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Hört auf, es als „mutig“ zu bezeichnen, wenn sich Künstlerinnen gegen Sexismus wehren

Stars, die sich dafür verteidigen, dass sie nicht den 08/15-Schönheitsstandards entsprechen, „mutig“ zu nennen, ist das Rückständigste und Oberflächlichste, was wir im Namen eines positiven Körperbildes tun können.

Had a new shoot come out today and was shocked when I found my 19 year old hips and torso quite manipulated. These are the things that make women self conscious, that create the unrealistic ideals of beauty that we have. Anyone who knows who I am knows I stand for honest and pure self love. So I took it upon myself to release the real pic (right side) and I love it Thank you @modelistemagazine for pulling down the images and fixing this retouch issue.

Ein von Zendaya (@zendaya) gepostetes Foto am 20. Okt 2015 um 19:49 Uhr

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Was ist „Mut“? Oder was ist „Mut“ im Sinne einer Sara Bareilles? „Mut“ ist ein Wort, von dem im Bereich Popmusik und in den Medien, die über Popmusiker berichten, nur zu gerne Gebrauch gemacht wird—besonders bei Frauen, die für ihr Aussehen kritisiert wurden und sich daraufhin in der Öffentlichkeit körperpositiv äußerten. Das ist jedoch eine viel zu kurz greifende und sehr problematische Auffassung von Mut und eine, die sehr genau verrät, wie die herrschende Konsumkultur Schönheit über, sagen wir, hart erarbeitete Leistungen stellt.

Es ist heutzutage nichts Ungewöhnliches für Künstlerinnen, tagtäglich mit rücksichtslosen und verletzenden Kommentaren über ihr Aussehen bombardiert zu werden. Offensichtlich ist das unausweichlich. Letztes Jahr wurden Musikerinnen wie Zendaya und Demi Lovato von Internet-Trollen wegen ihrer Figuren gemobbt und ihre Reaktionen darauf waren jeweils sehr direkt und deutlich. Als Zendaya im Oktober letzten Jahres aus unerfindlichen Gründen für das Cover des Magazins Modeliste dünner retuschiert worden war, machte sie das Vorgehen des Magazins sofort bei Instagram öffentlich, postete die originalen und unretuschierten Fotos und schrieb dazu: „Das sind die Dinge, die Frauen unsicher machen, die unsere unrealistischen Schönheitsideale erschaffen. Jeder, der mich kennt weiß, dass ich für aufrichtige und reine Selbstliebe stehe.“ Auf ihr Geheiß wurde die Ausgabe zurückgezogen. Das Allure-Magazin lobte ihr Vorgehen danach als „so inspirierend“ und „einfach nur mutig“. Demi Lovato, die mit ihrem Körperbild zu kämpfen hatte (und wegen einer Essstörung in Behandlung war, was ich hier nicht herunterspielen möchte), war ebenfalls zum Ziel von Social-Media-Trollen geworden, die sie neben anderen Dingen als „Fatty“ bezeichneten. Als Antwort darauf ermutigte sie ihre Fans dazu, mit „Liebe und Positivität“ gegen den Hass anzukämpfen, woraufhin dann ein lauthals im Vorhinein als Make-Up-freies und unretuschiert angekündigtes Fotoshooting für Vanity Fair mit Nacktaufnahmen folgte—ein Schachzug, der ebenfalls umgehend von diversen Magazinen wie dem Stuff als „mutig“ gelobt wurde. Wohl als Hommage an ihre Tapferkeit nannte sie ihre neueste Platte dann direkt mal Confident. Auch andere junge Stars wie Selena Gomez, Ariana Grande und Miley Cyrus sehen sich hinsichtlich ihres Aussehen den gleichen Anfeindungen ausgesetzt und sie alle werden von ihren Fans und den Medien einhellig dafür unterstützt, dass sie sich gegen die Lästermäuler zur Wehr setzen.

