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Die Shitlers sind die letzte Punkband, die den Backstage noch ernst nimmt

Im Backstage sitzen alle nur gelangweilt rum? Nicht beim Punk im Pott und sicher nicht wenn die Shitlers auftreten sollen.

(Anm. d. Red.: Die Shitlers haben uns gebeten, am Anfang des Artikels „VORSICHT SATIRE“ zu schreiben und alle Drogennamen in Anführungszeichen zu setzen, falls eine ihrer Muttis den Text liest. Weil wir nett sind, machen wir das natürlich auch.)

Die Shitlers sind eine Band. Das heißt, dass sie nicht nur im Studio Musik aufnehmen und proben, sondern auch auf Punkfestivals spielen. Festival bedeutet, dass viele verschiedene Bands spielen. Punk bedeutet, es handelt sich vornehmlich um Punkbands. Von allen Punkbands sind Die Shitlers die wichtigste und beste Band, deshalb spielen sie auf dem Oberhausener Festival Punk im Pott in Deutschland auch erst am Ende. Das bedeutet, dass die anderen Bands als Vorgruppen auftreten (Kotzreiz, Monsters of Liedermaching, Die Skeptiker, Die Suurbiers, Slime, Bon Jovi). Um zu illustrieren, warum ihr Verhalten im Backstagebereich des legendären Festivals eine erzählenswerte Begebenheit darstellt, fassen wir kurz die entsprechenden Ereignisse aus dem letzten Jahr zusammen.

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Das vermeintliche Fehlverhalten der Shitlers im Backstagebereich hatte erhebliches Aufsehen erregt. Das Schütten von Bier über die Köpfe etablierter Musiker und die Annexion von Backstageräumen, die noch in Benutzung waren, stießen auf wenig Gegenliebe. Beim Auftritt der Antilopen Gang um 0 Uhr betraten Mitglieder der Band die Bühne, um mit den Feinden eine Freundschaftsbierbong zu trinken. Dies wurde vehement abgelehnt, die Bierbong selbständig verzehrt. Das Drücken auf Tasten des Bühnenkeyboards wurde wenig wohlwollend aufgenommen.

Vor dem Auftritt wurde Bandmitglied Martin von Alex Schwers, dem Besitzer von Punk im Pott, in das Organisationsbüro zitiert. Zitat Martin: „Mach dir keine Gedanken, ich habe die im Griff. Du kannst mir vertrauen!“ Das besondere Vertrauen des Veranstalters in Martins Verantwortungsbewusstsein offenbarte sich hier, da seine Erscheinung dem eigentlich zuwiderlief (biernasse Haare, freier Oberkörper). Ein Mann, ein Wort. Aber egal jetzt.

Symbolfoto

(Anmerkung: Auf ausführliches Beschreiben des Alkoholkonsums wird aus Gründen der Redundanzvermeidung im weiteren größtenteils verzichtet. Für einen größeren Spannungsbogen wird das Trinkverhalten teilweise durch vielfältigen Drogenkonsum symbolisiert.)

20 Uhr: Check-In, erster „MDMA“-Konsum. Im Backstageraum treffen wir auf unsere Feinde von der Antilopen Gang. Um sie zu beeindrucken, annektieren wir innerhalb kurzer Zeit zwei Backstageräume von gerade auf der Bühne befindlichen Bands (Die Skeptiker, Monsters of Liedermaching).

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Vor die Tür gelockt vom großartigen Wetter (24°, Sonnenschein, kein Niederschlag) erkundet Tristan den Parkplatz auf eigene Faust. Seiner Lebensmittelallergie zum Trotz fährt er dabei mit dem kurz zuvor begonnen, heftigen Trinken fort. Im Laufe des Abends intensiviert er die Menge und erhöht die Geschwindigkeit.

21 Uhr: Erster Kontakt mit dem Slime-Sänger. Martin hofft, dass er ihn nicht wiedererkennt. Anhaltender Drogenkonsum lässt im Backstagebereich der Turbinenhalle banale und mitunter peinliche Dinge als hochinteressant und großartig erscheinen (Armdrücken, Entblößen, Kolja dropping hot 16).

