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Interviews

Bei Celo & Abdi ist Ehrlichkeit noch eine Tugend

Celo & Abdi zu interviewen ist genau so, wie man es sich vorstellt: sehr witzig und vollkommen wahnsinnig. Aber trotzdem immer wertvoll.

Da sitzen sie nun vor mir. 12 Uhr Mittags in einem Büro in Berlin Mitte. Abdi, links von mir auf seinem Stuhl lümmelnd, tippelt andauernd mit seinem Zeigefinger auf dem Tisch. Er sieht aus wie ein übermüdeter Spieler, der dem Blackjack-Dealer aufs Maul hauen will. Celo allerdings sitzt aufrecht, die Hände über dem Tisch ausgestreckt. Auch er sieht müde aus, aber er lässt es sich nichts anmerken.

An dieser Stelle sollte ich erwähnen, dass ich ein riesengroßer Celo & Abdi-Fan bin. Wäre ich einfach nur als solcher da, würde ich sie buchstäblich fragen, warum ihr Debütalbum Hinterhofjargon so gut war. Dann würde ich meine Lieblingssongs nacheinander aufzählen (1. „Hektiks“, 2. „Über Wasser halten“, 3. „Durchsuchungsbefehl“, 4. „Besuchstag“, 5.„Frauen“). Einfach nur um es ihnen zu sagen! Ein solch groupiehaftes Verhalten sollte man als Interviewer definitiv nicht an den Tag legen, daher reiße ich mich zusammen.

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Aber es fällt mir schwer. Denn Celo & Abdi kann man nur ins Herz schließen. Der Aufstieg von Päckchen tickenden Callcenter-Mitarbeitern bis zu einer der beliebtesten Rap-Kombos Deutschraps hat untrennbar mit ihren Persönlichkeiten zu tun. Beide sind sympatische Rampensäue mit Entertainer-Qualitäten, die sie auf YouTube zuhauf darbieten. Doch sie entsprechen nicht typischen Straßenrapklischee, weil sie eben einen authentischen Einblick in das Milieu, ehrlich und ohne Glorifizierung, geben. Einfach gute Typen, die noch dazu ein unglaublich gutes musikalisches Verständnis haben.

Leider sind die Vorzeichen genau zwei Jahre nach Hinterhofjargon ganz andere. Celo & Abdi geht es super im Moment, es müssen weder Durchsuchungsbefehle befürchtet noch Besuchstage eingeplant werden. Die klassische Straßenrapzwickmühle, der sich die beiden auf ihrem Zweitling Akupunktur bewusst sind. Statt den Everday-Hustle nachzuerzählen, berichten sie mittlerweile auch vom Good Life—und das auf Beats, die sogar Rick Ross nicht verschmähen würde. Ehrlichkeit bleibt also weiterhin die Tugend.

Abdi, in einer Zeile auf dem Album rappst du „Wolfskin Jack“. Das frage ich mich immer in der U-Bahn, wenn ich sie sehe: Warum tragen so viele ausländische Jugendliche Jack Wolfskin-Jacken?
Abdi: Weil die Kriminalpolizei immer diese Jacken angezogen hat. Wir kopieren den Style der Kripos und die kopieren unseren Style. Das ist ein Hin und Her wie beim Tischtennis. Dafür tragen Kripos auch Nike Frees.

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Sind Hipster eigentlich die besten Kunden, wenn es um Rauschgift geht?
Das stimmt nicht, Homosexuelle sind die besten Kunden. Homosexuelle lieben Drogen, sie kaufen viel und zahlen immer im Voraus. Hipster sind aber auch gute Kunden, die mögen es, wenn man sie freundlich behandelt. Und man freut sich, dass die nicht diskutieren, dass man noch 0,2 Gramm mehr reinpacken soll. Das habe ich so gehört, ich bin ja kein Dealer, ich bin Künstler, ich verkaufe nur Texte.

Woran liegt das, dass Hipster eure Musik mögen?
Celo: Ich finde es super. Obwohl wir Musik für die Straße machen, hört uns auch ein ganz anderes Klientel. Das hat auch was mit uns als Typen zu tun. Wir sind keine primitiven Neandertaler. Was sehr entscheiden ist, wir haben Verständnis für andere.
Abdi: Wir sind keine Tyrannen. Wir sind doch nette Typen, oder nicht?

