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Metalcore-Bands diskutieren auf Twitter, ob sie "N****" singen dürfen

"Heilige Scheiße, haltet euer Maul, das war eine Frage" – Wie ein unbedachter Tweet eine längst überfällige Diskussion auslöste.
Foto: imago | ZUMA Press | The Photo Access

Montagabend hat Trevor Wentworth, Sänger der Post-Hardcore-Band Our Last Night, eine Frage auf Twitter gestellt, die schnell zu einer hitzigen Diskussion führte: "Darf ich JEDES Wort singen, wenn man Kendrick Lamar covert?" Darf er als Weißer also auch das N-Wort sagen? Eine Frage, über die zuletzt sogar die Deutschrap-Szene stritt – mit dem Ergebnis: natürlich nicht. Und auch auf Twitter meldeten sich jetzt schnell Kollegen von großen Szene-Bands, die davon abrieten … Oder sogar schon selbst dieses Wort in ihren Cover-Songs eingesungen hatten.

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Skyler Acord, Bassist der Pop-Metalcorer Issues sprach sich klar dagegen aus: "Weiße, die über N**** reden, sind wie Typen, die über Abtreibungsrechte sprechen. Du kannst eine Meinung haben, aber du darfst nicht mitbestimmen." Ihm sprang Metalcore-Kollege Elijah Witt von Cane Hill bei, der feststellte: "Alter, wenn du DENKST, du kannst es nicht sagen, dann liegt das wahrscheinlich daran, dass du es nicht kannst."


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Dass Musiker, die eigentlich aus der Hardcore-oder Metalcoreszene stammen, sich aus den gewohnten Communitys rausbewegen und mal einen Rap-Track covern wollen, ist eigentlich nichts neues. Spätestens mit dem Nu Metal-Hype Anfang der 00er waren die Genre-Grenzen eh aufgebrochen und in der Szene akzeptierte Rap-Combos wie die Beastie Boys wurden mit fetterem Sound nachgespielt. Dann widmete sich die 2008 erschienene Compilation Punk Goes Crunk Gangsta-Rap und plötzlich spielten junge Core-Bands wie die Post-Hardcorer Scary Kids Scaring Kids den Biggie-Klassiker "Notorious Thugs". Originalgetreu wurde 22 Mal das N-Wort gerappt – allerdings nicht von den (weißen) Bandmitgliedern, sondern den (schwarzen) Feature-Partnern Bone Thugs-N-Harmony.

Da Rap genau wie auch härtere Core-Musik schon lange im Mainstream angekommen waren, wurden seit 2009 auf der verwandten Compilation-Reihe Punk Goes Pop immer wieder HipHop-Songs von Szenebands gecovert, die sich mit der N-Wort-Frage beschäftigen mussten. Als beispielsweise Miss May I "Run This Town" von Jay-Z coverten, sangen sie den Originaltext nur so lange, wie er N-Wort-frei blieb. Alle Lines um das Wort herum wurden dann einfach neu geschrieben, um es kreativ zu umgehen. Genauso haben es auch Silverstein 2011 mit ihrem Cover von Kanye Wests "Runaway" gehandhabt. Doch ein Jahr später droppten die Metalcorer The Word Alive bei ihrem Kanye-Cover von "Mercy" die N-Bombe gleich drei Mal – und verteidigen das jetzt auf Twitter auch unter dem fragenden Tweet ihres Kollegen.

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"Ich hab das gemacht, weil so der Song geht. Kanye selbst hat das sogar OK gefunden",

so Tyler

"Telle" Smith, Sänger der Band. (Damit könnte er sich womöglich auf einen Kanye-Tweet von 2016 beziehen, in dem dieser das Wort

als "liebenswerten Ausdruck"

bezeichnete.)

Und weiter:

"Ich unterstütze es nicht, wenn jemand so in einer hasserfüllten Art genannt wird. Es bei einem Song mitrappen? Komm schon. KANN NICHT gleichwertig behandelt werden, Alter." Woraufhin sich Cane Hills Witt einschaltet und wieder einwirft, dass Telles Meinung als Weißer nicht gerade aussagekräftig ist.

Dann verteidigt Telle sich weiter: Das Cover sei schon sechs Jahre alt und hätte über sieben Millionen Clicks. Trotzdem hätte sich nie jemand darüber beschwert. Gerade in Hinblick auf die aktuellen rechtsextremen Ausschreitungen im US-amerikanischen Charlottesville verweist Witt hingegen darauf, dass die Leute immer aufmerksamer auf Diskriminierungen reagieren: "weil der amtierende Präsident nicht den KKK verantwortlich macht, weil Rassismus real ist".

Und schon beginnt sie, die generelle Diskussion, ob weiße Zuschauer eines Konzerts genau dann ruhig sein sollen, wenn Rapper das N-Wort Wort in seinen Songs benutzt. Darüber wird spätestens seit Jay-Z's und Kanye Wests Hit "N****s in Paris" diskutiert, der das Wort schon per Songtitel endgültig durch die Großraumdiskos dröhnen ließ. Mitrappen oder mal kurz die Fresse halten? Wir haben damals, 2012, einige Besucher der Watch The Throne-Tour gefragt und bekamen geteilte Antworten. Manche fühlten sich schon bei der Nennung des Titels unwohl, andere waren entschlossen, alles mitzusingen, denn: "Wir waren letztens bei Drake und er meinte, es sei OK, das zu sagen."

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Die britischen Grimecorer Hacktivist waren da zwei Jahre später schon konsequenter. Bei ihrem

Cover des Songs

hatten sie weitesgehend auf die Nennung verzichtet und so verhindert, dass auf ihren Konzerten das Wort mitgeschrien werden kann.Wie sich denn nun eigentlich Trevor Wentworth nach all den ganzen Tweets und Replys entschieden hat? So: "Heilige Scheiße, haltet euer Maul, das war eine Frage. Nein, wir sagen es nicht in dem Cover."

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