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Interviews

„Das ist die assigste Ecke, mit den meisten Wummen“—Milonair zeigt euch sein Hamburg

Weil die Azzlackz aus Frankfurt stammen, vergisst man schnell, dass Milonair Vollblut-Hamburger ist. Im Track-By-Track-Interview zum neuem Album „Milominati“, nimmt er euch mit auf Tour durch seine Stadt.

„Bleib mal locker Lan, lass mal die Babas ran“—Mit dieser goldenen Zeile, die uns zum ersten Mal auf dem Remix von Haftbefehls „Chabos … “ zu Ohren kam, hat sich Milonair vor vier Jahren ins Spiel gebracht. Seitdem lebt Milad Mirza Nejad das, was man zusammenfassend wohl als grundsolide Strassenrapper-Karriere bezeichnen könnte. Debütalbum 2014, eine Menge Feature-Tracks und Reisen quer durchs Land an der Seite von Haftbefehl. Saus und Braus, Kohle, Rolex, AMG.

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Doch irgendwie hatte man bei Milonair immer das Gefühl, dass dieses Leben gar nicht mal so neu für ihn war. Er hatte all das und mehr schon gesehen, die Rap-Verpackung kam erst später drumherum. Milonair ist nicht erst straße seit er rappt, soviel sollte klar sein. Er war schon immer durch und durch Teil der Straßen Hamburgs und hat von vornherein klargemacht, dass ihm hier besser niemand etwas vormachen sollte. Dass er Vollblut-Hamburger ist, vergisst man jedoch schnell mal—die Azzlackz sind in unseren Köpfen nun mal eine komplette FFM-Veranstaltung.

Grund genug, mit Milonair mal das dicke, fette Hamburg-Interview zu führen. Aber nicht einfach so. Wir sind mit ihm quer durch die Hamburger Stadtkarte spaziert, als Wegweiser dienten die Songtitel seines neuen Albums Milominati (VÖ: 20. Mai). Freut euch also schon mal auf euren nächsten Hamburg-Besuch—ihr werdet die Stadt mit anderen Augen sehen.

Noisey:

Wir steigen mal direkt über den Albumtitel ein. Wo in Hamburg würdest du am ehesten echte Illuminati vermuten?

Milonair:

Gänsemarkt

, da ist das Logenhaus—Freimaurer. Da treiben sich auf jeden Fall die meisten rum.

Schon welche kennengelernt?
Ja, ich hab auch ein paar Freunde, die da ein paar Ränge haben und da rumhängen.

Lass uns allgemein noch mal kurz über den Albumtitel sprechen. Das ganze Illuminati-Ding, Secret Handshake und Jay Z, der auch dazugehören soll. Da gibt es ja alle möglichen, alten Theorien. Wieso jetzt nochmal dieses Thema?
Also zuerst mal, Jay Z ist ein Teufelsanbeter. Ich kam aber auf den Albumtitel, weil ich mich distanzieren wollte von den Illuminaten. Deswegen habe ich den Namen Milominati gewählt. Um zu sagen, dass wir auch eine Bewegung sind, die Milominaten, die Multimilonaire. Die Basis ist also eine Distanzierung gegenüber diesen Menschen.

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Du bist aber schon wirklich überzeugt, dass es diese Menschen in dieser Form gibt und dass sie tatsächlich so einen großen Einfluss haben, wie ihnen nachgesagt wird?
Natürlich. Die ganzen Amtsträger in den USA, das sind alles Illuminaten. George Bush, Bill Clinton, Bush Senior. Jeder, den du kennst—Jay Z. Amtsträger, die die Chefs von den ganzen Milliarden-Unternehmen sind. Da gibt es auch tausende Dokumentationen drüber, wo sie zum Beispiel eine Holzskulptur verbrennen im Wald im Bohemian Grove … Also, die gibt es auf jeden Fall, da mach dir mal keine Sorgen. OK, mach ich nicht. Gehen wir mal durch die Trackliste: „Fake Rap“. Wo aus Hamburg kommt am ehesten Fake Rap her?
Da muss ich mir mal kurz die Karte angucken. OK, Wandsbek.

Wer kommt denn aus Wandsbek?
Das wissen diejenigen, also derjenige schon. Das sind einfach abolute Blender.

Nächster Track: „Ghettoliebe“. Gibt es in Hamburg ein Ghetto und wie sieht Ghettoliebe dort aus?
Ghettoliebe gibt es natürlich von Bergedorf bis Steilshop, von Wandsbek bis Billstedt, von Mümmelmannsberg bis Innenstadt. Ghettoliebe wird bei uns in diversen Treppenhäusern und Kellern produziert. Ja, gibt’s auf jeden Fall in Hamburg. Es gibt natürlich auch die Art von Ghettoliebe, wo ein dunkles Zimmer ist auf ner Hausparty und da liegt ne Alte drin, und der Erste knallt sie, der Zweite knallt sie, der Dritte knallt sie und so weiter. Und am nächsten Tag kommt sie dann nur zum Ersten und sagt, „Ey, ich bin schwanger, nur du hast mich geknallt!“ [lacht].

