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Spongebozz ist die Krankheit, die Deutschrap verdient hat

Wie konnte dieser Schwammkopf nur so erfolgreich werden?

Die Kollegah-Fans sind gerade in Hochstimmung: Gerade hat der Boss (also der mit ohne ZZ, nicht Azad, der bringt aber im Januar auch ein neues Album raus) das Zuhältertape Volume 4 angekündigt und damit bestätigt, was ohnehin schon alle geahnt/ gehofft haben. Außerdem hat er in „Genozid“, dem ersten Song von diesem angekündigten Punchline-Massaker, endlich gemacht, worauf wohl fast genauso viele Menschen gewartet haben: Er hat diesen Schwammkopf gedisst.

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Für die unter euch, die keine Rooz-Interviews zum Einschlafen schauen und zu jeder Zeit wissen, welcher Rapper wo in die Charts eingestiegen ist: Nein, es geht nicht um den Cartoon-Helden aus Bikini Bottom. Der Schwammkopf, den Kollegah mit den Worten „Sun Diego war für Rap zu schüchtern und zu androgyn. Heute disst er sein Idol und trägt dabei ein Schwammkostüm“ ehrt, ist tatsächlich ein Rapper. Sein Name: SpongeboZZ (ein Schelm wer hinter dieser offensichtlichen Ähnlichkeit Azad als eines der großen Vorbilder des Möchtegern-Schwammkopfes erkennt).

Einst rappte dieser an der Seite Kollegahs und war mit für den Autotune-geschwängerten Sound der dritten Kollegah-Platte Bossaura (viele würden sagen: nicht des Bosses beste) verantwortlich. Als diese kreative Beziehung auseinanderdriftete verschwand der Rapper, der einst wie Felix A. Blume in der RBA seine ersten HipHop-Gehversuche machte, zunächst mal im Nichts.

Erst knappe zwei Jahre später tauchte dann jener SpongeBoZZ im YouTube-Rampenlicht auf, als Teilnehmer eines Internet-Rap-Battles, das vom schon damals absolut inakzeptablen Juliens Blog veranstaltet wurde. Mit dabei: Ein Typ im Schwammkostüm, dessen Art zu rappen von Anfang an offensichtlich von Kollegah inspiriert schien. Eigentlich machte er inhaltlich wie musikalisch exakt das gleiche wie der Boss: Über kriminelle Machenschaften rappen, Punchlinegewitter veranstalten, sich selbst zum unangreifbaren Übermenschen stilisieren. Nur halt in billig, mit Schwammkostüm und trotzdem weniger humorvoll als das Original.

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Dennoch ging SpongeBoZZ offenbar für viele Rap-Kids als veritable Gangsta Rap-Satire durch—anders ist die folgende Erfolgsgeschichte kaum zu erklären: Erst gewann er beim „JBB“ sämtliche Preise, dann erschien einige Zeit später sein Debütalbum, chartete direkt auf der Eins und verkaufte sich angeblich mehr als 50.000 Mal. In der Zwischenzeit machte Kollegah öffentlich, was längst alle zu wissen glaubten: SpongeBoZZ= SunDiego. Wahrscheinlich verhinderte nur die Indizierung der Platte (wegen eines explizit Polizei-feindlichen Songs) noch höhere, kommerzielle Weihen.

Warum? Das bleibt die große Frage. Sämtliche Rap-Kritiker finden SpongeboZZ (zu Recht) furchtbar und attestieren ihm mangelndes Können genauso wie sie ihm vorwerfen, seine komplette Kunst auf der eines anderen aufgebaut zu haben (diesen Fakt vermag auch das Schwammkostüm nicht zu kaschieren). Im Klartext: SpongeboZZ verkauft ein furchtbar uninspiriertes und langweiliges Produkt, ist damit aber sehr erfolgreich. Also nochmal: warum?

Neben der Tatsache, dass der Schwammkopf sich mit Kollegah immerhin einen der erfolgreichsten Rapper des Landes zum Vorbild genommen hat und ein markttaugliches Konzept häufig auch noch in der abgeschmackten Kopie zumindest okay funktioniert, ist da dieser Zeitgeist.

Es ist nun mal so, dass wahnsinnig viele Kinder und Jugendliche momentan vor allem Deutschrap hören und konsumieren. Dass diese Konsumenten genauso die Klickzahlen von Interview-Trashtalkern à la Rooz und TV Straßensound in die Höhe treiben, ist genauso klar. Ebenso ist davon auszugehen, dass zumindest die Hälfte dieses Publikums den ganzen Rapupdate-Zirkus vor allem darum verfolgt, weil man über die ständigen Beef-Eskapaden der Deutschrapper gut auf dem Schulhof feixen kann.

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In diesem Sinne dürften viele Kids das Schaffen des Schwamm-Bozzes tatsächlich als Satire interpretieren. In eine ähnliche Richtung ging vor ein paar Monaten auch ein Artikel auf Welt.de, der Spongebozz attestierte, er würde ganz Deutschrap vorführen: „Deutschrap ist heute wie amerikanisches Wrestling: eine Show, in der sich das Publikum mehr für die Charaktere interessiert als für das, was sie eigentlich leisten.“, schrieb der Autor des Textes. So weit, so treffend. In der Folge unterstellte er SpongeBoZZ allerdings, bewusst gemachte und kluge Satire zu sein.

Ab diesem Punkt ist Widerspruch nötig: Selbstverständlich kann ich nicht beurteilen, ob der Künstler seine Kunst als Satire versteht und seine Lyrics humorvoll gemeint sind. Allerdings macht er seine Arbeit als Satiriker definitiv nicht gut. Wie bereits beschrieben, besteht seine künstlerische Leistung vor allem darin, dass er das Erfolgrezept Kollegahs kopiert und dabei ein Schwammkostüm trägt. Natürlich bekommt das Ganze durch das Überführen in den Bikini Bottom-Kosmos eine absurde Note, aber da alles andere an SpongeBoZZ aktuelle Deutschrap-Stereotype widergibt, aber es nicht vermag, sie durch kluge Überzeichnung tatsächlich zu brechen. Insbesondere, wenn Sun Diego/ SpongeBoZZ nun auf den Seitenhieb Kollegahs reagiert, in dem er „Kollegah ist Schwul“ auf sein Facebook-Titelbild schreibt, ist das viel mehr ein Offenbarungsheit. Dann bricht die ganze „Ich überzeichne die Rap-Klischees ironisch“-Masche nämlich fix zusammen und SpongeBoZZ erscheint einem plötzlich ganz und gar unironisch und bestätigt scheinbar das, was ihm seine Kritiker vorwerfen: Dass er eigentlich ein mittelprächtiger MC ist, der ursprünglich so sein wollte wie Kollegah, dessen Angeber-Rap ganz unironisch toll findet und sein Schwammkostüm deshalb trägt, weil man damit den Rap-übersättigten Kids leichter das Geld aus der Tasche ziehen kann.

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