21:30 In der Zwischenzeit erinnert sich Frank, wieviel Spaß sie im letzten Jahr mit der Klotür hatten, welche sich mit Hilfe einer Münze von außen öffnen lässt. Martin unterbricht dadurch immer wieder Toilettengänge. Die Reaktionen hierauf variieren. Während Frank sich gewohnheitsmäßig nicht besonders daran stört, trifft der jungenhafte Charme der Bochumer Punk-Ikone nicht überall auf Wertschätzung und Verständnis. Besonders ärgerlich erscheint die Sache für den Bassisten der Vorgruppe Wilde Zeiten. Er regt sich fürchterlich auf. Dadurch sorgt er für allgemeine Erheiterung.

Martin und die Klotür

22 Uhr: Der Rapper Panik Panzer hat eine neue Brille. Weitere Freunde machen ihre Aufwartung. Im Gepäck führen sie zusätzliche „Drogen“ für die Musiker und ihre Gäste („Speed“ und „Kokain“). Alle saufen. Die Gespräche werden dümmer und klüger.

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23 Uhr: Frank versucht mehrfach zu kacken, es klappt leider nicht. Im letzten Jahr hatten die Shitlers in den Künstlerbereichen der Turbinenhalle keinen leichten Stand. Etablierte Künstler wie die Terrorgruppe versuchten, die westfälischen Musiker zu maßregeln und in ihre Schranken zu weisen. Entsprechende Grenzen scheinen an diesem Abend von niemandem effektiv durchgesetzt werden zu können. Wie schon im letzten Jahr blockieren Mitglieder der Shitlers die Kreuzung der beiden Gänge im Backstagebereich mit einem fahrbaren, über-lebensgroßen Spiegel. Verschiedene Versuche, dies zu unterbinden, scheitern an der Hartnäckigkeit der Bochumer. Niemand darf vorbei. Niemand darf in Ruhe auf Toilette. Niemand darf mehr irgendwas. Alle dürfen alles.

Tristan, ein Retailer

24 Uhr: Tristan beschließt sich dem steigenden Erwartungsdruck an seine Trinkfähigkeiten zu entziehen, indem er einen Merchandise-Stand im Vorraum aufbaut. Das Bochumer Multitalent ist jetzt Textilunternehmer mit Tätigkeitsschwerpunkt im kaufmännischen Bereich: Ein Retailer. Dabei muss er jedoch aggressive Getränkeangebote abweisen. Glaubt hier eigentlich noch irgendjemand an Zufall? Der besonnene Frank mahnt die Bandmitglieder bezüglich Alkoholkonsum wiederholt zu Zurückhaltung. Zwar stellt ihr Gig auf dem Festival nicht den Höhepunkt ihrer Karriere dar, aber der Auftritt ist ein wichtiges Sprungbrett für die Jungs, denn sie haben Großes vor. Sie sind Profis, keine Amateure, die sich einfach so zum Spaß volllaufen lassen.

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Aber das Showbusiness ist ein Drecksgeschäft. Selbst deine besten Freunde warten nur darauf, dich für den geringsten Vorteil zu verraten. So auch der berühmte Punkrock-Booker Spiller. Er behauptet, den Punk verstanden zu haben. Vor diesem Hintergrund scheint er irgendwie zu der Einschätzung gelangt zu sein, Tristan habe noch nicht ausreichend getrunken.

(Exkurs: Im letzten Jahr hatte Tristan unzutreffenderweise angenommen, dass Spiller nur sein Bestes wolle, und sich seinem Einflüsterungen stets gefügt. Kurz darauf stellte er jedoch fest, dass Spiller nur nach seinen eigenen Interessen gehandelt hatte, um den aufstrebenden Bochumer Tausendsassa bloßzustellen. Hinter der väterlich-fürsorglichen Fassade des Oberhauseners verbirgt sich ein hinterhältiger Saboteur, der den Schaden anderer nicht nur billigend in Kauf nimmt, sondern mutwillig herbeiführt. Tristan kann sich nicht wehren, Spiler nutzt es aus: Er dreht ein Video.)