Ja, schon.
Siehst du. Ich glaube auch, dass wir mit dem Yolo-Song bewiesen haben, dass wir frei von Vorurteilen sind, obwohl wir ja immer von Vorurteilen geplagt gewesen waren. Man hätte jetzt den Spieß umdrehen können, vom Jäger zum Gejagten. Aber das wäre einfach sinnlos. Ich habe als Kind keine Stifte in den Arsch bekommen, warum sollte ich mich jetzt aufregen.

Habt ihr euch mit Moritz Bleibtreus Filmen auseinandergesetzt, bevor ihr ihn auf Twitter wegen „Nur noch 60 Sekunden“ angeschrieben habt?
Abdi: Wir sind natürlich mit seinen Filmen aufgewachsen. Chiko, Lammbock, Knockin on Heavens Door.
Celo: Er macht Filme, die Straße sind, die ich mir als Jugendlicher anschauen will.

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Ist Moritz Bleibtreu auch ein Azzlack?
Er ist definitiv ein Azzlack, aber einer mit bon tone. Er ist sehr höflich und artikuliert sich sehr bewusst.

In dem 16bars-Interview zum Videodreh sagt er, dass „die Linksintelektuellen und Feuilletons euch endlich mal verstehen sollten“. Was, glaubt ihr, hat er damit gemeint?
Er meint damit unsere Kunst, die dahintersteckt. Bei uns würde man im ersten Moment gar nicht glauben, dass wir Musiker sind, aber wir machen Kunst auf hohem Niveau—alleine schon durch unsere Aussprache oder die Bilder, die wir mit unseren Texten hinterlassen. Wir sind nicht nur irgendwelche Asis, die dir zeigen können, wie man Gras verpackt. Wir sind moderne Dichter.

Warum verstehen diese Leute euch nicht?
Wir berichten ja aus einer Halbwelt. Die meisten Redakteure kennen diese nur aus Filmen, die haben keinen Bezug dazu und nehmen es nicht ernst. Natürlich, weil die mit dieser Welt nicht konfrontiert werden, ein gutes Leben haben und sich denken: Das ist Abschaum, der gehört nicht in einen kulturellen Zweig. Unser Jargon ist ja auch härter und die Geschichten dreckiger.

Ich bin immer noch sehr erstaunt darüber, wie entgegengesetzt euer lustiges Auftreten in der Öffentlichkeit zu euren sehr ernsten Texten steht.
Abdi: Sollen wir den ganzen Tag Abturn schieben? Wir sehen einfach das Positive. So schlimm ist unsere Halbwelt jetzt auch nicht, nur gewöhnungsbedürftig. Man kann sein Leben dementsprechend gestalten, dass es trotzdem ganz schön ist.

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Trotzdem berichtet ihr immer wieder aus dieser Halbwelt.
Es ist ja nicht so, dass es keine Abturn-Themen gäbe, wie wenn ich zum Beispiel ausziehen muss, weil die Miete immer teurer wird. Aber trotzdem lacht man. Man muss ja lachen. Oder soll ich jetzt heulen?

Wie würdet ihr dieses zwiespältige Verhältnis zu eurer Halbwelt beschreiben?
Wir kennen es nicht anders. Wenn man was anderes sieht, gefällt es einem doch nicht so sehr.
Celo: Es ist nicht so, dass man das krass mag, aber es ist, wie es ist. Du hattest ja auch keine große Wahl. Es gibt Ausnahmen wie uns, die den Sprung schaffen. Trotzdem hätte ich das nicht gedacht, als ich vor vier Jahren noch Päckchen verpackt habe, dass ich plötzlich in so einem schönen Raum sitzen werde und Interviews führe.
Abdi: (lacht) Mit Vitaminwater und Flotte Biene Honig von Langnese auf dem Tisch.
Celo: Ich kenne nicht mal Leute, die das zuhause haben. (lacht) Trotzdem schauen wir weiterhin, wo wir herkommen und werden diese Themen immer behandeln.

Storytelling ist euch immer noch sehr wichtig?
Abdi: Das ist der Weg zum Non Plus Ultra. Wir schärfen ja auch unsere Skills dadurch. „Fick deine Mutter, ich bin der Baba und du nicht“-Texte kann jeder schreiben.