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WHAT'S WRONG WITH BEING CONFIDENT? #vanityfair #CONFIDENT

Ein von Demi Lovato (@ddlovato) gepostetes Foto am 3. Okt 2015 um 20:05 Uhr

Dass Body Shaming widerlich ist, braucht hier nicht weiter diskutiert zu werden. Es ist in keiner Weise akzeptabel, abfällige Dinge über den Körper einer Frau zu sagen. Jede Frau ist anders. Es gibt nicht bloß ein Schönheitsideal und genau so wenig gibt es nur einen Richter darüber, was attraktiv ist und was nicht. Das Problem bei der ganzen Sache ist viel mehr die Verwendung des Wortes „Mut“, das immer wieder im Zusammenhang mit Promis fällt, die sich körperpositiv äußern. Tatsächlich ist die Verwendung des Wortes „Mut“ im Zusammenhang mit weiblichen Stars, die sich gegen Body Shaming aussprechen oder „Kurven rocken“ in dem Vokabular allgegenwärtig, mit dem weibliche Celebritys—und Frauen allgemein—reduziert werden, die vielleicht nicht in das Victoria’s Secret Schönheitsklischee passen. Es suggeriert, dass das äußerliche Erscheinungsbild die allergrößte Sorge ist, die Frauen umtreibt.

Gleichzeitig erweist die Verwendung des Wortes „Mut“ in diesem Kontext dem Streben nach einem positiven Körperbild einen Bärendienst. Es lässt die ganze Body-Positivity-Bewegung ziemlich lahm aussehen, wenn besagte „kurvige“ Frauen eigentlich alle eher in Richtung einer zierlichen Kleidergröße 34 tendieren. Das soll jetzt allerdings nicht den Wert der gemeinnützigen Arbeit schmälern, die diese Frauen im Bereich der Body-Positivity bewerkstelligen (Zendaya hat sich selbst diversen Wohltätigkeitsorganisationen verpflichtet und Lovato setzt sich energisch gegen Mobbing ein), weil diese immer noch wichtig und generell lobenswert ist. Die Aufmerksamkeit, die dünnen und schönen Frauen in den Medien geschenkt wird, wenn sie unangenehmen Zeitgenossen eine Absage dafür erteilen, „fett“ oder „kurvig“ genannt zu werden, untergräbt jedoch, was es wirklich heißt, von der Gesellschaft bewertet, herabgesetzt und beschimpft zu werden, weil man „fett“ oder „kurvig“ ist. Der persönliche Blickwinkel ist natürlich immer sehr subjektiv und ich möchte deswegen auch nicht abstreiten, dass es sich selbst eine gutaussehende, reiche und weltberühmte Frau zu Herzen nimmt, wenn sie als fett beschimpft oder ihr Körper auf Bildern bis zur Unkenntlichkeit retuschiert wird. Sie sollte aber auch über ausreichend Außenperspektive verfügen, um in Betracht zu ziehen, dass ihre öffentliche und von allen Seiten beklatschte Entscheidung, ihre „Kurven“ zu feiern, für Millionen normale, durchschnittliche, beleibte oder dicke Frauen die generelle Wahrnehmung darüber verzerrt, was es eigentlich bedeutet „kurvig“ zu sein.

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Die Vorstellung, dass diese Frauen „mutig“ sind, weil sie sich gegen Body-Shaming aussprechen, spielt nur weiter in die Vorstellung, dass Frauen in der Öffentlichkeit etwas haben, wofür sie sich rechtfertigen müssen. Dadurch, dass ihre frechen Antworten an die Hater gefeiert werden, unterstützt man—selbst wenn es auf der einen Seite Aufmerksamkeit für das Problem schafft—in erster Linie die Vorstellung, dass eine Frau ihre Existenz rechtfertigen muss. Wenn sie dann noch etwas von der Norm abweicht, braucht sie erst recht eine gute Rechtfertigung dafür. Des Weiteren schwingt dabei auch noch die Annahme mit, dass Frauen so infantil sind, dass sie dafür belohnt werden müssen, wenn sie die einfache Feststellung machen, dass es falsch ist, gegenüber seinen Mitmenschen ein derartig hässliches Verhalten an den Tag zu legen. Frau auch schlau, Frau kann große Worte, Frau mag nicht, wenn du sie Fetti nennst. Wirklich. Wir sollten auf eine Welt hinarbeiten, in der Frauenkörper nicht Freiwild sind, nicht zur Debatte stehen und in der Frauen keinen Dinostempel dafür bekommen, wenn sie nichts weiter tun, als gesunden Menschenverstand zu beweisen, indem sie sich gegen Ungerechtigkeiten aussprechen.