1 Uhr: Personen aus dem Umfeld der Band legen „Amphetamin“-Lines auf einem Toilettensitz. Doch was aus dem Kontext gerissen befremdlich erscheinen mag, offenbart seine wahre Bedeutung als Bestandteil einer Sequenz thematischer Schwerpunktsetzung im Bereich Gabber. Es wird geraucht wie ein Gabber, geredet wie ein Gabber, getanzt wie ein Gabber und „Pepp“ gezogen wie ein Gabber. „Gabber Gabber hey“ sagten ja schon die Ramones. Und Wattie von Exploited hat gesagt, Gabber ist das neue Punk. Der Sänger von Exploited ist ein kluger Mann. Wattie ist das Vorbild von Shitlers. Wattie ist wie Shitlers und die Shitlers sind wie Wattie. Und Campino. Sie sind die beste und wichtigste Band auf Punk im Pott und allgemein. So ist das nämlich.

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1.30 Uhr: Die Ereignisse überschlagen sich. Auftritt: Thorsten Lersch. Tosender Applaus [Szenenapplaus; Applaus]: Torti ist bereits besoffen. Stark! „Geil, du bist ja total besoffen“ (O-Ton Martin). Martin beginnt wahllos und unaufgefordert, CDs und Tshirts zu signieren. Eine Frau nimmt Anstoß daran, ein Wortgefecht mündet in einer zünftigen Schlägerei. Okay, das war übertrieben. „Boah, ich bestell dir bei Amazon ‘n Killer, dann kannset wieder abmachen, du Spasti“.

1.40 Uhr: Die Shitlers sind bigger than Jesus. Sie sind die beste und wichtigste Band. Des Universums. Alle Hater können sich ficken, niemand kann sie aufhalten. Gleich ist Stagetime. Die angespannte Athmosphäre ist in der (sich leerenden) Turbinenhallte mit Händen zu greifen. Zwar haben bereits 2/3 der Veranstaltungsbesucher die Halle verlassen, aber die, die verweilen, sind die treuesten und wichtigsten Fans der besten und wichtigsten Band. Außer Andreas Holz. Wo ist der eigentlich? Vielleicht kommt er nicht mehr, weil wir beim Bierschinken-Festival nicht aufgetreten sind, weil der Fö ein Uhrensohn ist. Ist er nämlich.

1.50 Uhr: Tristans Zustand verschlechtert sich zunehmend. Der Auftritt gerät in Gefahr. Spiller reibt sich die Hände (heimlich). Sein Plan scheint aufzugehen.

2 Uhr: Intervention! Ein Engel spricht zu Tristan: „Besorg dir irgendwo „Koks“, oder „Pep“, oder „Koks“, aber besser „Koks“, damit du gleich wieder klarkommst! Dieser Auftritt ist wichtig, er könnte euch weltberühmt machen. Bau jetzt keine Scheiße wie letztes Jahr!“. Tristan fügt sich der göttlichen Weisung. Torsten betritt die Szene und wirft ein Bier um. Szenenapplaus.

2.10 Uhr: In 10 Minuten ist es Zeit aufzubauen. Nervosität macht sich breit: Sind wir schon bereit für diesen Schritt? „In 10 Minuten ist Stagetime!“ mahnt Spiller. „Watt, meins‘ du mich?“ fragt Martin. Er weiß nicht, worum es geht. Oliver Thomas hat ihn in ein Gespräch über ein kompliziertes Thema verwickelt. Es geht um den Fahrplan der S3 unter den Bedingungen des Stellwerkausfalls am Mülheimer Hauptbahnhof.

2.20 Uhr: Die Shitlers bauen auf und beginnen ihren Auftritt. Der Abend endet.

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