu gehört. Und dann natürlich noch seine Menschlichkeit. Ich habe ihn während der Arbeit nie verärgert, abgehoben oder unhöflich erlebt. Vielleicht mal ein bisschen angespannt, aber das lag dann wahrscheinlich an seiner Ex-Frau, Angela (grinst).

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Wie kam das eigentlich zustande, dass David Bowie damals in den Hansa-Studios aufgenommen hatte?
Bowie war unzufrieden mit seinem damaligen Studio, wo er die ganzen Backing-Tracks für das Album „Low“ aufgenommen hatte. Es gab da Leute, die interne Informationen über Bowie direkt an die Presse weitergeleitet haben und das konnte er auf den Tod nicht leiden. Dann hatte er wohl einen Kontakt über Kraftwerk zu Edgar Froese von Tangerine Dream. Froese hat Bowie dann vermittelt und ihm erzählt, dass es in Berlin ein tolles Studio gibt, eine große Halle, die ein bisschen Ähnlichkeit mit dem Abbey Road Studio hat—was er ja auch kannte. Dadurch ist das dann entstanden und er ist zu uns gekommen.

Und kam hier einfach der große Rockstar Bowie zur Tür rein oder gab es dann vorher noch irgendwelche Abmachungen bezüglich Sonderrechten?
Ich habe es damals so gesehen, dass Bowie ein Künstler ist, der bei uns korrekt bedient wird, aber ich keinen roten Teppich für ihn ausrolle. Die können alle so vornehm und prominent sein, wie sie wollen, aber irgendwelche Sonderrechte gab es für mich nicht. Das wollt er auch gar nicht und war von Anfang an ein sehr angenehmer Mensch.

Foto: Moritz Götz

Berlin hat ja dann schon eine sehr große Rolle in seinem Leben gespielt. Können sie sich erklären, warum Bowie Berlin so gemocht hat?
Er hat es genossen, hier rumzugehen, ohne dass ihn immer wieder jemand anspricht. Er konnte sich wieder frei bewegen und hatte dadurch auch viel mehr Möglichkeiten.

Sie sind sicher noch total mitgenommen von der ganzen Sache. Konnten sie sein letztes Album Blackstar eigentlich bisher wirklich hören?
Ich konnte es mir nicht gleich am Freitag anhören, habe es aber dann ganz in Ruhe später zu Hause gehört. Ich denke, dass seine Krankheit beim Aufnehmen des Albums eine große Rolle gespielt hat. Er wusste, dass etwas nicht mit ihm stimmt und ihm wurde ebenfalls bewusst, dass es eine Ende geben wird. Ich glaube, die Situation seines Albums lässt sich eher mit dem Schreiben eines Testaments vergleichen. Es hat eine sehr depressive Stimmung und der Klang der Musik und die Stimme hören sich wesentlich roher an, als auf den anderen Alben. Ich habe es angefangen zu hören, aber leider nur drei Titel geschafft, weil es mich so sehr berührt hat, dass ich daraufhin weinen musste.

Man hört ja viel, was David Bowie angerechnet wird und wie viel Musik er beeinflusst hat, aber wie schätzen sie persönlich Bowies Lebenswerk ein?
Das jetzt schell in ein paar Wörter zu fassen, ist natürlich schwierig. Auf jeden Fall einen großen Einfluss auf die Entwicklung der Popmusik. Und ich bin fest davon überzeugt, dass er durch das Konzert am Reichstag 1987 ein Vorreiter der Wiedervereinigung war. Du musst dir vorstellen, wie die VoPos [Volkspolizei] die Leute auf der anderen Seite der Mauer weggejagt haben, damit sie bei dem Konzert nicht mithören—und vor allem nicht mitsingen. Aber sie haben trotzdem mitgesungen (grinst).

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