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„Gruppensieg“. Da fällt mir bezogen auf Hamburg eigentlich auch nur Fußball ein. Ich hatte als gebürtiger Hamburger immer ein Fußball-Problem. St. Pauli hat mich nicht interessiert, weil immer schlecht gespielt, HSV-Fans waren meistens die krassen Spießer auf meiner Schule. [Milonair schießt mir einen harten, prüfenden Blick rüber. Stimmt, er ist HSV-Fan.]

Sagen wir mal so, du bist ja selber in Hamburg aufgewachsen … Also wenn du irgendwo im Urlaub bist und da kommt ein Typ zu dir und sagt, „Hey, you come from Germany. Where do you come from?“, dann sagst du ja auch, dass du aus Hamburg bist. Natürlich ist deswegen auch der HSV mein Verein! Weil ich ein Hamburger Junge bin. Und die Leute, die sich mit

St. Pauli

identifizieren, obwohl sie nicht aus St. Pauli kommen, sind in meinen Augen irgendwo nur peinlich. Die versuchen, auf so einen Mini-Mega-Zeckenhype zu springen. Wenn du also aus St. Pauli kommst und das dem Typen im Urlaub so sagst, alles cool. Wenn du aber woanders herkommst und dann so tust, als wärst du St. Paulianer—Ja dann, bitteschön. Viel Spaß mit deinem Astra in der Fankurve. Aber ich bin wie gesagt Hamburger Junge und unterstütze meinen Verein. Ich hab mir die Raute auch tätowieren lassen.

Nächster Track: „High & Rolle“. Wenn ich von Hamburg keinen Plan hätte, wo könnte ich am ungestörtesten in der Öffentlichkeit high werden? Kann ich mich immer noch einfach an die Elbe setzen und gut?
Mittlerweile nicht mehr. Wenn du am Wasser unten sitzt und deinen Joint rauchst, dann ist die Schmiere direkt da. Mittlerweile laufen da so viele Zivis rum, auch weil so viele Flüchtlinge und Taschendiebe da sind. Aber am Wasser high werden kannst du immer noch in Bergedorf am Deich. Deichkind kommen ja auch aus unserer Ecke da. Oder in Övelgönne. Aber da ist auch so viel Wind und so kalt, da brennt dir der Joint direkt von alleine runter. Muss schon ein ruhiger Ort sein. Von daher würde ich defintiv sagen Bergedorf, unten am Deich. Kiffst du überhaupt?

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Nein.
Das war aber ein distanziertes Nein.

Nee, nur ein direktes. Wenn ich es mit Alkohol mische, wird mir schlecht. Wenn nicht, merke ich gar nichts oder werde viel zu platt und krieg’ gar nichts mehr hin.

Ich geb dir mal’n Tipp: Kauf dir für 100 Euro Obst, Süßigkeiten, Trinken, mach nen geilen Film an, bau dir nen Joint. Dann machst du ihn an, ziehst ein Mal und dann legst du ihn direkt wieder hin. Dann guckst du erstmal den Film, und wenn du dann merkst, ist zu wenig, nochmal einen Zug. Nicht 20 Mal ziehen. Schön langsam. Dann wirst du auch diesen Film nicht haben. Aber du musst immer Obst und Zucker im Blut haben und entspannt sein. Es gibt halt Kiffen im Junkie-Modus—hältst nen Zahnstocher-Joint in die Kamera und kleine Kinder feiern das—oder du bist eben Kiffer mit Stil.

Als nächstes haben wir „Hungrig“ auf der Liste. Wo geht Milonair in Hamburg was essen, wenn er richtig Hunger hat?
Ganz klar Halal am Steindamm. Sonst natürlich auch die anderen Restaurants—Tarantella, wo wir auch oft essen gehen. Aber wir bleiben mal auf der Kanacken-Schiene. Wenn ich mich also direkt entscheiden müsste, würde ich Steindamm sagen.

„Ihr habt es so gewollt“. Könnte man jetzt auch mal kurz auf Hamburg beziehen. Du, 187, Nate—ihr habt alle dafür gesorgt, dass die Leute gesagt haben, jawoll, endlich ist Hamburg wieder auf der Karte. Interessiert dich das ganze stadtbezogene Gerede überhaupt?
Zuerst einmal: Wir halten auf jeden Fall Hamburgs Fahne hoch. Und es gibt auch keinen Hate gegenüber 187 oder Nate—alles cool. Aber der Song ist vor allem drauf bezogen, dass viele Deutschrapper sich mit Federn schmücken von anderen Menschen, die wirklich auf der Straße gehustlet haben. Und da war das dann irgendwann so: OK, ihr habt es so gewollt, jetzt muss ich extra anfangen zu rappen, damit ihr mal seht, wie es ist, wenn ein realer Junge von der Straße rappt.

