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Interviews

Das beste Interview mit Wolf + Lamb überhaupt

Zev von Wolf + Lamb war zwischenzeitlich schon nach L.A. gezogen, um ein reiches Arschloch zu werden. Dann kam er doch zurück nach New York, um die Welt mit seiner Musik zu retten.

Wolf + Lamb wurden mir erstmals ein Begriff, als ich 2005 nach Williamsburg, Brooklyn zog. Wir verbrachten die Nächte damit, Läden wie das Rothko oder Subtonic abzuklappern oder uns einfach an der Lower East Side abzuschießen. Als wir dann von dieser geheimen Underground-Techno Afterhour hörten, die nur eine Straßenecke weiter stattfinden sollte, waren wir natürlich total angefixt. Klar gibt es inzwischen mit Blkmrkt Membership, Resolute, Rinsed und ca. 20 anderen Locations eine ordentliche Auswahl an Afterhours in NYC, aber damals war das Marcy Hotel (so heißt der Laden) eine Offenbarung für uns. In gewisser Weise ist es das auch immer noch, mit seiner einzigartigen Mischung aus Intimität und Abgründigkeit, nach der alle Clubs streben. Man sagt ja, man soll aufhören wenn es am Schönsten ist, aber das gilt anscheinend nicht für Wolf + Lamb. Partyreihen im Marcy Hotel sterben und werden wiederbelebt, aber der Ort bleibt mit all seinen verrückten Geschichten ein Fixpunkt als Heimat und Studio für die vielen Künstler auf dem Wolf + Lamb-Label. Dazu kommt, dass Wolf + Lamb inzwischen auf der ganzen Welt ein Begriff sind und alle coolen Events vom Berghain bis zum Burning Man spielen. Sie haben verschiedene Plattenlabels, eine Horde von Künstlern um sich geschart (Pillow Talk, No Regular Play) und dazu schon diverse Soundtransformationen durchgemacht—weg von düsterem/minimalistischem Techno hin zu Posi-Core House und Disco.

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Wiliamsburg ist inzwischen eine anderer Ort als vor acht Jahren: Am Flussufer reihen sich riesige Eigentumswohnungen aneinander, es gibt überall nur noch gesundes Essen und schwedische Touristen soweit das Auge reicht. Für das Interview traf ich dann auch Zev Eisenberg und Gadi „Baby Prince" Mizarhi in dem schicken Loft eines ihrer Freunde—beide waren gerade aus Miami zurückgekehrt, wo sie die Winter mit ihren Crew Love Partnern Soul Clap verbringen.

Um ehrlich zu sein, ist einfach jedes Interview mit den Jungs großartig. Die beiden sind so unterhaltsam und sympathisch. Außerdem liefern sie dir noch diese abgefahrene Story, wie sie dem Dasein als ultra-orthodoxe Juden entkommen sind, Prollklamotten verkauft, ein Fake-Hotel gegründet und es gelernt haben, Sade mehr als Richie Hawtin zu lieben. Darf ich vorstellen: Wolf + Lamb.

Kommt ihr beide wirklich aus New York?
Z: Ja, wir sind beide in Flatbush aufgewachsen, kannten uns aber damals noch nicht. Gadi war in der einen jüdischen Gemeinde und ich war in einer anderen. Sein Bruder wurde Chassidim und auch ich wuchs chassidisch auf. Ich kehrte allerdings vom Glauben ab, als ich 15 war. Heute bin ich 31.

War das eine große Sache?
Z: Nein, ich plante meine Abkehr vom Judentum seit ich 11 war. Dementsprechend ging alles reibungslos über die Bühne. Als ich 15 war, war ich draußen. Ich hatte meine Heimat verlassen, meine Familie, einfach alles. Ich hab zwar inzwischen wieder Kontakt zu meinen Eltern, aber damals lebte ich in Israel und war über Psychedelic Trance auf den Geschmack für elektronische Musik gekommen.