Wie erzählt man im Rap eine gute Geschichte?
Du zerbrichst dir erst einmal tagelang den Kopf, um zu wissen, was du überhaupt sagen willst. Dann recherchierst du und versuchst, als Laie die wichtigsten Dinge wie zum Beispiel über die Siedlungspolitik herauszufinden. Du kannst nicht über etwas reden, wovon du keinen Plan hast. Deswegen musst du einen Crash-Kurs machen, dir das Know-How draufschaffen und dann verbindest du es mit eigenen Impressionen und Eindrücken. Und dann hast du noch die Herausforderung, es lyrisch zu verwalten.

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Interessiert ihr euch sehr für politische Themen?
Sonst würden wir nicht darüber rappen. Wir machen es aber nicht, um uns anderen überlegen zu fühlen.
Celo: Ich gucke keine Tagesschau, um darüber zu rappen. Aber jeder Mensch hat eine Meinung und wir versuchen, unsere deutlich zu machen.

Ich glaube, dass politisches Geschehen vielen auch einfach egal ist.
Das ist schade. Aber wir versuchen, auch diese Menschen anzutreiben. In unserer Hörerschaft weiß auch nicht jeder, was in der Welt abgeht, deswegen wollen wir sie auch in diese Richtung schubsen.

Deine Eltern stammen ja aus einem Land, dass sehr durch den Krieg gelitten hat. Du hast natürlich auch ein anderes Verständnis zu gesellschaftlichen Ereignissen als vielleicht die meisten Fans von euch.
Natürlich habe ich ein Interesse, mich damit auseinanderzusetzen. Jeder verfolgt ja seine Interessen, Ziele und Ideologien. Unsere Ideologien versuchen wir in den Texten wiederzubringen. Wir versuchen unsere Hörer dazu anzuregen, nachzudenken. Wir wollen, dass sie zur Schule gehen und versuchen, ihre Ziele zu erreichen. Klar erzählen wir, dass wir Drogen verkauft haben, aber wir glorifizieren das nicht, und am Ende gibt es immer einer Pointe, die dagegen spricht.

Wenn ihr auf Hinterhofjargon zurückblickt, warum ist das Album so gut angekommen?
Weil es das erste Album war. Beim ersten Album bist du befreit. Beim nächsten ist viel mehr Druck da.

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Habt ihr diesen Druck schon bei Akupunktur verspürt?
Definitiv. Man versucht sich ja zu überbieten. Durch die positiven Resonanzen, die wir auf Hinterhofjargon erhalten haben, ist das eigene Bild gegenüber dem Album dementsprechend gelenkt. Hätte jeder gesagt, dass das Album nicht gut ist, dann hätte ich es vielleicht als durchschnittlich hingenommen. Aber wenn dir jeder sagt, dass es gut ist, dann empfindest du es auch als gut. Dann verspürst du Druck, weil du das nächste Album unbedingt noch besser machen willst.
Celo: Die Messlatte war schon sehr hoch, um es zu toppen. Aber ich glaube, dass wir das dieses mal auch geschafft haben.
Abdi: Leider kann man mit einem Album nicht genug Geld verdienen, dass man nie wieder ein Neues machen muss.

Aber das ist ja kein künstlerischer Druck.
Natürlich. Aber leider musst du als Musiker das künstlerische immer mit dem wirtschaftlichen in Verbindung bringen. Als Künstler bist du ja auch immer gefordert, neue Dinge zu erschaffen. Leider ist es nicht so, dass man ein Werk raushaut. Stöff! Und jedes Jahr kaufen sich alle zu Weihnachten wieder Hinterhofjargon.

Du würdest Hinterhofjargon also für immer als einziges Album in deiner Diskographie stehen haben?
Ein paar Features und Freetracks würde ich noch machen. Aber das wäre schon cool.
Celo: Wir machen ja auch viele Features. Da geht natürlich auch viel Kreativität drauf. Aber so ist das immer mit dem zweiten Album. Die Leute schauen ganz genau drauf, ob es so gut wie das erste ist. Da kann man gar nichts gegen machen.

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Wie habt ihr versucht, das zweite Album mindestens genauso gut zu machen?
Abdi: Durch Kreativität. Wir haben viel ausprobiert.

Habt ihr die Befürchtung, dass eure Fans das nicht akzeptieren wollen?
Celo: Es ist schwierig, wir sind nicht in Amerika. Neu erfinden, schön und gut, aber wir haben haben eine Klientel, die bedient werden will. Die darf man natürlich auch nicht vor den Kopf stoßen.

Celo & Abdi's Akupunktur erscheint am 30. Mai bei Azzlacks (Groove Attack). Bestellt euch hier die Limited Box Edition, CD oder den Download vor.

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