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Interviews

Das letzte Interview von Yellow Dogs, bevor die Hälfte der Band bei einem Amoklauf ums Leben kam

Zwei Mitglieder der Band wurden gestern von ihrem ehemaligen Bassisten erschossen, der dann die Waffe gegen sich selbst richtete.

Die Yellow Dogs, nachdem Raefe Akhbar bereits ausgestiegen war

Gestern in der Früh schaltete ich, wie an jedem anderen Montag auch, den Fernseher ein. Die Lokalnachrichten berichteten über einen Mord, der in Williamsburg in Brooklyn, einer Gegend, in der ich auch viel unterwegs bin, stattgefunden haben sollte. Ich habe nicht weiter darüber nachgedacht. Als ich eine Stunde später im Büro ankam, hatte sich die Berichterstattung ausgedehnt—es ging jetzt um vier Tote und eine Band, die in Mord mit anschließendem Selbstmord verwickelt war. Ich kenne viele Bands in Brooklyn, aber ich war mir ziemlich sicher, dass es keine von ihnen gewesen sein konnte. Dann schickte mir ein Freund den Artikel des Wall Street Journals über den Fall und das Erste, was mir ins Auge stach, war das Wort Iran.

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Mein Herz rutschte mir in die Hose. Es war die Band Yellow Dogs.

Die Yellow Dogs waren eine kaum bekannte iranische Punkband, die vor der Unterdrückung in Teheran geflohen war, um mit ihrer Musik nach Brooklyn zu kommen. Zuerst wurde ich durch den preisgekrönten Dokumentarfilm No One Knows About Persian Cats auf sie aufmerksam, der zeigt, wie gefährlich es ist, im Polizeistaat Iran modernen Rock zu machen. Seither hatte ich ihre EP immer dabei und hörte sie ständig, wenn ich durch New York marschierte.

In der Nacht zum Montag also lief Raefe Akhbar, Ex-Mitglied der Yellow Dogs und aktuelles Mitglied einer anderen iranischen Band namens Free Keys (sie haben den gleichen Manager wie die Yellow Dogs), mutmaßlich durch ein dreistöckiges Gebäude und tötete drei Menschen mit einem .308 Kaliber (ein Vierter wurde verletzt). Zwei der Getöteten waren Mitglieder von Yellow Dogs: der Gitarrist Soroush Farazmand und der Schlagzeuger Arash Farazmand. Danach richtete Ahkbar auf dem Dach des Gebäudes die Waffe gegen sich selbst. Die Gerüchte über Drogenkonsum und Streit über Geld zwischen den ehemaligen Bandmitgliedern sind schon jetzt kaum zu bremsen, obwohl niemand etwas Genaues weiß. Ich auch nicht, deshalb möchte ich keine Vermutungen anstellen.

Ich holte meinen Rucksack und zog aus dem kleinen Fach drei zerknitterte Zettel. Das war alles, was ich hatte, um das Interview zu dokumentieren, das ich kürzlich mit Soroush geführt hatte. Ihre Musik hat mich sofort mitgerissen und ich wollte herausfinden, was eine Gruppe junger Leute dazu veranlasst, alles, was sie kennen, hinter sich zu lassen, nur um ein paar kleine Shows in Brooklyn zu spielen. Nachdem ich mit Soroush gesprochen hatte, verstand ich, dass es hier um sehr viel mehr ging. Ein normales Konzert der Yellow Dogs im Iran sah ungefähr so aus: Die Show beginnt und nur wenige Minuten später kommt die Polizei und macht alles dicht. Sie gingen nach Amerika, um Musik zu machen, die sowohl sozial verantwortungsbewusst als auch voller Rhythmus, Soul und siegessicherer Aggression ist. Das alles im Iran ist illegal (außer die Sache mit der Aggression, die ist legal, aber nur, wenn du Teil des Militär oder der Polizei bist).

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Hier ist das letzte Interview, das die Yellow Dogs gegeben haben.

Noisey: Ihr habt euch ziemlich schnell zu einer meiner Lieblingsbands entwickelt. Wie habt ihr eigentlich angefangen?
Soroush Farazmand: Eigentlich hat alles damit angefangen, dass ich und unser Bassist aus unserer alten Band ausgestiegen sind. Wir haben in dieser Band gespielt, seit wir 16 oder 17 waren, und haben beschlossen, etwas Neues zu starten—mit einem neuen Konzept, neuen Ideen und einer Wagenladung Leidenschaft. Später haben wir dann einen Schlagzeuger kennengelernt, der einen geheimen Proberaum auf einem Dach hatte, und einen verrückten Punk-/Skater-/Gauner-Typ, der Gitarre spielen und singen konnte. Das passierte alles im Ghoory Park. Das ist der Ort, an dem alle Punks, Hippies und Skater abhängen. Wir hingen dort auch oft ab. Vor Kurzem kam Arash als Schlagzeuger hinzu. Er war auch Mitbegründer der bekannten iranischen Band Free Keys. Er ist außerdem mein Bruder und wir wollten ihn schon immer in der Band haben. Jetzt, wo er dabei ist, sind wir ziemlich gut aufgestellt, denke ich.