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Warum warst du in Israel?
Z: Ich war dort für die Rabbinerschule. Das war Teil meines Plans: Ich brachte meine Eltern dazu, mich nach Israel zu schicken. So war ich dann weit genug von ihnen entfernt, um aus all dem rauszukommen und bei meiner Rückkehr würde ich dann einfach nicht mehr religiös oder jüdisch sein. Ich hörte dort viel Psy-Trance obwohl ich mir dachte: „Das klingt ganz schön beschissen, aber ich mag die Idee dahinter". Ich wusste allerdings nicht, wie ich mich auf eigene Faust weiter in die Materie einarbeiten sollte. Ich sagte mir aber immer wieder: „An einem Punkt wird mich das schon von selbst dorthin bringen, wo ich eigentlich hin will". Dann kam ich mit 16 oder 17 zurück in die USA—die Clubs The Tunnel und das Twilo machten gerade zu und besiegelten damit das Ende einer Ära in der New Yorker Szene.

Wie bist du denn über die Runden gekommen, nachdem du mit deiner Familie gebrochen hattest? Hast du auf der Straße gelebt?
Z: Nein, ich habe angefangen zu arbeiten. Ich kannte mich ganz gut mit Computern aus und hab für diese Webseiten, die mit dem ganzen Casino-Kram zu tun haben, gearbeitet. Ich hab vor allem Designs gemacht, womit ich mich auch größtenteils finanziert habe, bis Wolf + Lamb dann durchgestartet sind.

Bist du noch in diese legendären Läden wie Twilo oder The Tunnel gegangen?
G: Ich habe noch ein bisschen davon mitbekommen. Das war gut so, weil Zev und ich so noch eine Ahnung davon bekommen konnten, was für Potential New York eigentlich hat. Das alles ist dann 98, 99 in die Brüche gegangen—es war einfach vorbei, verstehst du? Und bis dahin gab es wirklich einen Haufen cooles Zeug: diese super abgefahrenen Warehouse-Raves in den späten 90ern, in DUMBO (Viertel von Brooklyn) war auch immer was los. Es gab Storm Raves—Drum & Bass war damals wirklich angesagt. Der Vibe war einfach da. Und plötzlich, von heute auf morgen, kam der Punkt, an dem wir beide dachten: „Das ist kacke! Warum ist es jetzt in New York so ätzend? Warum gibt's überall nur noch beschissenen Electroclash und Indierock?"
Z: Wir hatten mitbekommen, wie New York zu seinen Hochzeiten aussehen konnte. Wir wollten das nicht eins zu eins kopieren oder irgendwas in der Art, aber vielleicht war diese Vorstellung tief in uns drin das, was uns angespornt hatte—wir wussten ja, was möglich war. Ich war zu der Zeit allerdings schon nach LA gezogen, um ein reiches Arschloch zu werden.

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Wie sah das aus?
Z: Viel Koks, Nutten, schnelle Autos und eine Menge Bullshit. Ich hatte viel mit Casinos, Online-Glücksspiel und so Zeug zu tun. Ich entwickelte Online-Casinos. Gadi hatte in der Zwischenzeit einen überaus erfolgreichen Thugwear-Laden.
G: Ja, viel Clubbing, HipHop … Ja, ein Thugwear-Laden! Ein Klamottenladen in bester Lage im Stadtzentrum.
Z: Das war eine ziemlich geile Zeit. Als ich ihn kennenlernte, liefen wir öfter die Straße an der Lower East Side in NYC runter, wo wir immer abhingen …
G: … um dann dort von Drogendealern angemacht zu werden.

In welchem Jahr war das?
G: Das war kurz bevor das da alles durch die Decke gegangen ist. Das war auf jeden Fall vor Schiller's. Ich glaube, Schiller's war der Wendepunkt.
Z: Wir haben uns 2001 in Wiliamsburg kennengelernt. Also, ich bin direkt nach 9/11 zurück nach New York gezogen—9/11 ist auch der einzige Grund, warum ich mich überhaupt an irgendetwas erinnern kann … ok, Burning Man Festivals und 9/11. Also, das war dann wahrscheinlich 2002. Dieses Restaurant Schiller's war der Punkt, an dem es anfing, zu Ende zu gehen. Ich erinnere mich noch, als wir an dem Laden vorbeiliefen und dachten: „Oh, das sieht ganz cool aus. Was das wohl wird?". Die bauten und bauten und als wir dann an dem Tag der Eröffnung die ganzen Vollidioten da rumstehen sahen, dachten wir nur noch, „Scheiße, unser Viertel ist im Arsch, lass uns nach Williamsburg ziehen." [lacht] Und wir dachten uns, hier werden wir endlich einen Rückzugsort haben … Na gut, wir hatten hier auch für eine gewisse Zeit einen Rückzugsort.
G: Es ist immer noch gut hier. Wiliamsburg ist immer noch gut.
Z: Es ist hier immerhin nicht so komplett furchtbar geworden wie an der Lower East Side.
G: Es ist hier nur am Wochenende furchtbar. Der Rest der Woche ist nicht so schlimm. Du bekommst hier aber so ein Gefühl am Wochenende, dass du dir nur noch denkst: „Was zum Teufel sind das für Leute hier?"

