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Die Sache mit Kurt Vile

Der Mann ist gerade dabei eine Legende zu werden, doch manche gönnen ihm das nicht. Ich schon.

Ich hätte so viele Fragen an Kurt Vile. Wenn ich nämlich auf Tour bin, dann sitze ich stets leicht benebelt auf der Rückbank unseres Vans, bin nicht ganz bei der Sache und höre seine komplette Diskografie auf Heavy Rotation. Ehrlich jetzt, wenn ich für acht Stunden in ein Auto eingesperrt bin, dann ist diese Musik alles, was ich hören will, weil sie so unglaublich beruhigend ist. Sie fließt und ebbt mit der Landschaft außerhalb des Fensters und ich kann mich zutiefst entspannen. Ich höre so viel von Kurts Musik, dass ich mich dabei ertappe, wie ich die Songtexte seziere und analysiere. Ich kann nichts dagegen tun. Ich hätte so einige Fragen an ihn, es geht hauptsächlich um Drogen. Aber ich werde sie ihm wohl niemals stellen, denn der Mann hat mittlerweile Kinder und da sollte ich mir das wohl verklemmen.

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Ich weiß, dass ein Haufen Leute nicht mehr besonders gut auf ihn zu sprechen sind, nachdem er seinen Song „Baby’s Arms“ für eine Werbung der Bank of America verkauft hat, wodurch er jetzt ja als böser Kapitalist abgestempelt wird. Ein wenig später denunzierte er in einem Pitchfork-Interview die Punk-Ideale mit einem Querverweis auf die finanzielle Lage des Geschäfts und schon hatte die Indie-Polizei einen neuen Sündenbock: „Die ‚Punk-Ideale‘ sind total irrelevant. Nicht, dass es nicht cool ist, sie zu haben, aber die Zeiten haben sich geändert, Mann."

Die Leute flippten vollkommen aus, als sie seine Aussage gelesen haben. Ehrlich gesagt geht es aber nicht darum, dass die Punk-Ideale heutzutage total irrelevant sind, sondern einfach nur für Kurt persönlich keine Bedeutung mehr haben. Und warum sollte das so sein? Der Mann muss mit seiner Karriere drei hungrige Mäuler füttern. Das Problem liegt darin, Kapital aus seiner Kunst zu schlagen. Das ist der fortwährende innerliche und äußerliche Konflikt. Wenn man einen Karrierepfad auf der Kreativleiter bestreitet (was für manche von uns—Vile ist einer von diesen—die einzige Möglichkeit darstellt, weil unsere Hände und unsere Münder nun mal sonst zu nichts Wertvollerem fähig sind), dann bedeutet das, solange man nicht auf der ganzen Strecke versagt, dass man sich letztendlich mit diesem Zwiespalt auseinandersetzen muss. Der einzige Weg, um zu überleben, ist folgender: man sollte sich nicht über den Scheiß, den andere Leute sagen, kümmern und bei seinen eigenen Werten bleiben. Das ist erst recht verdammt schwer, wenn du um dich herum ein Team hast, dass dir ständig sagt, was du zu tun hast, deine Entscheidungen beeinflusst und deine Meinungen versucht vorzuformulieren. Das Musikbusiness ist noch immer voll von Blendern und Arschlöchern. Manchmal kann das echt widerwärtig sein.

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Hast du dir schon Kurt Viles neues Album Wakin‘ On A Pretty Daze angehört? Ich hoffe doch, denn es ist wahrscheinlich sein bisher bestes Album. Journalisten versuchen ihn mittlerweile in diese Legend-In-The-Making-Schublade à la Neil Young/Harry Nilsson/Tom Petty zu stecken und ich würde ihnen vollkommen zustimmen, wenn der Gedanke daran nicht so kitschig wäre. Ob oder ob du nun nicht mit seinen Worten über die „Punk-Ideale“ und seiner Mitwirkung bei kommerziellen Werbefilmen d’accord bist, es ist felsenfest, dass seine Musik einzigartig ist und sehr, sehr bedeutsam. Sie ist einfach etwas Spezielles. Vile und seine Musik werden die Lebensdauer eines Geists haben.

Was mich zu seinem neuen Video für die Single „Never Run Away“ bringt. Vile ist komplett in weiß gekleidet und singt in seiner typisch unbeholfenen Art zuckend den Songtext, fährt mit einem weißen Schulbus durch seine Heimatstadt Philadelphia und hält ab und zu an, um an wahllos ausgewählten Orten Gitarre zu spielen. HARRYS, der Regisseur des Videos, wollte damit offensichtlich Viles bescheidene Art betonen, aber dennoch die Legend-In-The-Making-Atmosphäre heraufbeschwören. Ich denke, dass es einfach ein schön anzusehendes Video ist. Darüber hinaus ist das einer dieser Songs, bei dem ich an den Lyrics hängenblieb, als Vile folgendes sang: „My steady diet of high on love, then taking dope to cope after come down sometimes.“ (Aber das würde jetzt den Rahmen sprengen und ein ganz anderer Artikel werden, der verlangen würde, dass ich öffentlich Sachen über mich preisgebe, die ich mir sonst nur in Lyrics eingepackt und zugeschnürt zu formulieren traue). Außerdem wäre es ja auch nur meine eigene Interpretation. Das ist aber auch genau das, was Musik so wunderbar macht—und insbesondere Viles Songs—denn man ist sich selbst überlassen, seine eigene kleine dumme Geschichte daraus zu stricken. Die Hälfte der Zeit reflektiert man ja eh nur über sich selbst. Musik zu konsumieren, ist verdammt egoistisch.

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Die Sache mit Kurt Vile ist, dass ich ihn als Songwriter voll und ganz respektiere und nicht denke, dass er ein Idiot ist, weil er seine Musik verkauft—es ist ganz allein seine Entscheidung. Es ist vollkommen irrelevant, ob seine „Punk-Ideale“ mit meinen oder von irgendjemand anderem übereinstimmen, solange seine Platten so klingen, wie sie klingen. Ohne Vile wäre ich wahrscheinlich bereits aus dem Fenster unseres Vans gesprungen. Deshalb danke ich ihm.

Mish Way ist die Frontfrau von White Lung, einer Punkband aus Vancouver. Sie wird zusammen mit Kurt Vile auf dem Village Voice's 4Knots Festival spielen. Sie verspricht, ihn nichts über Drogen zu fragen. - @myszkaway

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