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#Sorrys statt #Tweef—Twitter ist der neue Beichtstuhl für Musiker

Anscheinend können sich Musiker heutzutage so rassistisch, homophob und sexistisch verhalten, wie sie wollen—solange sie sich auf Twitter danach entschuldigen.

Der Hundeblick hat eine ganz einfache Funktion: Er soll das Herrchen (oder den Beobachter) von der nicht vorhandenen Unschuld überzeugen, indem der Hund (oder der Schuldige) auf seine eigene Naivität und Gutmütigkeit plädiert und unweigerlich auch darauf, wie putzig und süß er doch ist. Genau so (bis auf den letzten Teil) funktioniert inzwischen auch Twitter.

In der Musikwelt passiert folgendes Szenario immer häufiger: Ein Musiker sagt oder tut etwas sehr Fragwürdiges—wahlweise eine homophobe Äußerung (Ten Walls, Kool Savas), einen sexistischen Kommentar (T.I.), einen rassistischen Witz (Justin Bieber), einen besoffener Auftritt (Sido), eine respektlose Äußerung (Kanye West), einen Stage-Crash (Kanye West), eine dumme Antwort (Taylor Swift), eine Fan-Verarsche (Tyler, the Creator), oder etwas Künstlerisches, das provoziert (Sia)—wofür der Musiker erst einmal viel Missgunst und einen Shitstorm erntet, bevor er sich bei Twitter entschuldigt. Und schon ist alles vergessen und vergeben. (Bemerke, dass Kanye West ohne Probleme mit Money Boy ausgetauscht werden könnte.)

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Jedenfalls scheint das so zu sein. Oder wie viele von den oben genannten Beispielen, die alle in letzter Zeit passiert sind, habt ihr noch im Kopf? Der Wirbel wirbelt so lange, bis der Fehler gebeichtet und eine Entschuldigung auf Twitter gepostet wird—was sehr schnell gehen kann. Hier ein paar Beispiele:

T.I.

Justin Bieber

Kool Savas

Sido

Kanye West

Taylor Swift

J. Cole

Tyler, the Creator

Ariana Grande

Sia

Money Boy

OK, Money Boy hat seine Entschuldigung nicht ganz ernst gemeint, aber abgesehen davon sind das gar nicht so wenige #Sorrys. Anscheinend können sich Musiker heutzutage so rassistisch, homophob und sexistisch verhalten, wie sie wollen—solange sie sich danach auf Twitter entschuldigen. Natürlich werden nicht alle Fans damit zufrieden sein und ein paar tief sitzende Enttäuschungen oder erfolgreiche Verdrängungen davon tragen. Doch das Schuldeingeständnis mit Entschuldigung wird auch in der Medienberichterstattung meistens als OK und demzufolge als abgehakt behandelt.

Wir können es genau vor unserem geistigen Auge sehen, wie sich die PR-Berater an den Kopf fassen, weil der Schützling etwas Dummes gemacht hat, er aber mit einem Blick auf Twitter seine Halsschlagader sofort wieder besänftigen kann. Erst gestern hat T.I. in einer Talkshow darüber gesprochen, dass er niemals eine Frau wählen könnte, einfach weil sie eine Frau ist. Aber kein Problem, es gibt ja Twitter.

Menschen und Musiker machen Fehler, viele Äußerungen und Taten können und sollten natürlich verziehen werden. Trotzdem macht eine 140-Zeichen-Entschuldigung nicht alle dummen Äußerungen wieder gut. Erst recht nicht, wenn die immer leichter über die Tastatur zu gehen scheint—egal, ob das nun an der steigenden Außenkommunikation der Künstler liegt oder an der geringeren Hürde, etwas nach Außen zu kommunizieren. Doch wenn etwas Entschuldigungswürdiges passiert, sollten wir doch zumindest einen Hundeblick statt einer 140-Zeichen-Nachricht erwarten können. Das hat sogar der Hund verstanden.

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