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Gab es denn schon Technopartys, als ihr hergezogen seid?
G: Es gab eine Handvoll kleiner abgefahrener Raves. Da war noch diese Kompakt-Party in dieser riesen Lagerhalle und dann gab es noch Filter 14 mit Steve Bug, und Richie Hawtin spielte mal hier, mal da.
Z: Das Erste, was wirklich einen bleibenden Eindruck hinterlassen hatte, war Bryan's Bunker. Das war das erste Mal, dass Gadi und ich zusammengespielt haben.

Als ich euch Anfang des Jahres in Miami gesehen habe, haben wir über eure Entwicklung gesprochen Wie ihr dieses düstere New Yorker Techno-Duo wart und dann plötzlich anfingt, mit Soul Clap abzuhängen, nach Miami gezogen seid und euren ganzen Vibe auf Posi und Crew Love umgekrempelt habt.
Z: Das lag daran, dass wir die ganzen Jahre davor immer zum Burning Man gefahren sind. Wir haben die ersten Jahre nicht dort gespielt, sondern nur so mitgemacht, aber letztendlich haben wir dann auch angefangen, dort aufzulegen. Das eine Mal, wir hatten uns da auch schon als Wolf + Lamb einen Namen gemacht, spielten wir zum Sonnenaufgang—das war einfach beeindruckend und wir hatten die beste Zeit unseres Lebens. Dann versuchten wir so einen John Tejada Techno-Track oder irgendwas in der Art zu spielen und es fühlte sich einfach nicht richtig an. Also fingen wir an, Popsongs zu spielen so Zeug wie Sade, und das passte perfekt. Und ich erinnere mich noch an diese andere Sache, die im ersten Jahr vom Marcy Hotel passierte. Es war so gegen sieben am Morgen und wir schauten uns im Laden um und da waren nur noch so um die 70 Kerle übrig. Wir fanden, dass das so überhaupt keinen Sinn macht. Die Musik ist düster und zieht solche Leute an, auf die wir keinen Bock haben. Wir hatten erkannt, was passiert, wenn man die herzlicheren, melodischeren Vocal-Elemente aus der Musik entfernt. Ja, so fingen wir an, uns zu verändern.
G: Zur selben Zeit schickten uns Soul Clap, die damals ebenfalls noch düsteren Techno machten, ein paar Disco-Edits zu. Wir trafen uns an diesem Punkt, als sich unser kleiner Mikrokosmus noch um Techno oder Tech-House drehte, aber wir versuchten gleichzeitig auch schon, Popmusik zu etwas zu machen, das man in einem Club spielen kann. Sie kamen bei uns vorbei und wir sagten uns: „Okay, dann schauen wir mal, wohin uns dieser neue Sound führen wird." Aus heiterem Himmel fingen dann alle aus der Crew an, mehr in Richtung Disco oder House zu gehen—No Regular Play machten mehr melodischen Kram und fingen an, mehr Vocals einzubauen. Slow Hands machten jetzt astreinen Disco-Sound, allerdings sehr langsamen.
Z: Wir haben dadurch unser komplettes Stammpublikum in New York verloren. Ich erinnere mich, wie diese Russen zu uns ankamen und fragten: „Spielt ihr auch mal wieder mehr Minimal?" und wir meinten nur: „Nee, das wird nix." Sie kamen dann noch zu ein paar weiteren Partys, wohl in der Hoffnung, wieder Techno und einen Haufen harter Kerle vorzufinden, aber es gab nur noch diesen langsamen Kram, und das konnten die einfach nicht ab. Langsam begann sich ein neues Publikum zu bilden. Das bestand aus Teilen der Burning Man Crew und einer Menge Künstler, die keinen Bock hatten, auf Techno abzugehen, weil es sie einfach langweilte. Die waren dafür um so heißer darauf, Sade zu hören, langsam zu Tanzen, sich einen Haufen Drogen reinzuziehen und einfach nur abzuhängen. Nach ein paar Monaten waren noch drei Leute von unseren ursprünglich paar hundert Stammgästen übrig. Dafür kamen 150 neue Leute, die alle Bock auf diesen langsamen Scheiß hatten. Das hatte der ganzen Veranstaltung diese pumpende Techno-Atmo genommen und sie in eine coole Loft-Party mit einem Haufen Freunde verwandelt.

