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Tua Week: Das Porträt, 1/3

Am Freitag erscheint Tuas EP ‚Stevia‘. Wir haben das Ausnahmetalent zu dem vielleicht längsten Interview aller Zeiten getroffen. Heute gibt es den ersten Teil des Porträts.

Foto: © Jan Kapitän

Hört man sich in der HipHop-Szene um, dann scheint Tua der eine Künstler zu sein, auf den sich alle als das musikalische Ausnahmetalent einigen können. Wenn wir heute von dem ideologisch wie musikalisch unverkrampften Genre Deutschrap sprechen, dann nennen wir trotzdem Zum Glück in die Zukunft und XOXO als Türöffner. Tuas Grau wird in diesem Kontext fast nie erwähnt. Wenzel Burmeier bezeichnet Grau in der Juice jedoch als „Blaupause für unverkrampfte Emotionalität in der deutschen Raplandschaft.“ Nun sind aus Marteria und Casper Popstars geworden. Tua aber ist „nur“ das Genie geblieben, das irgendwo zwischen Alleskönnen und verkopfter Sturheit steckt.

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Am Freitag erscheint die neue EP Stevia, Tuas wohl bestes Projekt seit Grau. Wir wollten dazu nicht das übliche halbstündige Interview führen. Wir wollten Tua für uns haben und uns mit ihm über Stevia, seine Herkunft, die musikalische Sozialisation und seine Karriere unterhalten. Weil er gerade in der Promophase zu Stevia steckte und an einem neuen Orsons-Album sitzt, hofften wir darauf, großzügige drei Stunden mit ihm einplanen zu können. Am Ende verbrachten wir fast sechs Stunden mit ihm. Diesem Gespräch würde ein einzelner Artikel nicht gerecht werden. Deswegen gibt es heute den ersten von drei Teilen unseres Tua-Porträts.

Foto: © Jan Kapitän

Als wir Tuas Label Chimperator vor einigen Wochen die Idee unterbreiten, uns mit ihm in seinem Studio zu treffen, kommt von Tua eine höchstpersönlich erstellte dreiseitige PDF zurück, in der er erklärt, dass er mit uns lieber ins Kunsthotel Luise gehen wolle. Dort gebe es ein Zimmer, inspiriert vom amerikanischen Künstler Edward Hopper. „Die Mucke auf Stevia ist schon fast eine Übersetzung seiner Bilder in Musik,“ schreibt er.

Also gut, das erwähnte Zimmer wird organisiert und ich warte vor dem Hotel. Tua biegt im Tua-Style mit Lederjacke und fein säuberlichem Chin Curtain um die Ecke. Er hat eine Spiegelreflex dabei und beginnt erst einmal, Fotos und Videos vom Hotel zu machen. Wir gehen rauf ins Zimmer, in dem Tua zunächst das Edward-Hopper-Gemälde abfilmt. Warum eigentlich Edward Hopper, frage ich. „Ich mag die Ordnung, Zeitlosigkeit und die Isolation in seinen Bildern. Du weißt nicht, wie du sie zuordnen sollst.“ Besonders letzterer Punkt steht exemplarisch für Tua selbst, der sich Zeit seiner Karriere nie auf nur ein Genre oder bestimmten Sound festlegen wollte.

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Johannes Bruhms, so sein richtiger Name, wuchs im schwäbischen Reutlingen auf, das sich mit seinen 110.000 Einwohnern gerade so Großstadt nennen darf. Ein bürgerliches Paradies, das, wie überall anders auch, Migranten und Hell's Angels gleichermaßen beherbergt, nur eben in überschaubarer Zahl. In diesem Mikrokosmos findet Tuas Jugend statt, in der er als Sohn eines ukrainischen Flüchtlings und einer deutschen Mutter erst mal Identitätssuche betreibt. „Ich habe viel mit Russen gechillt, gerade weil die Herkunft in unserer Familie eigentlich nie Thema war“, erklärt er. „Das war auch cool, aber das wurde mir dann zu holzig. Irgendwann war es echt genug mit den schwarzen BMWs und dem Semetschki Kauen.“

Es folgte eine Phase, in der Tua mit Leuten abhing, die man für Reutlinger Verhältnisse vielleicht Banger nennen kann. „Das war auch wichtig, aber auch um zu wissen, dass ich da nicht hingehöre, ich war immer bei jedem Scheiß dabei, bin aber im Gegensatz zu anderen immer am Knast schön vorbei.“ Warum es nie zum Ernstfall gekommen ist? „Weil ich quatschen konnte und ich am Ende doch vernünftig war.“ Das leicht proletige Bild, dass Tua vor allem in öffentlichen Auftritten verkörpert, hat also definitiv seinen Unterbau.

