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Taylor Swift ist nicht wie andere Berühmtheiten, sie ist schlimmer

Warum nur Kim Kardashian Taylor Swift bloßstellen konnte.

Kanyes Video zu "Famous" ist große Kunst. Und es ist ein ekelhafter, voyeuristischer Eingriff in die Privatsphäre der dargestellten Personen. Beide Statements können wahr sein, genau wie Taylor Swifts und Kanye Wests Interpretation desselben Telefongesprächs wahr sein kann.

Aber wann war die Wahrheit in der Popmusik jemals von Bedeutung? Wie in der Politik, im Reality TV, bei Drag oder beim Profi-Wrestling ist es alles Performance. Die einzige Wahrheit, die von Bedeutung ist, ist emotional. Bei Popsongs geht es nicht um die Texte, sondern darum, wie überzeugend du sie singen kannst. Und Kim Kardashian mag vielleicht eine furchtbare Sängerin sein, aber sie hat der gesamten Popwelt gerade eine Lehrstunde in Sachen Beef erteilt.

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Kims Snapchat-Gechichte ist bereits so etwas wie der Zapruder-Film der Millennials. Hat Taylor der "Famous"-Zeile wirklich vor der Veröffentlichung zugestimmt? Sieht ganz danach aus. Im Video ist nicht die ganze Unterhaltung zu sehen, also fehlt vielleicht ein wichtiger Teil des Kontexts. Trotzdem sind zwei Dinge unbestritten.

Erstens: Kanye erschien noch nie liebenswürdiger. Er sagt zu Taylor: "Was mir wichtig ist, bist du als Person und als Freundin. Ich will Dinge, mit denen du dich gut fühlst. Ich will keinen Rap machen, durch den sich Leute schlecht fühlen." Wir beschuldigen Prominente—und zwar immer die, die wir nicht mögen—unaufrichtig zu sein und Publicity Stunts für Geld oder Aufmerksamkeit zu inszenieren; was auch immer das bedeutet. Großartige Popmusik kann kalkuliert und authentisch sein, provokant und emotional bewegend. Aber wenn Kanye sagt: "Beziehungen sind wichtiger als Punchlines", dann merkst du, dass er es so meint.

Zweitens: Taylor täuscht keine Höflichkeit vor. Ihre Pressemitteilungen haben ein Bild des Ekels gezeichnet, ihre erste Antwort im Video ist jedoch alles andere als emotional. "Ich bin sehr nah dran, zu viel vorzukommen", sagt sie in einer rationalen Bewertung, wie die Öffentlichkeit auf den Song reagieren wird. Alles andere, was sie sagt, ist positiv, relaxed und wird ohne zögern geäußert. "Nimm die Zeile, die du am besten findest. Es ist sowieso offensichtlich sehr ironisch. Und ich schätze es sehr, dass du mir davon erzählst, das ist wirklich nett!" Am Ende des Videos einigen sich beide auf die Absicht des Songs und sie stimmt implizit zu, ihn zu unterstützen. "Es wäre toll, wenn ich sagen würde: 'Seht, er hat mich vorher angerufen und mir von der Zeile erzählt.' Im Sinne von: Wir haben uns einen Scherz erlaubt, Leute, alles in Ordnung."

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That moment when Kanye West secretly records your phone call, then Kim posts it on the Internet.

Ein von Taylor Swift (@taylorswift) gepostetes Foto am 17. Jul 2016 um 21:14 Uhr

Obwohl die Unterhaltung ziemlich geradlinig ist, sind Taylors Pressemitteilungen seither voller Löcher. Woran sie sich anscheinend stört, ist, in der Öffentlichkeit "diese Bitch" genannt zu werden. War es in ihrer Unterhaltung also "ironisch gemeint", im Song selbst allerdings frauenverachtend? Erinnerungen verschwimmen, aber das Video ist objektiv. Vielleicht war ihre emotionale Reaktion authentisch, vielleicht hat sie sie nur erschaffen, um einen triumphalen Moment bei den Grammys für sich zu beanspruchen. Aber indem sie ihre Unterhaltung mit Kanye nicht ab dem ersten Tag eingeräumt hat, sah es so aus, als hätte sie etwas zu verstecken. Eine schlecht erzählte Wahrheit kann genauso gut eine Lüge sein.

Kanye hat schon immer radikale Ehrlichkeit praktiziert, was seinem Ruf oft geschadet hat. Das Snapchat-Video zeigt eine sanftere Seite von ihm; eine, die trotzdem zu seinem ungefilterten öffentlichen Image passt. Aber da es Kim war, die das Material hochgeladen hat, geht ist nicht länger um Kanye, der sich an Taylor rächen will. Es geht um eine Ehefrau, die ihren Mann verteidigt. Kim muss sowohl die Kritik einstecken, kann aber auch den Triumph beanspruchen. Alles, was Kim tun musste, war, Taylor in ihre eigene Falle tappen zu lassen, indem sie Videomaterial veröffentlicht, in dem sie wirklich nett gegenüber Kanye ist. Ist das so grausam?