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Ich hab das Gefühl, dass es leicht ist, düstere und harte Musik zu machen und diese Art von Partys zu veranstalten, wenn man in New York lebt.
Z: Ja, das passt hier gut hin. Die Leute hier sind Extreme gewohnt. Jeder in New York arbeitet hart und kommt dann auch leicht in so einen Modus.
G: Wenn wir hier ins Studio gehen, kommt dieser düstere Vibe von selbst—vor allem hier im Marcy Hotel … der Laden hat einfach eine unheimliche Atmosphäre. Als wir in Miami oder auf Mallorca aufgenommen haben, war die ganze Sache viel positiver.
Z: Die letzten drei Jahre haben wir die Winter immer woanders verbracht. Das ist auch mit Abstand die härteste Jahreszeit in New York. Im Sommer reist Gadi viel durch die Gegend und ich wohne im New Yorker Umland, wo es einfach jeden Morgen immer wieder herrlich ist. Du wirst von Vogelgezwitscher geweckt und es ist überall grün und saftig—einfach total positiv, verstehst du? Ja, ich glaube, das ist es einfach, was passiert ist. Unsere Musik hat sich verändert, wir haben uns verändert, und wir wollten einfach was Schöneres als diese graue, triste New York Geschichte.

Ich habe diese Theorie, dass, weil 2012 die Apokalypse ausgeblieben ist, jetzt alle so drauf sind: „Okay, lasst uns einfach glücklich sein. Wir leben noch und alles ist cool!"
G: Ja, 2013 hat definitiv so eine Stimmung. Ich habe das selber mitbekommen. Viele unsere Freunde haben sich in den letzten fünf Monaten verliebt—nicht nur verknallt, sondern so richtige Lebenspartner-Geschichten.
Z: Du redest eigentlich von dir selbst.
G: [lacht] Ja auch, aber Charlie, Eli, alle unsere engen Freunde … Da passiert einfach gerade viel Positives und Leute finden sich zusammen, die das normalerweise nicht würden.
Z: Das ist irgendwie auch abgefahren. Wenn du 'ne Party mit düsterer Musik machst, dann ist das auch der Vibe, den du von den Leuten zurückbekommst. Das gleiche gilt für eine positive Atmosphäre. Wenn du einmal angefangen hast, ein paar Shows so zu spielen und dich an diese unbeschwerte Stimmung gewöhnt hast, dann kannst du nicht mehr zurück. Du kannst nicht zwischen düster und freundlich hin und her pendeln. Na gut, wir können das halt nicht. Da ist zwar immer noch dieses Ziel, das du vor Augen hast, sehr gefühlvolle und melancholische Musik zu machen, verstehst du? Aber das muss nicht düster sein. Wolf + Lamb steht jetzt für positive Musik. Gadi hat da sein Label Double Standard, das sich, wie ich sagen würde, mit den komplexeren Emotionen befasst. Das kann mal launisch oder sehr introvertiert sein, aber es ist nicht düster. Wir haben einfach keinen düsteren Output mehr.