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Rick Ross ist das beste Beispiel. Als der echte Rick Ross ausm Knast gekommen ist, hat der erstmal ne Summe bei ihm aufgerufen und ist bei ihm angetanzt: „Du nimmst meinen Namen und meine Geschichte, aber du Wichser warst ein Knast-Aufseher und bist ne Blamage.“ Das ist im entferntesten Sinne damit gemeint. Man hört ja Gangsta-Rap und guckt sich so Typen und an und dann trifft man die auf irgendeiner Party und denkt sich, „Dicker, soll ich dich ficken? Du machst so eine Welle und bist so ein Dulli …“ Na ja, ihr habt es so gewollt. Jetzt sind wir halt da und bringen ein paar echte Geschichten.

„Lass mal“. Bei welchem Hamburger Stadtteil würdest du spontan sagen, nee, lass mal, geh mal weg?
Blankenese. Nee, Pöseldorf und Blankenese. Die sind halt nichts für uns und wir sind nichts für die. Kein Hate, aber wenn wir da in ein Restaurant kommen, dann ist da auf einmal Funkstille und alle fragen sich, was will der hier, was macht er hier? Ist er Zuhälter oder Drogendealer? Warum fährt er so ein Auto? Und andersrum auch. Wenn wir bei uns im Laden sitzen und so einer kommt rein, dann sofort: Ey, der Typ ist ein Bulle. Man, halb Blankenese ist denkmalgeschützt.

„Revolver glänzt“. In welchem Stadtteil gibt es die meisten Knarren?
Bergedorf, Billstedt, Mümmelmannsberg. Die sind auch alle nah beieinander. Das ist auf jeden Fall die assigste Ecke, mit den meisten Wummen. Wir hatten jetzt einen Videodreh gehabt, da kam jeder mit ner Wumme an und am Ende hatten wir dann schon zu viele Wummen. Am Ende war es den Leuten dann schon so unangenehm, dass sie gesagt haben, wir packen die gar nicht mehr ins Video. Vier, fünf Stück haben wir dann reingepackt. Die mit Schalldämpfer und die Großen mussten wir alle wegschaffen vom Drehort, weil wir schon Angst hatten, dass wir gleich gestürmt werden.

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Ihr könntet ja auch einfach Replicas nehmen. So machen’s die großen Videoproduktionsfirmen ja auch.
Ja, aber jeder, der bisschen was in der Birne hat, sieht doch, dass das fake ist. Und warum für was zahlen, was man schon hat? Ich geh doch jetzt nicht für 2000 Euro Wummen mieten. Ich geh mein Telefonbuch durch und ruf paar Leute an und sag, ey, lass mal mit den Hunden Gassi gehen. Das reicht schon. Dann wissen alle, es gibt Ärger—Hunde einpacken und kommen.

„Stillstehen“. Was ist der langweiligste Hamburger Bezirk?
Altes Land. York und so. Da steht die Welt still. Aber das Lied ist darauf bezogen, dass die Leute stillstehen müssen, bis ich mal wirklich weg bin. Ihr könnt euch jetzt nicht so entfalten, wie ihr wollt, weil ich bin noch da, ihr Wichser.

„Titanic Thompson“. Titanic, Schiffe, Hamburg, Hafen. Wie doll gehen dir die ganzen Hamburg-Klischees auf die Nerven? Von Störtebeker bis Hans Albers und Tor zur Welt?
Gar nicht! Wir sind stolz drauf, aus so einer schönen Stadt zu kommen, mit so einer kulturellen Vergangenheit. Aber ey, ich erzähl dir mal was von Titanic Thompson. Das war ein Betrüger, ein Oberzocker. Der hat die Leute ganz krass gefickt. Der Typ war der Knaller. Ein Trick: Er hat mit dir gewettet, dass er deinem Hund beibringen kann, den Stein, den er markiert und in See schmeißt, rauszuholen. Dann hat er deinem Hund erstmal den Stein gezeigt, dann ein X draufgemalt und ins Wasser geschmissen. Der Hund ist reingelaufen und hat den Stein rausgeholt. Du hast verloren. In Wahrheit hat Titanic Thompson aber am Tag vorher schon 400 Steine mit einem X markiert und versenkt. Klar, dass der Hund mit so einem Stein wieder rauskommt. Die Leute haben ihn Titanic Thompson genannt, weil er sie wie die Titanic hat untergehen lassen.

Letzte Frage: Machen dir Interviews Spaß?
Eigentlich nicht so. Weil ich glaube, dass die Leute vielleicht denken, wir blenden oder so. Von daher behalte ich lieber meinen Scheiß für mich. Aber ehrlich, dieses Interview war cool, weil du so ne schöne Hamburg-Landkarte mitgebracht hast.

Und genau diese schöne, von Milonair signierte Hamburg-Landkarte könnt ihr jetzt gewinnen. Dazu verlosen wir einen Überraschungs-Artikel aus der neuen Chabos-Kollektion. Schreibt uns einfach eine Mail an , Stichwort: Milominati.