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Yung Hurn sagt alles ab

Nicht nur Moneyboy und die Glo Up Dinero Gang sind dieser Tage am Moven. Auch Yung Hurn zelebriert den Turn Up in Reinform.

Von wegen „einziges Movement, das am Moven“ ist: Natürlich ist die Glo Up Dinero Gang nicht die einzige Crew, die 1 gutes Verständnis davon hat, dass der Turn Up real ist. Auch hier in Österreich ist gerade einiges am Moven und einer sticht dabei besonders heraus. Gestatten: Yung Hurn.

Was bis vor Kurzem noch ein Insider für Swag-Jünger mit viel Erfahrung war, ist binnen Wochen eine Art Ding geworden in dieser (noch) kuschelig kleinen Blase ohne Namen, in der einige der spannendsten Musiker der hiesigen Rap-Szene unterwegs sind. Erst gab es auf dem Youtube-Kanal der Salzburger Vorwärtsdenker vom HVNUSCHPLVTZFLOW ein Stück namens „Wiener Linien“, produziert von Lex Lugner. Die gleichnamige Ep erschien am 22. Juni auf Bandcamp, und ließ einen mit offen stehendem Mund und leuchtenden Augen zurück. Alle drei Stücke funktionieren nach dem gleichen Prinzip, deshalb sei hier veranschaulicht, wie man als aufgeschlossener Hörer auf Wiener Linien reagieren könnte: „Was sagt der da? Was will der? Wann kommen die Reime? Was soll das? Sagt der da ‚Alaba, Alaba‘? Wie? Schon vorbei?“

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Der Song wirft mehr Fragen auf, als er beantwortet. Selbst wenn man den Song fünf- bis einhundertmal hört, wird man nicht schlau daraus. Man versteht, dass Yung Hurn scheinbar irgendwas an David Alaba findet und nicht gerne U-Bahn-Tickets kauft: „Ich hab' kein Schein, nur Geldschein!“

Quasi parallel dazu tauchte der Bursche mit blondierter Tolle an der Seite von Crack Ignaz in dessen Video zu „Gwalla“ als Turnt Up-Ticker-Junge auf und dann, immer noch im Juni, (wiederum ohne gefärbte Haare) in einem Video, dass man mit Fug und Recht einen Instant-Gassenhauer schimpfen kann. „Nein“, ist ebenfalls eine kurz und knapp ausformulierte Beschreibung der eigenen Lebenseinstellung: „Er fragt mich: Hast du noch bisschen Weed…und ich sag: nein! Er fragt: Brudi hast du was zum Ziehen…und ich sag: nein! Er fragt: Dicker, bist du aus Berlin…und ich sag: nein! Sie fragt: Oida, willst du mit mir chilln…und ich sag: nein! Nein, nein, nein, und ich sag, nein, nein, nein, und ich sag: nein, nein, nein, nein und ich sag: nein, nein, nein, nein, ich hab' keine Zeit!“

Das war's. Mehr Text liefert Yung Hurn (der übrigens auch Teil der Berg Money Gang ist) uns nicht. Ob das da zwischen den ganzen „Neins“ wirklich Strophe geschimpft werden darf? Irrelevant, genauso wie die Frage nach den Reimen. Die verstrahlte, ignorante, gelangweilte Vortragsweise sagt ohnehin schon mehr als manch akkurat gesetzte Reimkette: Yung Hurn hat halt keinen Bock, auf nichts. Im Video fröhnen Hurn und seine Freunde—um die vielen Neins zu untermalen—ausgiebig dem ausschweifenden Leben: Schnapps, Weed, Ecstasy und weiße Linien. Nicht weit hergeholt scheint da der Gedanke, den Song als Abgesang auf die Wünsche, die die Gesellschaft an uns junge Menschen stellt, zu begreifen. „Nein“ also als „Sag alles ab“ der Generation Moneyboy? Das sollen in einigen Monaten die Feuilleton-Journalisten unter sich ausmachen.

Yung Hurn arbeitet derweil fleißig weiter an seiner Dekonstruktion dieses Etwas, dass wir etwas unbeholfen mal Cloud-Rap, mal Swagger-Rap, mal Post-Trap nennen. Gestern erschien endlich (also nicht mal einen Monat nach der Wiener Linien EP) sein erstes Projekt mit LP-Länge: 22. Darauf finden sich erwartungsgemäß noch weit mehr Perlen der minimalistischen Songschreiber-Kunst. Die Musik von Yung Hurn an ihrer lyrischen Finesse und Ähnlichem zu messen führt hier direkt ins Aus. Wer jedoch bereit ist, sich auf einen Trip zu begeben, der nicht ohne Irritationen, Highs und Downer auskommt, der wird irgendwann von dieser Musik aufgesogen. Von Dreistem wie „Ich leck die Bitch wie ein Hund—wuff, wuff“ bis zu scheinbar Reflektiertem à la „Mama, ich mach alles wieder gut“ reicht die inhaltliche Bandbreite des selbsternannten Hurn-Kindes. Noch dazu klang bisher kaum ein Album aus der deutschsprachigen Based World so vertrippt und vielseitig wie 22, das alleine durch seine Beats Emotionen kreiert. Mal abgesehen davon gibt es nichts Besseres als dieses Album/ Mixtape, wenn man seinen großen Bruder—sicherlich einer jener HipHop-Opas, die ständig von der goldenen Ära reden—so richtig auf die Palme bringen möchte.

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