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Haben sich die Drogen verändert?
Z: Wir nehmen immer noch einen Haufen Ketamin. [lacht] Das ist ganz witzig. Die Drogen haben sich nicht wirklich verändert.
G: Naja, dann gibt's da noch MDMA, eine sehr positive Droge
Z: Leute nehmen auch MDMA auf den Minus-Partys, dem Label von Richie Hawtin! Es sind einfach dieselben Drogen geblieben!
G: Ich weiß nicht, ich hab damals kein Keta genommen.
Z: Ich schon.
G: Die Drogenerfahrungen an sich sind aber auch einfach sehr abhängig von deinem Umfeld. Dein Ketamin-Trip richtet sich extrem nach dem, was um dich herum passiert. Wenn du Keta auf einer düsteren Drogenparty nimmst, dann nimmst du dieses Schaurig-Verstrahlte mit in deinen Trip. Wenn du Keta auf einem entspannten Outdoor-Rave nimmst, dann bedeutet das nur noch mehr Spaß und Party. Ich denke, Drogen sind extrem sensibel gegenüber deiner Umgebung und den Leuten, mit denen du gerade abhängst.
Z: Manche Menschen können sich da recht gut anpassen. Ich kenne unsere Crowd. Leute kommen für diesen Sunshine Vibe ins Marcy, nachdem sie die ganze Nacht auf so einem superdüsteren Rave durchgetanzt haben, verstehst du? Aber für uns als Künstler und Producer war dieser Wechsel eine bewusste Entscheidung. Es war auch ein Veränderung ohne Option auf Rückkehr. Ich will meine Energie nicht weiter dafür verwenden, düstere Gefühle zu erzeugen. Ich will positive Vibes schaffen, auf jede Art, die uns möglich ist.
G: Der Alltag ist doch so schon Qual genug, warum also nicht wenigstens Musik für die guten Seiten des Lebens machen? Das ist das, woran wir glauben.

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Gab es irgendjemanden, der bei eurem Wolf + Lamb Label unterschrieben hatte, als es noch um düsteren Techno ging, und dann abgehauen ist, als ihr alle so positiv wurdet?
G: Nein, und das war großartig! Es war einfach wie eine Kurskorrektur bei der wir diesen ganzen superdüsteren Ballast abgeworfen haben und so Platz schufen, damit sich die unbeschwerteren Sachen entfalten konnten.
Z: Klar gab es ein par Minimal-Techno-Künstler, die jetzt nicht mehr auf dem Label sind. Wir wussten einfach, dass sie diesen Schritt nicht mit uns gehen würden. Aber die Leute, die jetzt auf dem Label sind, wissen, dass es nur darum geht, gute Musik zu pushen.
G: Wir wollen jetzt auch mehr in den USA machen. Vorher ging es immer nur um England oder Deutschland. Da gibt's mehr Partys, mehr Geld, einfach mehr von allem. Wenn du in Amerika spielst, kann es passieren, dass du in irgendeinem Loch in Houston mit 30 Leuten endest. In Europa spielst du 10 Shows in 20 Tagen und alle sind rappelvoll, die Kids wissen, wer du bist, und kennen wirklich alle deine Tracks. Natürlich denkst du dir dann: „Wow, ich will nur noch in Europa spielen!" Aber jetzt, wo das ganze EDM-Ding hier durchstartet, wollen wir auch mehr hier sein.