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Taylor Swifts Songwriting, ihre größte Gabe, baut auf emotionaler Ehrlichkeit auf. Sie schreibt ihre Version der Wahrheit, wie alle Songwriter—aber seit Jahren spielt sie durch ihre Songs Spielchen. Schau dir "Dear John" an—eine verletzte Beichte und eine wenig verschleierter Text über ihren Ex John Mayer. 2010 war sie der Underdog, er der schmierige, manipulative Idiot. Niemand, schon gar nicht Taylor, hat seine Gefühle berücksichtig. Es war der erste von vielen Fällen von etwas, das sie bei Kim später als "Rufmord" bezeichnen sollte.

Als 2014 "Bad Blood" erschien, hatte sich das Blatt gewendet. Der Vorfall, der den Song inspiriert hatte—ein Streit mit Katy Perry über gemeinsame Backup-Tänzer—fand hinter den Kulissen statt, doch es war Taylor, die ihn öffentlich werden ließ. War Katy im Unrecht? Wen interessiert es? "Diese doppelgesichtigen Popstars blühen durch das Drama auf!", schien Taylor auf einer Single zu sagen, deren Publicity-Kampgane auf Drama aufbaute.

Watch out for the Regina George in sheep's clothing…

— KATY PERRY (@katyperry) 9. September 2014

Die Verletzlichkeit von Taylors introspektivsten Songs—"Back to December", "Begin Again", "Clean"—ist in ihrer öffentlichen Persönlichkeit mittlerweile nicht mehr zu finden. Sie stellt sich selbst als unantastbar da, über dem Mist und den Boulevardmedien stehend. Kim hat Taylor als Teil des Spiels entlarvt, aber was schlimmer ist, ist, dass Taylor es immer noch abstreitet. Ihr Statement bei Instagram endet mit den Worten: "Ich würde sehr gerne aus dieser Geschichte rausgenommen werden, einer, dessen Teil ich seit 2009 nicht sein möchte." Egal, ob sowohl sie als auch Kanye diese Geschichte genutzt haben, um sich selbst sympathischer zu machen. In den Fehden, die Taylor konstruiert hat, hat sie jedes Mal die moralische Überlegenheit beansprucht. Falls die objektiven Fakten damals nicht von Bedeutung waren, dann sind sie es auf jeden Fall jetzt. Mit einer Snapchat-Geschichte hat Kim Taylor Swift die wohlverdiente Strafe für jeden, den sie jemals öffentlich an den Pranger gestellt hat, verabreicht.

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Ruhm ist kein Gerichtssaal und auch nicht Game of Thrones. Es ist Profi-Wrestling, wo die Stars sich wegen allem streiten können und das Publikum seinen Unglauben ausschalten kann, um es zu genießen, und niemand wirklich jemals verletzt wird. Diese Niederlage könnte genau der Auslöser sein, den Taylor Swift benötigt. Jeder ihre Albenzyklen wurde von irgendeiner Art Selbstbetrachtung in Gang gesetzt, die zu einem neugefundenen persönlichen Wachstum führte. Vielleicht nicht morgen, aber in einem Jahr, wird sie aufwachen und darüber lachen, so wie sie gelernt hat, über die VMAs zu lachen. Vielleicht kommt sie auch mit einer Single zurück, die doppelt so unbedeutend wie "Bad Blood" ist, und wir werden sie lieben, weil Popstars sich nicht zuordnen lassen müssen. Sie müssen nur fesselnd sein. Das Publikum gewinnt in jedem Fall.

"Blank Space" und "Famous" sind zwei Seiten der gleichen Medaille—keine zwei Videos zeigen Ruhm in den 2010ern anschaulicher. Kanye und Taylor sind vielleicht dazu verdonnert, das auf ewig zu machen. Aber es ist keine Blutfehde, es ist eine symbiotische Beziehung. Sie pushen sich weiter zu neuen Höhen, sowohl kreativ als auch persönlich.

Wozu dienen die Leben von reichen Berühmtheiten, wenn nicht zu unserer Unterhaltung? Ob es nun wegen eines Sexvideos ist, der Herausforderung des Präsidenten oder weil du während einer Award-Rede unterbrochen wirst, es ist egal, wie du berühmt wirst. Weiß deine Reputation zu schätzen und du kannst alles überleben. Das ist das Schöne daran, öffentlich an den Pranger gestellt zu werden: Es kann auf jeden Fall nicht schlimmer werden.

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