Eure Musik ist ziemlich scharfkantig und intensiv. Siehst du eure Band als rebellisch an?
Ja, aber wir waren viel rebellischer, als wir noch im Iran gelebt haben.

Würdest du sagen, dass Indie im Iran automatisch rebellisch ist?
Definitv. Inpendent-Musik ist überall rebellisch, aber wenn du vom Iran sprichst, dann ja, ist sie! Um Förderungen vom Staat für Musik zu bekommen, muss man extrem optimistisch sein, was alles Gesellschaftliche angeht. Das waren wir nicht.

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Ist es illegal, Musik zu machen, die mit etablierten sozialen Regeln bricht?
Es gibt so viele Arten von Musik, die im Iran illegal sind: jegliche Musik mit englischen Texten, Dance-Musik und alles, was sich gegen den Iran richtet. Eigentlich ist alles, was einem ein gutes Gefühl gibt oder glücklich macht, illegal.

Was passiert, wenn ihr eine illegale Show im Iran spielt?
Das macht tatsächlich einen großen Unterschied. Wir mochten die Vorstellung, dass auf einem illegalen Konzert alles, was illegal ist, legal wird. Dadurch wird die Show epischer und macht mehr Spaß, oder? Die Konzerte wurden zu einem Ort des Friedens und jeder im Publikum handelt nach seinem persönlichen Gusto.

Was passiert mit denen, die im Iran illegale Musik machen oder auf ein illegales Konzert gehen?
Die Vorschriften unterliegen einem ständigen Wandel und es wird von Tag zu Tag schlimmer. In den meisten Situationen ist es extrem gefährlich.

Ihr kommt auch in einem meiner liebsten Filme über Weltmusik No One Knows about Persian Cats vor, der sich mit den Schwierigkeiten vom Musikmachen im Iran beschäftigt. Indierock hat viele Bedeutungen hier in Amerika, aber was heißt es für euch?
Es hat so viele Bedeutungen, aber für uns ist es einfach die Freiheit, uns so auszudrücken, wie wir es wollen.

Der Film zeigt auch, wie schwierig es ist, Musik außerhalb des Irans mit einem größeren Publikum zu teilen. Wie habt ihr das geschafft und warum seid ihr nach Brooklyn gekommen?
Vor Jahren wurden wir schon in die Vereinigten Staaten eingeladen, um beim South by Southwest zu performen, aber wir hatten Probleme mit den Reisepässen. Nur einer von uns hatte einen Reisepass und der Rest konnte keinen bekommen, weil man im Iran erst den Wehrdienst ableisten muss, bevor man das Land verlassen darf. Mit viel Hilfe haben wir dann doch einen Weg gefunden, Pässe zu bekommen und den Wehrdienst zu umgehen—und das, ohne die Regierung zu bestechen. Mit Geld kannst du in Teheran alles machen. Wir haben viel Scheiße gefressen und ein ganzes Jahr lang gekämpft. Einige von uns haben auch ernsthafte Probleme bekommen, aber wir haben es geschafft. Wir wollten zum CMJ 2009 kommen, aber wir haben es nicht rechtzeitig geschafft, also sind wir in die Türkei, haben dort ein Konzert gegeben und uns in der amerikanischen Botschaft Visa besorgt. Wir haben uns entscheiden, in Brooklyn zu leben, weil uns klar war, dass unsere Musik in New York am meisten Sinn macht und es ein Ort ist, an dem wir wachsen konnten.

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Zum Abschluss, welche Musik hat euch am meisten beeinflusst?
Wir hören alle möglichen Arten von Musik, von Bands der späten 50er Jahre bis hin zu lokalen, aufstrebenden Acts aus aller Welt. Im Iran haben wir hauptsächlich Post-Punk und Dance-Bands wie The Rapture, Moving Units, The Faint, Modest Mouse, Joy Division und The Clash gehört. So viele Bands, Musiker und sogar Akkorde beeinflussen unsere Musik, dass ich sie nicht alle einzeln aufzählen möchte, aber es gibt einen Song, der hinsichtlich aller Aspekte am ehesten zutrifft: „Rock the Casbah" von The Clash!

Matt ist Gründer und Chefredakteur bei Every Day, Another Song. Folgt ihm auch auf Twitter

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