Foto: © Jan Kapitän

„Und ich hatte Musik.“

Tuas musikalische Sozialisation beginnt sehr früh. Schon im Kindergartenalter überspielt er Tapes auf einem Kassettenrekorder mit drei Tapedecks und nimmt mit einem Minikeyboard und selbst gebastelten Drums aus Mamas Putzeimern so etwas wie Musik auf. Seine Eltern schicken ihn zum Klavierunterricht, weil die älteren Geschwister alle auch ein Instrument spielen und der Kleinste offensichtlich Talent hat. „Ich habe es gehasst, ich wollte lieber klettern und Fußball spielen,“ erinnert er sich. Die Liebe für Musik bleibt trotzdem. In der Schule eingetauschte Basketballkarten verkauft Tua um sich CDs zu besorgen. Die erste CD? „Cotton Eye Joe von Rednex, richtig schlimm.“ Um ihn musikalisch auf den richtigen Weg zu bringen, steckt ein Nachbar dem jungen Johannes Techno-CDs zu.

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Er beginnt fortan, Musik selber zu suchen und steht stundenlang in Kaufhäusern und hört sich CDs an. „Ich habe mir damals bei einer Platte vier oder fünf Songs rausgesucht, weil mir bei denen zum Beispiel die Bassdrums gefallen haben. Ich habe die Sachen viel analytischer gehört, als ich das damals vielleicht verstanden habe.“

Mit zehn Jahren kommt er auf Tupac, weil „die Kanacks am Fußballplatz“ das immer gehört haben und HipHop einfach cool ist, wenn man anfängt, Mädchen abzuchecken. Tua, der immer alles ausprobieren wollte, fängt sehr schnell an, selbst zu rappen und schreibt mit zwölf seinen ersten Song. „Von da an wusste ich es immer, dass ich das machen will.“

Doch die wirklichen musikalischen Offenbarungen erfährt er durch die Brüder eines Kindergartenfreunds. „Die waren richtige Kiffer, mit denen ich mit 14 zum ersten Mal Bong geraucht habe,“ erzählt er. „Die haben Portishead und Massive Attack, also so Kifferzeug gehört, aber auch The Fat of the Land von Prodigy.“ Er klatscht in die Hände. „Das waren die Platten die mein Leben verändert haben.“

Tua fängt an, immer mehr Raps zu schreiben und produziert mindestens genauso gerne die Beats. Doch bis er die eigene Musik jemandem zeigen will, vergehen noch einige Jahre, in der er noch alles andere Erdenkliche versucht: Basketball, Kampfsport, Breakdance, Malen, Züge sprühen. „Ich habe jeden Scheiß versucht und meistens bin ich gescheitert.“

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Foto: © Jan Kapitän

Außer bei der Musik.

Wenn man Tua so gegenüber sitzt und er über Kassettenbänder, Fußball und Portishead reflektiert, dann versteht man auch die Diversität in seinem Sound. Der 28-Jährige hat sich ohne Furcht in so ziemlich alles gestürzt, was ihm angeboten wurde, immer auf der Suche nach „seinem Ding“. Dabei wollte er nie ins Extreme abrutschen und hat es meistens geschafft, das Beste aus den Disziplinen zu ziehen.

Mittwoch kommt der zweite Teil unseres Porträts, in dem wir über Tuas Karriere, die Orsons und eigene Verfehlungen sprechen.

Am Freitag, dem 28.03., erscheint Tuas EP Stevia bei Chimperator. Ihr bekommt sie digital bei Amazon oder iTunes und als limitierte CD exklusiv bei Chimperator.

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