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Interviews

Rockstah fühlt sich im Rap-Kosmos nicht mehr zuhause

Einst war Rockstah Teil der Neuen Reimgeneration, inzwischen macht er eher abseits der Musik von sich reden. Wie viel Rap steckt noch in dem Nerd-Rapper?

2011 setzte Musikjournalist Falk Schacht die jungen Raptalente Cro, Rockstah, Ahzumjot, eou, Olson und KaynBock in seinen Stuhlkreis, um mit der von ihm gekürten „neuen Reimgeneration“ zu sprechen. Schließlich war um eben diese Rapper damals ein gewisser Hype entstanden. Es wurde ihnen zugetraut, dass sie neue Impulse setzen, diese in die Rapszene einbringen und sie damit nachhaltig prägen könnten. Fünf Jahre später kann nüchtern zusammengefasst werden: Schacht war da ein bisschen voreilig. Einzig Cro ist unbestritten einer der erfolgreichsten Rapper Deutschlands. Ahzumjot, Olson und KaynBock ließen Jahre verstreichen, bevor sie ihre eigentlich guten, gemessen an den unrealistisch hohen Erwartungen aber doch eher okayen Alben veröffentlichten. Um eou ist es inwzischen sehr ruhig geworden. Und Rockstah? Der schien sich in dem Sitzkreis so wohlzufühlen wie in der übrigen Rapszene und machte viel lieber sein eigenes Ding. Vielleicht wurde ihm gerade deswegen neben Cro (Panda-Rapper) und Casper (Emo-Rapper) extra ein Label aufgedrückt: der Nerd-Rapper.

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Mit seinem letzten Album Pubertät von 2014 gab Rockstah viel von seinem „Hänger“-Leben preis: erst mit 28 aus Hotel Mama ausgezogen, weder auf dem Schulhof, noch in der Rapszene einer von den Coolen, nur in der viereckigen Welt der Videospiele so wirklich zu Hause. Eigentlich dürfte es keinen verwundern, dass sich Rockstah seit dem Release eher auf Rap-untypischen, dafür umso „nerdigeren“ Pfaden bewegt hat. So redet er in den beiden Podcasts Rumble Pack und Radio Nukular stundenlang über Videospiele, Ghostbusters und die Turtles, schreibt Kolumnen für Videospielmagazine, arbeitete mit der PR von Call of Duty zusammen, war Synchronsprecher für Battlefield und moderiert jetzt eine Xbox One Show. Kann nicht so langsam das „Rapper“ aus „Nerd-Rapper“ gestrichen werden? Um zu erfahren, ob sich die einstige Rap-Hoffunung wirklich so weit von der Musik entfernt hat, habe ich Rockstah im Berliner Kino International getroffen, wo er wenige Stunden später mit einem Konzert das Gamefest eröffnen wird. Ein besseres Bild für die perfekte Verbindung seiner beiden Berufe müsstest du dir schon selbst ausdenken.

Noisey: Vor über einem Jahr kam dein letzten Album Pubertät raus. Seitdem ist es musikalisch um dich ziemlich ruhig geworden, du scheinst dich auf andere Sachen konzentriert zu haben.
Rockstah: Die anderen Sachen sind gerade richtig arg präsent. Musik hat da die Tür aufgemacht, wo ich sie immer schon aufhaben wollte, und das war das ganze Videospiel-Segment. Das mit dem Podcasting war eher ein Zufallsprojekt. Wenn aber natürlich Sachen gut laufen, bleibst du dran. Jetzt bin ich bei zwei großen Podcasts und ab übermorgen moderiere ich offiziell die Xbox One-News „Greenscreen“. Aber es trotzdem alles an Musik gekoppelt. Ich schreibe ja nicht 50 Songs im Jahr, deswegen ist alles wie immer.

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Du bist kein Fler.
Nein (lacht).

Aber hast du nicht wieder mal Lust, was zu machen?
Wir machen gerade schon was! Die letzten Tage ging es richtig ab in der Dropbox. Da war mal richtige Rap-Stimmung (grinst).

Du hattest mal erwähnt, dass du auf die Musik von Hotline Miami gerappt hast, das aber wieder gelöscht hast, weil es vom Text her zu hart war?
Ich habe tatsächlich mal so ein Projekt angefangen, aber das kann ich nicht veröffentlichen. Anklage-mäßig gehen wir da alle an die Wand (lacht). Hotline Miami flasht mich jedes Mal einfach so. Instrumentalmäßig kannst du den Soundtrack ja einfach nehmen und komplett drüber rappen. Das sind 50 Beats und davon sind locker 20 Hits. Das hat mich in diese „Maske auf und alle totschlagen“-Stimmung versetzt. Dann wurde das Ganze zu einer zusammengestreckten Geschichte—arg, dass du davon gehört hast!

