FYI.

This story is over 5 years old.

You Need to Hear This

Mit Buraka Som Sistema auf Suche nach Weltmusik

Wenn Buraka Som Sistema nach Weltmusik suchen, gehen sie nicht ins Internet, sondern sie steigen in ein Flugzeug und finden den nächsten großen Tune in irgendeinem Slum, von dem du noch nie gehört hast.

Buraka Som Sistema sind Musik- und Kultur-Missionare. Seit fast zehn Jahren bereisen die Kuduro-Techno-Grime-Spezialisten unseren Planeten, mit dem Ziel ihr lexikalisches Wissen über ein kaum bekanntes Genres mit ihrem Publikum zu teilen. Wenn du nach Weltmusik suchst, gehst du ins Internet und findest Buraka Som Sistema. Wenn Buraka Som Sistema nach Weltmusik suchen, steigen sie in ein Flugzeug und finden den nächsten großen Tune in irgendeinem Slum, von dem du noch nie in deinem Leben gehört hast. Wie das dann im Detail aussieht, haben sie am Dienstag mit ihrem Dokumentarfilm im Berliner Lido gezeigt.

Anzeige

Lissabon ist, wenn man die Musikszene betrachtet, ein Kuhdorf. Vor allem die elektronische Musik bewegt sich hier in einem engmaschigen Netzwerk aus Beatmachern, die sich alle untereinander kennen. Buraka Som Sistema haben ihren Namen Buraka von einem kleinen Vorort aus der Provinz Amadora. Som Sistema bedeuted schlichtweg Soundsystem. „Rui und ich sind zusammen aufgewachsen. Wir sind zusammen zur Schule gegangen und so. Wir waren ziemlich schnell davon angenervt, in Bands zu spielen, die nicht richtig funktionierten. Immer fehlte ein Drummer oder sonst irgendwas. Also haben wir versucht, unsere eigene Musik zu machen, indem wir Computer benutzt haben.“ Dieser erste Schritt, mit Software zu arbeiten, hätte sie später zu ordinären DJs machen können, zu ganz normalen Resident DJs. Und trotzdem, es entstand Buraka.

Von einer Hand voll Fans, besuchten irgendwann über 500 Leute den Club, der eigentlich nur für 100 Menschen zugelassen war. „Wir machten Beats und mischten Kuduro Songs—Kalaf war damals schon unser Kumpel—und noch am selben Abend legten wir sie auf. Dann kam Conductor hinzu, der zu diesem Zeitpunkt noch zu einer anderen Band gehörte. Wir waren uns darüber bewusst, dass er Verbindugen nach Angola hatte und probierten viel aus.“ Kuduro war Mitte der 90er Jahre eine großes Ding in Portugal. Musiker wie Helder und der der selbsterklärte Kuduro-Vater Tony Amado machten Kuduro berühmt, indem sie den Sound ins Fernsehen brachten. Wie viele andere Genres, verfiel es aber eher früher als später ins Unkreative, in mainstream-lastige Radiomusik. Buraka allerdings fand Kreativität in diesem Scherbenhaufen. Er wurde zu ihrem persönlichen Punk. Ihre Experimente mit den Grundfesten des Genres offenbarten neue Strukturen. Joaos Augen fangen an zu leuchten wenn man mit ihm über die Entdeckung von BSS spricht. „Wir haben viele tolle Beats gehört, die auch von den Aphex Twins oder Warp Records hätten sein könnten. Aber die Art, wie die Beats organisiert waren, war merkwürdig. Es gab keine Sequenzen, nur eine wilde Anhäufung von Geräuschen, die richtig gute Musik ergaben.“

Anzeige

Die Musik hatte Macht. Sie hatte die Macht, die Leute dazu zu bringen, in einer noch nie dagewesenen Art und Weise ihre nackten Körper zu winden und alle bisherigen Regeln des Tanzens über den Haufen zu werfen. Und das ist keine billige Metapher. Auch diese Woche haben BSS im cool-kühlen Berlin es mit einem lässigen Fingerschnipper geschafft, sich Zuschauerinnen im BH auf die Bühne zu holen. Die Mädels haben sich einfach ausgezogen, keiner hatte sie darum gebeten, außer vielleicht die Musik.

