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Die Schönbrunner Gloriettenstürmer bringen Mütter und Gangster zum Weinen

Dieses Video ist sowohl für Gangstarap- als auch für Schlagerfans zutiefst verstörend. Wer zur Hölle sind diese Typen?

Zwei Typen in Goldketten, Pelzmantel und Cap rollen mit dem SUV durch die Großstadt-Nacht und doch sind sie keine Rapper: sie sind Schlagersänger. So gesehen am Freitag, als uns per Mail der Videoclip der Schönbrunner Gloriettenstürmer erreichte. Natürlich hatten wir vorher noch nie gehört, wer oder was das sein sollte. Aber der Bandname hatte, nun ja, seinen eigenen Swag. Nur einen Klick später war ich zutiefst verstört. Schwarz-Weiß-Aufnahmen von Hochhausblock, gepaart mit typischen Rapper-Bewegungen (die Koksnase und die Finger-in-den-Po-Hand zum Beispiel) der in Rapper-Klamotten gehüllten Protagonisten und dazu Zeilen wie diese hier: „Tausend Lilien umgeben uns, doch ich weiß genau, von allen Düften der Welt schmeckt mir nur er.“ Dazu säuselt fatalistisch eine Geige. Sollte das nun das Gangsta Rap-verarschende Witz-Projekt zweier kulturell wie modisch bewanderter Großstadt-Hipster sein?

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Hat man dann allerdings den Klick auf die Soundcloud-Seite der Gloriettenstürmer gewagt, lässt sich diese These schnell nicht mehr halten. Song-Titel wie „Café in Milano“, „Für eine Hand voll Edelweiß“ und „Armin der Skilehrer“ legen nahe: Da meint es einer offenbar ernst mit der super-kitschigen, immer ein wenig melancholischen Alpen-Romantik und den Schunkel-Stücken für Natur-Liebhaber und Winterurlaub-Vermisser. Zugleich hat das immer noch irgendwas, was einem den Glauben schenkt, dass hinter den naiven Texten mehr steckt als tumbe Heimatverbundenheit. Dann wiederum ist da ein mittlerweile zwei Jahre altes Musikvideo, in dem die Gloriettenstürmer noch ohne HipHop-Klamotte und dafür in kreuzbraven Anzügen auftreten und in dem unter anderem die österreichische Schauspiel-Eminenz Hilde Sochor und Marie-Luise Stockinger, eine aus dem Ensemble des Wiener Burgtheaters, auftauchen. Außerdem kann der Zuschauer zwischen drei alternativen Enden wählen. Ohne Frage: Irgendwas, man weiß nicht genau was, ist da im Busch.

Wer zur Hölle sind diese Typen? Um das herauszufinden, haben wir den Kontakt zu Stürmer #1 und Stürmer #2 aufgenommen.

Noisey: Mal abgesehen von dem mit HipHop-Klischees spielenden Video: Welche Gemeinsamkeiten haben Rap und Schlager?
Credibility und Geld. Man muss in beiden Genres authentisch wirken, um an den Hörer heranzukommen. Und um Geld geht es ja immer. Natürlich sind Emotionen ebenfalls sehr wichtig. Aber wir denken, dass sich das selbst erklärt.

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Warum zeigt das Video zu „Der Duft der Liebe“ dann diese Plattenbauten? Seid ihr in denen groß geworden, oder wozu die Straßenattitüde?
Teilweise ja, zumindest war das lange unsere Hood. Aber ursprünglich kommen wir beide vom Land. Im Video geht es allerdings eher um den Kontrast. Hier gleich dickes s/o an die Omniboys und das ganze Filmteam!

Seid ihr beide eher mit Rap oder mit Schlager aufgewachsen?
Wir haben unsere musikalische Karriere beide in der Metal/Hardcore-Szene begonnen: Stürmer #2 als Shouter und Stürmer #1 als Drummer. Daher kennen wir uns auch. Elektronische Musik, Indie und HipHop haben uns aber nebenher auch schon immer begleitet. Dazu kommt unsere Liebe zu älteren Klassikern (genreunabhängig) wie CCR, STS, The Beatles, Slayer oder Die Flippers.

Ist Schlagermusik unterschätzt und wenn ja, warum?
Nun, Schlager wird in der Hinsicht unterschätzt, dass er vollkommen falsch deklariert wird: Im Prinzip ist jeder Beyoncé-Song ein Schlager—emotionale Texte und eben ein Hit. Irgendwann hat das Wort Schlager einfach diesen komischen Beigeschmack von Schnulze bekommen. Aber welcher Song ist bei genauerem Hinsehen nicht schnulzig? Die Wenigsten können einen Schlager-Hit einfach als guten Song hinnehmen. Und das was Helene Fischer macht, ist ja schon lange kein klassischer Schlager mehr. Schlager ist für uns die Freiheit, musikalisch und emotional aus uns heraus zu kommen. Es ist die wohl ehrlichste Musikrichtung—das mag manchmal plump rüber kommen, aber im Prinzip ist es so.

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Wie steht ihr zum schönen Wort Kitsch? Ist das, was ihr macht, Kitsch?
Mit Kitsch bringt man Mütter zum Weinen und die Höschen ihrer Töchter zum Überlaufen. Oder etwas ernsthafter: Das Wort Kitsch hat—zu unrecht, wie wir meinen—eine negative Konnotation, was die Verwendung sehr schwierig macht. Von einer anderen Seite betrachtet kann Kitsch auch eine sehr schöne Sache sein: Die nicht ganz humorlose Übertreibung emotionaler Thematiken hilft dabei, Gedanken auszudrücken, für die sich viele in dieser nüchternen, rationalen Welt schämen würden. Für die einen mag unsere Musik also kitschig sein, für die anderen nicht. Ganz ehrlich, jeder grölt doch gern mal einen Schlager-Hit mit—ob Fendrich oder Fischer. Wir handeln da frei nach dem Motto: Kitsch, don't kill my vibe!

Wie viel Ironie steckt in dem, was ihr tut?
Das werden wir oft gefragt. Da möchten wir gleich vorwegnehmen: Es ist nicht unsere Absicht, uns über irgendwas oder irgendwen lustig zu machen. Ein wenig Ironie schwingt sicherlich mit—vielleicht auch teilweise Selbstironie. Im Grunde genommen denken wir jedoch nicht so viel darüber nach, sondern tun, was uns und inzwischen auch vielen anderen Freude macht.

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