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Warum es Schwachsinn ist zu behaupten, Sexismus habe der Rockmusik noch nie geschadet

Die Welt feierte Wanda in einem Artikel für ihren angeblichen Sexismus. Warum das ausgesprochen dämlich ist.

War damit zu rechnen? Nicht nur mit diesem Erfolg, sondern vor allen Dingen damit, dass Wanda so arg polarisieren würden, wie sie das momentan tun? Sind diese fünf Lederjacken-Typen blöde, rückwärtsgewandte Sexisten, wie zum Beispiel The Gap vermutet? Zuletzt nahm die über sämtliche relevanten Kulturteile Deutschlands und Österreichs geführte Diskussion noch mal eine absurde Wendung, als die Welt titelte: „Sexismus hat der Rockmusik noch nie geschadet“.

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Natürlich hatte man sich in der Presse um Amore schon auf den Stereotyp des intellektuellen Schwerenöters eingeschossen, der in Alt-Wiener Kneipen diverse Schnäpperken kippt, darüber diskutiert, ob The Doors sich nun wegen Aldous Huxley oder William Blake so genannt haben, ab und zu einer Frau schöne Augen macht und zwischendrin paar mal mit den Tresenfreunden auf Klo 'nen Nasenkaffee einnimmt. Zugegeben: Dieser Stereotyp ist natürlich ein toller, schließlich stellt man sich doch genau so den Wiener vor: melancholisch, derb, selbstzerstörerisch, versoffen.

Die Texte von Wanda sind bisweilen von einer scheinbaren, tendenziell Schlager-haften Eindeutigkeit, dass sie wie gemacht scheinen, um Feministinnen auf die Palme zu treiben: „Nimm sie, wenn du glaubst, dass du's brauchst, steck sie ein wie zwanzig Cent.“ Auf Bussi (und auch bereits auf Amore) gibt es ein paar jener Zeilen, die einem beim ersten Hören allzu leicht quer im Hals stecken bleiben. Wie schon im Falle des Videos zu „Bussi Baby“, wo die Band zu dem Vorwurf, die Verpflichtung der Vorzeige-Antifeministin Ronja von Rönne sei eine bewusste Provokation, aussagte, sie hätten deren Skandal-Text zum Thema nie gelesen, reagierten Wanda leicht genervt auf ihre Kritiker. Jeden Anflug von Sexismus wiesen sie entschieden von sich. Sie seien Feministen, sprach Marco. Diskussion beendet, so hoffte man.

Weil die Herren Wanda kluge Männer sind, haben sie ihrer lyrischen Männlichkeit von Anfang an einen Bandnamen an die Seite gestellt, der eigentlich ein Frauenvorname ist und zudem auf die erste weibliche Zuhälterin Wiens zurückgeht. Auch wenn das ihren Kritikern nicht genügt, funktioniert dies doch als erstes Indiz, um glaubhaft zu machen, dass Wanda in ihrer Musik einem unwiderruflich untergegangenen Männlichkeitsbild frönen, dass sie gar nicht wiederhaben wollen. Ja, sie romantisieren es, aber sie treiben es dabei so steil auf die Spitze, dass man, wenn man die Wanda'sche Darstellung von Männlichkeit mit nur ein wenig Augenzwinkern begutachtet, diese Band nicht als Gefahr für den Feminismus begreifen sollte. Ganz gleich, wie sehr Marco Michael Wanda in Interviews das naive Lamm gibt: Man darf ihm unterstellen, dass er weiß, was er tut.

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Was uns allerdings wundert, ist, wie die Welt nun darauf kommt, „Sexismus hat der Rockmusik noch nie geschadet“ auf ihre Website zu schreiben. Alleine die Grundaussage: Ist Sexismus also okay, weil er einen Künstler nicht weniger erfolgreich macht? Steigert ein herabwürdigendes Frauenbild die Erfolgschancen eines Musikers? Man liest ja viel im Internet, aber ein solcher Satz ist wirklich ausgesprochen dämlich. Mal abgesehen davon, dass die Headline das Thema auch noch aus einer ausschließlich männlichen Perspektive betrachtet, weil er einzig die Frage stellt, ob der Sexismus den Männern schadet. Ob die Frauenwelt sich von so etwas angegriffen fühlt, taucht als Fragestellung nicht mal auf.

Selbst wenn der Autor in besagtem Text nicht eindeutig klärt, wie er selbst sich zu dieser Aussage positioniert, ist das schlichter Unsinn. Es mag stimmen, dass viele Rock-Musiker, die trotzdem auf ewig Legenden bleiben werden, Frank Zappa und Jim Morrison zum Beispiel, sexistische Texte gesungen haben. Und nein, das hat der Wahrnehmung ihrer Musik nicht geschadet. Damals nicht, weil die Gesellschaft vor ein paar Jahrzehnten ganz offen sexistischer war und heute nicht, weil wir uns die Musik von zum Beispiel The Doors heute mit historischer Distanz hören können, ohne jedes von Morrisons Worten auf die Goldwaage zu legen.

Wenn wiederum Bands wie Bilderbuch und Wanda sexistisch wären, dann würde das ihrer Marke schaden. Heutzutage grenzt man sich von Sexismus bewusst ab, möchte man als aufgeschlossen, modern und vorwärts gewandt wahrgenommen werden. Es wäre schlecht und ergreifend absurd, wöllte man, dass Rihanna oder Grimes sich nicht wie selbstbewusste Frauen, sondern kleine Mäuschen in der Öffentlichkeit verhalten würden.

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Selbst in der Rapmusik, die immer noch (zum Teil zurecht, zum Teil zu unrecht) am regelmäßigsten dafür kritisiert wird, ist der Sexismus auf dem Rückzug, vor allem in Deutschland. Im Gangstarap werden Frauen zwar immer noch unsäglich oft auf ihre Geschlechtsteile reduziert, im Rest des Genres zeigt aber immer mehr vor allem der Nachwuchs, dass man die nötige Sprachgewalt auch erreicht, ohne das andere Geschlecht herabzuwürdigen.

Es mag sein, dass ein bisschen Sexismus dem Rock'n'Roll und auch dem HipHop jahrzehntelang nicht geschadet hat. Wenn man diese These aber im Jahr 2015 immer noch Gültigkeit zuspricht, dann könnte man genauso gut behaupten, dass die FDP eine zeitgemäße Partei ist.

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