Was war das Konzept hinter dem Marcy Hotel?
G: Alle diese Dinge haben sich von selbst entwickelt: die Labels, das Black Label, das Marcy selber. Als wir anfingen, Musik zu machen, war das so: „Ok, jetzt haben wir ein paar Tracks. Schicken wir die zu Perlon? Kennst du irgendjemanden bei Perlon? Nee? Ok, dann machen wir halt unser eigenes Label auf …"
Z: Wenn wir Partys veranstalten wollten, mussten wir uns immer mit diesen Vollpfosten von Barbesitzern rumschlagen …
G: Ist man zum Beispiel zur Orchid Bar gegangen und fragte, „Können wir hier spielen?", kam nur zurück: „Wir sind die ganze Woche ausgebucht. Wer seid ihr überhaupt?"
Z: „Könnt ihr uns ein Demo geben?" Und wir so: „Nein." Wir haben nie ein verschissenes Demo aufgenommen.
G: Alle waren so drauf. Erst hatten wir diese Musik gefunden, auf die wir Bock hatten, und dann kamen die dazugehörigen Partys. Wir haben das solange mitgemacht, wie wir konnten und dann dachten wir nur noch: „Wir brauchen unseren eigenen Laden". Wir mussten uns ständig mit der Blödheit der anderen Leute in den Venues herumschlagen. Die Öffnungszeiten, die Getränkepreise, all diese kleinen Sachen machen einen riesen Unterschied im Vibe …
Z: Wir mieteten dieses Apartment und hatten diese Vision, die coolsten Afterhours zu veranstalten, so wie man sie vom Hören und Sagen kannte. Dekadente Afterhours in New Yorker Absteigen mit einer gehörigen Portion Ausschweifungen.
Z: Du konntest mitten auf dem Tisch eine Line ziehen oder sonstwas machen. Sobald du durch die Tür kamst, warst du in einer anderen Welt. Es war wirklich schwierig, das legal auf die Beine zu stellen. Als erstes versuchten wir, eine Schanklizenz zu bekommen, aber wir haben immer gegen die wichtigen Regeln verstoßen, wie keinen Schnaps nach 4 Uhr Morgens auszuschenken. Unser Laden öffnete erst um 4 Uhr! Wir verstießen gegen so ziemlich jede beschissene Auflage, die du hast, wenn du einen Laden in New York betreibst. Daraufhin beschlossen wir, dass wir das Ganze nur illegal durchführen können. So wie diese Rubulad-Partys.
G: Zev arbeitete zu der Zeit an Webseiten für Hotels, wie dem Trump Hotel und so. Also sagte ich zu ihm, er soll einfach eine Webseite fürs Marcy machen, da er ja eh gerade an sowas saß. Also erstellten wir die Marcy-Webseite und machten diese Hotelzimmerkarten aus Plastik, ohne zu wissen warum überhaupt … und verteilten sie. Wir machten so in etwa 1000 Stück und gaben sie an Freunde. Keiner wusste, wofür die gut sein sollten, da wir ja offensichtlich kein Hotel waren. Als wir dann etwas weiter dachten, entschlossen wir uns, die Teile einfach auf Flyer zu packen, und jeder mit so einer Karte würde dann sowas wie einen Vielfliegerpreis an der Tür zahlen. Wir hatten übrigens vor kurzem erst einen Wettbewerb auf Facebook, bei dem jeder Fotos von seiner abgefuckten und drogenverkrusteten Karte hochladen sollte. Wir bekamen zehn Einsendungen. Wir haben die Karten vor acht Jahren machen lassen und wir waren die einzigen, die sie verteilten. Jede Person hatte sie also entweder von mir oder von ihm bekommen, wenn einer von uns sagte: „Weißt du was, der Typ da sieht cool aus. Der soll in unsere Crew."

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Die Webseite hatte keine Infos zu den Partys, oder? Die sah einfach nur aus wie eine Hotel-Homepage.
Z: Das war einfach nur ein riesiges „Fuck you!" Alle waren so drauf: „Wir sollten eine Webseite für unsere Party machen" Verstehst du? Mit Eventkalender und so einem Scheiß. Also dachten wir uns: „Warum kreieren wir nicht einfach dieses mythische Hotel, das hier über dem Viertel aufragt?". Das war, bevor hier in Williamsburg auch nur ein einziger von diesen blöden Eigentumswohnungskomplexen existierte. Es war auf unheimliche Weise fast so, als ob unser Scherz eine dunkle Vorahnung von dem war, in das sich die Gegend hier später verwandeln sollte. Auf der Webseite gibt es in der Tat einen Raumplan und den ganzen Kram. Und du kannst sogar Reservierungen machen.
G: Wir denken sogar darüber nach, noch mehr Geld in die Seite zu stecken, um sie noch seriöser aussehen zu lassen.
Z: Das Formular für die Reservierungen geht nur bis 2011, weil ich damals nicht dachte, dass das Ganze so groß wird und sich so lange hält. Wir bekommen Mails von Leuten, die sagen „Hey, ich glaube, euer Formular ist kaputt." Oder Leute kommen zu unseren Partys, wie diese DJs von Außerhalb, und meinen dann: „Wow, das war ganz schön hart, euren Laden zu finden. Ich hab bei der Suche nach diesem riesigen Gebäude mit 42 Stockwerken eine Stunde in einem beschissenen Taxi verbracht …" Wir haben niemals jemandem vorher gesagt, wie der Laden hier wirklich aussieht. Das ist der Witz dabei. Du musst es selber herausfinden. Der Laden hat die richtige Adresse, aber die steht an dieser total heruntergekommenen Eingangstür.