Ich hatte mir auch immer gedacht, dass sich der Soundtrack eben sehr für aggressive Raps anbietet.
Wir haben das Projekt zwar mehr oder weniger eingestampft, aber die Beats sind Vorlage für das Album. Diese wabernden, fiesen Sounds, ich stehe da voll drauf. Das ist auch so ein Achtziger-Ding. Aber es ist nicht so wie Fitti, so fröhlich-möhlich, sondern schon so ein bisschen…eben asozialer.

Warum war das so ein Problem? Hast du viele Namen genannt?
Ja… auch (lacht). Nicht mal so Rapperkollegen, sondern einfach auch größere und private Leute. Das geht nicht. Du kannst nicht einfach einen Namen aus deinem Leben nennen. Wobei „LOL“ von deinem letzten Album auch schon ziemlich hart war.
Ja, war es, aber trotzdem noch allgemeiner gefasst. Aber stimmt, „LOL“ kam dem, was da passiert ist, am nächsten. Was ich da drei Tage lang in meinem Kämmerchen aufgekritzelt habe und dann verworfen habe.

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Wenn du dich jetzt mehr auf Gaming-Kram konzentrierst, wird es dann auch in deiner Musik eine kleinere Rolle spielen? Einfach weil du es ja jetzt ausleben kannst?
Im Endeffekt war ja Pubertät wie die reale Pubertät eine Findungsphase und am Ende lief es wieder auf Videospiele raus. Schau mal, ich habe für Call of Duty gearbeitet, ich habe Battlefield synchronisiert, jetzt das mit Xbox, ich habe so viel Kram gemacht. Das sind ja alles so kleine Träume. Das ist jetzt kein Gerede mehr, um was geschenkt zu bekommen, jetzt ist das einfach auch ein Job. Deswegen läuft das sehr Hand in Hand und ich glaube, das ist auch das, was die Leute wollen. Man muss es ja auch nicht so kitschig überspielen. Es gibt auch einen anderen Rapper, der auch viel mit Videospielen macht, Dame. Das ist nicht das, was ich machen möchte. Dieses übertriebene, jedem Game etwas widmen, aber eigentlich auch nur mit Pop-Referenzen arbeiten. Weil solche Referenzen einfach das sind, was unser Leben ausgezeichnet hat: Comics, Zeichentrickserien, Filme. Wir heulen immer noch alle, wenn wir den neuen Star Wars-Trailer sehen. Das ist ja das, was wir lieben und abfeiern.

Im Rap hat Gaming einen hohen Stellenwert, das merke ich immer wieder an unzähligen Referenzen.
Voll. Weil wir auch alle eine Generation sind. Klar sind manche ein bisschen älter oder jünger, aber jeder ist in seinem Leben schon einmal mit Videospielen in Berührung gekommen. Selbst wenn du nur Angry Birds auf dem Handy spielst. Das ist superpräsent. Schau mal, was das für ein Markt ist. Wenn du das dem Musikmarkt gegenüberstellst, kann er sich einmal im Jahr den Echo verleihen und sich gegenseitig kitzeln. Videospiele sind almighty. Was Firmen da auch für Geld rausblasen!

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Bist du immer noch der „Nerd-Rapper“?
Ich finde „Nerd“ ist einfach ein beschissener Begriff. Auf der anderen Seite fällt mir auch kein besserer ein. Ich suche ständig danach. „Geek“ ist genauso dumm, „Hänger“ ist wieder so schubladig: „Bäh, ich kann nix und bin dämlich“. Nennen wir es Nerdrap, Pubertät war ja auch eine Nerdrap-Platte. Auch wenn da nicht viele Videospielreferenzen drauf waren. Ich habe mir die Platte seit langer Zeit letztens wieder angehört und gemerkt, dass sie sehr nahe bei mir ist. Was ich sage, stimmt zu 95%. Klar ist es überspitzt. Im Endeffekt musst du nur eine Folge Radio Nukular hören und du weißt, wie die Figur dahinter tickt und dass alles real ist. Früher kam immer der Vorwurf, dass ich nur aus Image-Gründen der Nerd bin. Aber was bin ich denn dann dahinter? Supercool? Blödsinn.

Das Podcasten kann ja auch Teil deiner Promophase sein.
Einer sehr langgestreckten, ungeplanten Promophase.