This picture makes me feel so many mixed emotions.. I remember the day I wore the dress in the very first picture. I remember asking for spanx to flatten my stomach because I use to feel so heavy and "fat". Now looking at this picture, you can clearly see my hip bones. It makes me sad because I wasted so many years ashamed of my body when I could've been living the happy and healthy life I live today. It TRULY just goes to show you that your perceptions can lie to you. OR they can make you learn to enjoy life. Fortunately looking at the picture of myself in the red dress yesterday, I not only feel so grateful for the love and support I've had from fans, friends and family, but… I also feel.. beautiful. I'm so excited to live my life the way I deserve to and to the complete fullest. Thank you guys once again.. I'm so thankful for my Lovatics. I love you… And never forget that staying strong is worth it. ❤️

Ein von Demi Lovato (@ddlovato) gepostetes Foto am 25. Aug 2014 um 13:43 Uhr

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Der Haken an der ganzen Sache ist jedoch, dass indem man diese Body Shamer zur Rede stellt, besagtes Verhalten indirekt akzeptabel erscheint. Auf einer Seite sendet das Einstehen für sich selbst der Stars die Message, dass Body Shaming und diese ständige Sexualisierung nicht toleriert wird. Leider legitimiert es andererseits auch diese Kritiken und reichert den Boulevard-Nachrichtenkreislauf weiter mit köperzentrierten Diskussionen an, die alle mit in die Annahme spielen, dass eine Frau nichts weiter, als die Summe ihrer Fettpölsterchen ist, statt und ihren beruflichen Output anzuerkennen. Ich glaube, dass es wichtig ist, nicht auf die Köder der Body Shamer anzuspringen, und diese als schlichtweg überflüssig abgetan werden könnten, wenn man einfach die Richtung des Diskurses ändert. Anstatt sich explizit in irgendwelchen Social-Media-Kampagnen zu rechtfertigen, sollten diese Frauen einfach sagen: „Ich werde das nicht mit einer Antwort würdigen (seien wir mal ehrlich, das haben wir doch alle schon in der Schule gelernt), hier ist stattdessen eine lustige oder spannende Anekdote über meine Arbeit.“

Ich verstehe durchaus, warum wir gerne Frauen dafür feiern wollen, dass sie sich in der Öffentlichkeit gegen Body Shaming stark machen. Manchmal haben wir das Gefühl, dass sie auch für uns sprechen, und wenn wir dann über die eklatanten Unterschiede zwischen ihrer Haut und unserer hinwegsehen, fühlen wir uns von ihrer Message geeint. Wir alle fühlen uns komisch, wir alle fühlen uns hässlich und wir alle fühlen uns ständig bewertet. Wenn sie „nein“ sagen—„nein“ zum sich komisch fühlen, „nein“ zum sich hässlich fühlen und „nein“ zum bewertet werden. Sie sagen dieses „nein“ dann auch stellvertretend für uns. Stars dienten immer schon als Projektionsfläche. Sie in diesem Kontext als „mutig“ zu bezeichnen, ist aber schon sehr weit aus dem Fenster gelehnt und zeugt von fehlgeleiteten Ansprüchen. Sie sind vielleicht „aufrüttelnd“. Vielleicht sind sie „tröstend“. Vielleicht sind sie „geradeheraus“, „wortgewandt“, „frech“ oder „selbstbewusst“.

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Frauen, die sich dafür verteidigen, dass sie nicht den idealisierten, heteronormativen 08/15-Schönheitsstandards entsprechen, als „mutig“ zu bezeichnen, ist das wohl Rückständigste und Oberflächlichste, was wir im Namen eines positiven Körperbildes tun können. Anstatt Stars dafür zu beklatschen, wenn sie sich gegen Body Shaming auflehnen, sollten wir Frauen dazu ermuntern, alle zu ignorieren, die nur darauf aus sind, sie für die Haut anzugreifen, in der sie stecken. Die Figur einer Frau sollte nie zur Debatte stehen. Kritisiert ruhig ihren Charakter, wenn sie etwas Illegales oder Unethisches getan hat. Diskutiert ihre Diskografie oder schreibt ausufernde Artikel über ihre neuste Platte … Aber egal, was ihr tut, lasst ihren Körper da raus. Frauen haben das Recht, so zu existieren, wie sie sind, ohne sich für ihre Anatomie rechtfertigen oder gar entschuldigen zu müssen. Wir sind mehr als bloß der Umfang unserer Hüften und Schenkel. Sobald wir das als Kultur endlich akzeptieren, und sobald wir eine Welt erschaffen haben, in der Frauen für ihre Arbeit und nicht für ihre Schönheit gefeiert werden, dann brauchen wir diese Stars vielleicht auch nicht mehr „mutig“ zu nennen.

Thumbnail: Screenshot von Demi Lovatos Instagram

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