Damals jedenfalls, als der Buraka Sound gerade begann, seine eigene Persönlichkeit zu entwickeln, wurde alles dicht gemacht. Es war einfach illegal und die Soundrevolution wurde ohne jegliche Plattform zum Abreagieren zurückgelassen. Die Crew hielt an ihrer Vision fest. „Es fühlte sich so an, als ob es alle Leute, die hier lebten, miteinander verbinden würde und jeder konnte seinen eigenen Background mit einbringen. Also wurde aus einer Clubnacht eine Band und dann ist es eskaliert.“ Natürlich war es anfangs nicht leicht, die Reaktion des Publikums einzuschätzen, genauso wenig, wie das Publikum durch das Gebiet unbekannter Musik zu führen. Aber sie sahen es als ihre Pflicht an. Langsam wuchs dann auch die Anerkennung. „Als wir das erste Mal in die Staaten kamen, waren unglaublich viele Leute da. Ich erinnere mich noch, als in San Francisco einfach ein Mädchen auf die Bühne sprang, sich das Shirt vom Leib riss und oben ohne tanzte. Oder diese lustige Nacht in London—das war ganz am Anfang unserer Karriere—da wurden uns nur zwei Flugtickets bezahlt, also kamen nur die DJs, Rui und ich. Kein Schwein kannte die Songs, die wir spielten, aber den Promotern hat es gefallen“, erzählt Joao.

Anzeige

Wie Buraka wurde auch Diplo so etwas wie ein Prophet der Genre-Verschmelzung. Kurz bevor sie ihr erstes ordentliches Album Black Diamond herausbrachten, schien es einfach das Passendste der Welt zu sein, dass die beiden ihre Talente in „Inna de Ghetto (Remix)“ vereinten. Diplo, einer der bekanntesten Kulturhamsterer, öffnete ihnen Türen. Auf Burakas erstem Album waren zum Beispiel Features von M.I.A und Kano, letztes Jahr dann die Kollaboration mit Santigold. „Wir haben den Song mit Santigold zusammen gemacht. Sie hat gemerkt, dass auch ich da einen Teil meiner Vergangenheit reingepackt habe. Das ist es auch, was die Leute mit uns verbinden.“

Wenn es nach Joao geht, gibt es immer noch nicht genug Kultur in der heutigen Musik. Okay, die glitzernde Elektronik von „Get Lucky“ ist einnehmend und ja, „sie sind toll“, aber Buraka geht es mehr um die verzwickten Ecken der Kultur, die trotz ihrer Genialität unentdeckt bleiben. „Ich kann diesen demokratischen Schwachsinn nicht mehr hören, von wegen jeder wäre im Internet und würde die gleiche Scheißmusik hören und auf den gleichen beschissenen Webseiten surfen. Ich würde glücklich sterben können, wenn ich mir paar dieser Leute schnappen könnte und sie woanders hinbringen könnte.“

Mit dieser Vision bewaffnet, marschieren sie an die Arbeit an ihrem nächsten Album. Und wieder ist das Ziel, die Botschaft der Weltmusik so gut wie nur irgendwie möglich zu verbreiten und die Suche nach unberührten Musikszenen fortzusetzen. „Was mich angeht, da ist nur eine große Enzyklopädie in meinem Hirn. Es geht nicht darum, dass Grime nicht mehr cool ist oder dass es mal cool war. Es geht darum, dass Grime passiert ist, dass ich alles darüber weiß und diese Information in meinem Kopf bleibt. Wenn am Ende des Tages ein Alien auf die Erde kommt, würdest du Zeit damit verschwenden, ihm den Unterschied zwischen South African House und Kuduro zu erklären? Ich glaube nicht.“

Anzeige

Die Red Bull Music Academy präsentiert Off The Beaten Track, ein Dokumentarfilm, über Buraka Som Sistemas Reisen. Buraka touren gerade mit dem Film durch Europa- die Tourdaten findest du hier.

**

Folgt YNTHT bei Facebook und Twitter.


MEHR VON YOU NEED TO HEAR THIS

Dizzee Rascal ist keine Rich Bitch (sagt er)

Dizzee Rascal wanderte von Rage über Riot zu Robbie (Williams). Wir haben mit ihm über seine musikalische Entwicklung gesprochen.

Am Set mit James Blake und Chance the Rapper

Wir haben beim Videodreh zu „Life Round Here“ ein paar Fotos von James Blake und Chance The Rapper geschossen.

Das hier ist eine goldene Ära des HipHop

Bitte eine Runde Applaus für diese HipHop Künstler. Sie machen die beste Musik, die wir seit langem gehört haben