Neben den ganzen „harten“ und „coolen“ Rappern bleibst du dadurch aber schon der Außenseiter.
Das ist wieder das Schulhofsystem, das in die Rapwelt übergesprungen ist. Wie auf dem Schulhof war ich zwar mal kurz mit den coolen unterwegs—mit Casper und Cro und so—aber du bleibst nicht lange dabei. Weil du es einfach nicht bist. Man muss halt selber erkennen, ob man jetzt zu diesen ganzen Hipster-Spastis dazugehören muss oder akzeptiert, wer man ist und sich seinen eigenen Kosmos aufbaut. Dann musst du dich nicht mehr erklären, dass du gerade cool mit Casper rumhängst. Scheiß drauf. Nichts gegen die Leute, aber ich habe mit diesem ganzen Rapding inzwischen… ist nicht böse gemeint, aber ich habe keinen Bezug mehr dazu. Ich habe Bock auf die Gamescom und die E3, aber ich habe null Bock auf’s splash!. Es ist eine geile Veranstaltung, aber ich habe mich in diesem Rap-Kosmos in den letzten Jahre nicht mehr zuhause gefühlt, auch von den Leuten her. Ich bin ein anderer Typ, bin viel introvertierter, wohne in einem Kaff bei Offenbach und da bleibe ich auch am liebsten.

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Und wie ist dann dein Blick von außen auf die Szene?
Durchwachsen. Dieses Jahr habe ich drei, vier Platten richtig gefeiert, aber wenn ich sehe, was da in letzter Zeit mit Liont und Spongebozz los war… Wenn das jetzt das große Ganze ist, mit dem Verkauf von 20.000 Boxen. Na gut.

Wobei diese beiden innerhalb der Szene stark kritisiert werden.
Aber trotzdem ist ein großer Markt dafür da. Die Kinder sind komplett verzogen. Wenn du im Videospielsegment sagen würdest, dass Angry Birds tausendmal erfolgreicher als GTA ist, heißt das ja trotzdem nicht, das Angry Birds das bessere Spiel ist. Stell mal Liont und Spongebozz neben ein Zugezogen Maskulin-, Orsons -oder Bushido-Album. Das geht kilometerweit auseinander, zeigt aber wieder, was da passiert. Das kommt ja alles von YouTube. Dieser YouTube-Kosmos, den wir alle nicht ernstgenommen haben, geht jetzt in die Charts. Du kannst es nicht mehr ausblenden.

So richtig kann man vom Musikerdasein heutzutage ja nicht leben, wenn dich nicht gerade ein Major gesignt hat. Sind Nebenverdienste oder Existenzängste oft ein Thema unter Rap-Kollegen?
Ich glaube, da muss man immer Realist bleiben. Ich habe den Traum lange genug gehabt und es war auch cool, aber gerade 2013 hat mich unfassbar arg in die Knie gefickt. Das hat mich finanziell einmal komplett auseinandergenommen. Es war einfach ein schwieriges Jahr. Das wurde durch den Deal mit Embassy ein bisschen abgefangen, aber es war trotzdem fies. Den Job jetzt habe nicht nicht nur, weil er geil ist, sondern auch, weil er Geld bringt. Allein durch Musik—seien wir ehrlich, bei den Platten, die ich verkaufe und den Gigs, die ich spiele—könnte ich mich nicht halten. Dann hätte ich wahrscheinlich schon längst einen Job in einer Agentur angenommen und hätte ganz aufgehört. Bei anderen Kollegen—auch bei Leuten, wo man es teilweise nicht denkt—gibt es schon viele Leute, die Nebenjobs haben. Ich kenne auch echt nur acht bis neun Rapper gut und davon sind vier mittelbekannt, der Rest ist eher kleiner. Bei den großen, Casper oder so, ist es ja klar, dass die davon leben können.

Ohne jedes Jahr etwas zu releasen…
Ich finde auch, dass der Fan irgendwann mal lernen muss, dass der Künstler nicht jedes Jahr eine Platte rausbringen kann. Klar, wenn man Fler-Fan ist, wird man sehr verwöhnt. Ganz ehrlich, ich hab gegen diesen Mixtape-Charakter von ihm nichts. Dann gibt’s wenigstens mehr Fler-Interviews im Jahr! Wenn die Leute das machen wollen… Ich könnte es halt nicht, weil ich auch andere Sachen mache. Wenn sich aber jemand Rap total verpflichtet fühlt, wenn Fler jedes halbe Jahr eine Platte machen will, soll er das doch machen. Was ich aber wieder daran ganz gut finde, ist, dass Leute nicht mehr ins Studio gehen, um das große musikalische Album zu machen. Der Zug ist auch abgefahren. Ich finde gut, dass jetzt wieder Leute wie Lance oder Genetikk kommen, weil das einfach Rap auf dreckige Beats ist. Ich werde auch auf der nächsten Platte einfach wieder rappen. Da steckt keine große Produktion dahinter. Silkersoft und ich und das war’s. Wenn du eine gute Idee hast, reicht das.

Julius ist auch bei Twitter: @Bedtime_Paradox

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