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Elf Dinge, die du über das neue Skrillex-Album wissen musst

Spoiler: Wenn dein musikalischer Horizont von billigem Vodka und taurinhaltigen Softdrinks benebelt ist, wird dir das neue Skrillex-Album ‚Recess’ vermutlich gut gefallen.

Heute morgen glühten die Newsfeeds der sozialen Netzwerke mal wieder. Der amerikanische EDM-Produzent Skrillex machte einen Bowie oder Beyoncé, was soviel heißt wie: Er veröffentlichte sein Debütalbum Recess ohne große Vorankündigung. Gut, man hätte es ahnen können—schließlich wurde Skrillex' App vor einigen Tagen bereits auf Reddit zerlegt. Von der Veröffentlichungsstrategie mal abgesehen birgt jedes neue Skrillex-Release aber erst einmal viel Reibungsfläche: Ist es so übel, wie man es erwartet? So, wie man es sich als über Jahrzehnte an elektronischer Musik geschulter Kontinentaleuropäer wünscht? Oder muss man nach vorurteilsfreiem Hören dann doch feststellen, dass Recess eine der relevanteren Platten des Jahres ist?

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—Spoiler—

Musikalisch kann man das schon so machen und feiern—aber nur, wenn der eigene Horizont von billigem Vodka und taurinhaltigen Softdrinks benebelt ist oder die neue HiFi-Anlage tiefergelegter Sportwagen eingepegelt werden muss. Für alle anderen sind das elf zwischen Rave-Kultur und Hardstyle, Brostep und Bratz-Electro, Drum'n'Bass und Dancehall sowie SoulHop und Radiopop wild platzierte Tracks. Dramaturgie? Fehlanzeige. Wir haben—unabhängig von unseren geschmäcklerischen Problemen mit Recess—trotzdem aufgeschrieben, was du zum neuen Skrillex-Album wissen solltest.

1. Den Albumtitel Recess kann nicht nur mit „eine Pause machen" oder „sich vertagen" übersetzen, sondern auch mit „vorlesungsfrei"—was ganz gut in das Klischee passt, Skrillex' Musik sei die musikalische Entsprechung des amerikanischen Spring Break.

2. Gastauftritte kommen von den Ragga Twins, Diplo, Fatman Scoop, Chance the Rapper, Kid Harpoon, Niki & The Dove, KillaGraham, The Social Experiment, Alvin Risk, Michael Angelakos (Passion Pit), G-Dragon (Big Bang) und CL (von 2NE1). Eine Gästeliste, mit der sich wirklich jede Zielgruppe und popmusikalische Nische abholen lässt.

3. Tatsächlich kommen nur zwei Stücke—„Doompy Poomp" und „Fuck That"—ohne Feature-Gäste aus. Ersterer leakte bereits vor neun Monaten (Kurzrezension von Reddit-User SenorToucan: „I'm digging it."), bei „Fuck That" wobbelt der Bass eher lustlos und uninspiriert vor sich hin—siehe Punkt 8.

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4. „All Is Fair In Love And Brostep" beginnt mit 60er-Jahre-Raumfahrt-Samples, deren Retroästhethik auch schon vor zwanzig Jahren von Man Or Astro-Man?! verwendet wurde.

5. „Coast Is Clear" könnte auch als Skrillex' Antwort auf Chance The Rappers WG-Gründung mit James Blake durchgehen. Klar: Ein Schmusesong mit Klavier auf Garagebeat hat in Sachen Radioairplay ja noch keinem Album geschadet. Solange darauf—wie mit „Dirty Vibe"—dann wieder kräftig Abfahrt folgt.

6. Niki & The Dove befleht in „Ease My Mind" den imaginären DJ, sie doch bitte von ihrem Leid zu erlösen und endlich den Drop zu droppen. Außerdem möge er doch bitte „that song again" spielen. Leider erbarmt sich Skrillex nicht zu einem Reeeeeeewind, aber wenigstens lässt er sich zu Hardstylereferenzen hinreißen.

7. Wenn wir lesen, das Album sei „in Los Angeles, Seattle, Seoul, London, Stockholm, San Francisco und Brooklyn aufgenommen" worden, sollen wir denken: „Er wird monatelang in wahnsinnig teuren Studios gearbeitet haben." Tatsächlich denken wir aber: „Skrillex hat das Album an den Flughäfen dieser Städte auf seinem Laptop produziert." Wir lassen uns aber auch gerne vom Gegenteil überzeugen.

8. Das alles hat musikalisch mit Dubstep original gar nichts zu tun. Lasst euch nichts einreden! Okay, bis auf „Fuck That". Ein ganz klein wenig. In dieser Qualität und Originalität haben wir das aber bereits Hunderte Mal in Londoner Clubs gehört. Allerdings besser!

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9.

Ein hyperaktives Alien wirbt auf

Skrillex' Homepage

für die Games-App „Alien Ride", innerhalb derer du (auf

iOS

und

Android

)

Recess

streamen kannst. Das iOS-App-Icon imitiert Edvard Mönchs ikonisches Gemälde „

Der Schrei

". Die

App

wurde von derselben Agentur—

Motim Technologies

—entwickelt, die schon Anwendungen von Tigerlilly, Big Sean und

Boys Noize (siehe die „Error"-App)

auf dein Smartphone brachte. Die Logik der Aufmerksamkeitsökonomie greift nämlich auch in der Popmusik: Je mehr Zeit du mit einer bestimmten App verbringst, desto weniger Zeit lässt du in Apps von Mitbewerbern.

10. Skrillex wird im Sommer auf dem Rock'n'Heim-Festival spielen—was schon viel über den Zustand von Rock- und Rave-Kultur und noch mehr auf die musikalische Brachialität von Recess aussagt. Andererseits betonte Skrillex am Wochenende in Reddits „Ask Me Anything" noch, dass er ja vom Hardcore und Punkrock komme. „Ich komme von den uncoolen Mittagstischen. (…) Verdammt nochmal, es ist nur Musik. Hört auf, es so ernst zu nehmen und habt Spaß. Und wenn dir was nicht gefällt, dann vergiss es doch einfach, verfickt nochmal!" Nein, nein, nein, so geht's auch wieder nicht: Wer seine Musik veröffentlicht und verkauft, der muss sich auch Kritik am Konzept gefallen lassen. Gerade wenn die künstlerische Maxime Eskalation auf allen Pegeln heißt.

11. Das Album steht ab dem 14. März im Handel. Wenn du auf unsere Meinung scheißt und dir lieber einen eigenen Eindruck machen willst, kannst du Recess hier in voller Länge streamen:

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