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Gehört euch das Gebäude?
G: Nee, wir mieten das Gebäude und haben den Hof nebenan besetzt. Der Hof gehört dem gleichen Typen, aber der hatte immer vor, etwas dort zu bauen. Jedes Jahr haben wir ihn gefragt: „können wir den Hof haben?"—„Nein, ich hab da noch was mit vor!" Endlich, nach drei Jahren, hat ein anderer Typ, der hier wohnt, uns geholfen, Treppen für die Fenster zu bauen, die man verschwinden lassen konnte. So konnte man raus in den Hinterhof klettern und dann, wenn die Party vorbei war, haben wir die Treppen wieder reingeholt. Dadurch konnten wir 300 bis 400 Leute mehr in den Laden lassen. Wir fingen an, das an den Freitagen zu machen, weil wir wussten, dass der Typ orthodoxer Jude war und uns so niemals in einer Freitagnacht erwischen würde. Das Ganze flog dann aber auf, als wir zu gierig wurden und den Hof an einem Sonntag öffneten.

Hattet ihr Vorteile bei eurem jüdisch-orthodoxen Vermieter dadurch, dass ihr selber jüdisch und aus der Gegend seid?
G: Naja, wir verstehen ihn besser. Wir haben da einen kleinen Vorteil, weil wir wissen, was die wollen. Die wollen, dass es sicher ist und sich etwas nebenbei verdienen. Ich glaube dadurch, dass wir selber jüdisch sind, haben wir einen Vertrauensvorteil bei ihm. Sie wissen, dass wir nicht religiös sind, aber sie wissen auch, dass wir nicht gefährlich sind. Es wär schön, wenn die ganze Geschichte damit enden würde, dass uns das Grundstück gehört. Wir haben hier so viel reingesteckt.
[jemand schreit aus dem Hintergrund]: Ja, Schimmel habt ihr da reingesteckt. [lacht]
Z: Äh ja, wir haben ein Dampfbad da reingebaut, aber wussten auch nicht so recht, was wir da eigentlich machen.

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Beschreibt mal die ganzen unterschiedlichen Aspekte von Wolf + Lamb.
Z: Am Anfang haben wir einfach unseren ganzen Kram umsonst ins Web gestellt und haben dann auch angefangen, digitale Files zu verkaufen. Das ist dann zu unserem Label herangewachsen, auf dem wir inzwischen um die 30 Platten veröffentlicht haben. Bei den digitalen Veröffentlichungen müssten wir jetzt so um die 70 haben. Danach, vor vier Jahren, hat Gadi noch das Label Double Standard als sein persönliches Projekt ins Leben gerufen.
G: Das ist mehr so R&B-mäßig, langsamer, abgedrehter, mehr experimentell. Als dann noch Soul Clap dazu kamen, haben wir Wolf +Lamb Black gestartet, wo wir illegale Edits, Bootlegs und so Kram veröffentlichen. Das läuft auch immer noch.
Z: Da sind bis jetzt 13 Veröffentlichungen erschienen.
G: Soul Clap haben jetzt auch ihr eigenes Label mit dem Namen Soul Clap Records.
Z: Aber jetzt wollen wir, dass alle aus ihren Lagern herauskommen, deswegen heißt unsere neueste Inkarnation Crew Love. Das ist quasi die Vereinigung unserer verschiedenen musikalischen Stärken—der Beginn einer Bewegung. Pillow Talk werden auch bald ein Label aufmachen. Es ist schon bemerkenswert, mit dem Zuwachs haben wir fast einen neuen Sound. Es ist, als ob hier ein neues Kapitel beginnt. Es gibt eine Menge Livemusiker. Die Crew Love-Showcases bestehen jetzt aus fünf Live Acts und zwei DJs, im Gegensatz zu den Wolf + Lamb-Showcases mit sechs DJs und einem Live-Act. Es hat viel mehr Showcharakter. Crew Love hat aber kein eigenes Label. Momentan ist das nur der gebündelte Output all unserer gemeinsamen Labels.

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Gruppenfoto der Wolf + Lamb-Crew beim Burning Man-Festival.

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