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​Eine Tour durch Klagenfurts beste unbekannte Beisl

Klagenfurt ist ein Diamant. Ein ungeschliffener zwar, aber immerhin. Man muss halt nur wissen, wo man hier lang muss.

Alle Fotos von der Autorin.

Ich lebe in Klagenfurt. Freiwillig. Ich bin mal gekommen, um zu studieren. Aber ich bin geblieben. Weil ich's hier mag. Franz Lichtenegger wird jetzt den Kopf schütteln. Aber so blöd konservativ dieses Kärnten auch sein mag: Für mich ist das hier wie in einem nie enden wollenden Film von Wes Anderson—wie aus einer anderen Zeit und ein bisschen skurril. Und süß.

Inzwischen studiere ich nicht mehr. Das führt dazu, dass ich nicht mehr so hart fortgehen kann, wie ich vielleicht möchte, und dass ich mich unter Studis auch immer ein bisschen alt fühle. Aber ich weiß mir zu helfen. Jahrelanges Training im Erkennen der besten Nachtlokale hat dazu geführt, dass ich jetzt weiß, wo's lang geht.

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Steigt ein, all ihr Exil-Kärntner in Wien, all ihr Klagenfurter, die eh immer nur ins Claddagh, Theatercafé, Park Haus oder Gates gehen und alle anderen, die auch den verlockenden Duft der Kärntner Nacht schmecken wollen. Hier kommt the real shit.

Der Bayrische Kärntner

Beginnen wir unseren Abend fern der Innenstadt in St. Ruprecht—dem Teil der Stadt, den die Klagenfurter normalerweise aus Angst nicht betreten; auch bekannt als meine Hood.

In der Heizhausgasse, gleich neben dem etwas heruntergekommen Einkaufszentrum Südpark, ist mein Lieblingsbeisl im Viertel: Der Bayrische Kärntner. Ich bin sehr wählerisch, was meine Kneipenwahl angehen, aber hier habe ich mein Herz schon nach einer Minute verloren. Dieser Traum von einem Beisl ist ein liebevoll zusammengeschustertes Hüttchen; es wirkt schäbig, aber gleichzeitig auch wie in einem Alpen-Wellnesshotel, das sich um eine urige Kaminstube bemüht. Die Möbel und das Dekor sind erschreckender Weise weniger geschmacklos als erwartet. Halt nur bayrisch.

Es gibt bayrisches Weißbier und sogar eine Speisekarte aus Bayern. Herbert, der Besitzer, zeigt sie mir: Ich kann nun also erfahren, was das Wirtshaus Stockhammer in Rosenheim anbietet. Was es bei Herbert gibt, kann ich nur erfragen.

Das letzte Mal, als ich da war, saß am Ecktisch ein Pärchen. Sie redeten leise miteinander und tranken Tee. Der Herbert unterhielt sich quer durch den Raum mit den beiden. Ich entnahm dem Gespräch, dass die beiden Afghanen sind. „Afghanistan, ah, beautiful country!", meinte der Herbert und strahlte. Ich frage mich, was ihn zu dieser Meinung bewegt. Ob er wohl schon mal da war? Ich find's auf jeden Fall süß, dass die beiden da sitzen, zwischen all den schnapsenden Bierdimpfeln, in einem Lokal, dass engstirniger und konservativer nicht heißen könnte, und sich niemand daran stört.

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Der Bayrische Kärntner ist genau der richtige Ort, um den Abend zu starten. Im Sommer ist ein Platz in der Laube zu empfehlen und in den frühen Abendstunden ist in der Innenstadt eh noch nix los.

Der Slowenen-Klub

Es wär zwar nett, länger in St. Ruprecht zu bleiben, aber so wird ja keine Beisl-Tour draus. Also auf in die Innenstadt. Im KSŠŠK, dem Klub Slowenischer Studentinnen und Studenten in Kärnten, fühlt man sich immer ein bisschen komisch. Aber auch gut. Der Verein hat in der Speyergasse, schwer versteckt mitten in der Innenstadt, sein Domizil. Die Klub sieht wie ein WG-Wohnzimmer aus und ist auch nicht recht viel größer. Ich komm mir hier immer vor wie auf einer WG-Party: Man hängt auf den Couchen ab, trinkt aus Plastikbechern, der Boden klebt und DJ YouTube legt auf. Nur, dass ich hier nie jemanden kenne und daher das komisches Gefühl habe, fehl am Platz zu sein. Aber das Bier kostet nur zwei Euro, die Musik ist gut und Leute sehen so aus, als würde ich sie mögen, wenn ich sie kennen würde.

Einmal war ich zu einem Brass Konzert hier. Das war ein schrecklicher Abend. Fünf Bläser in einem wohnzimmergroßen Raum ist einfach zu viel für meine zarten Öhrchen. Mein Freund David erzählt aber, es gäbe hier jetzt immer witzige Aktionen wie Leberkäse und Laško-Abende. Leider habe ich davon nie was mitbekommen. Vielleicht werden nur Studis eingeladen. Ich würde mich wieder deplatziert fühlen. Aber irgendwie auch gut. Mein Freund Moritz dagegen meint, der KSŠŠK wird jetzt trendy. Ich konnte das noch nicht beobachten. Ich hoffe, es passiert nie.

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Chili

Ich glaube, niemand mag das Chili und trotzdem landet man immer wieder hier—und man muss schon hart gesotten sein, um es hier auch länger auszuhalten. Aber hart im nehmen bin ich eh. Außerdem will ich um 2:00 Uhr noch nicht heim und in Klagenfurt gibt es dann nur noch wenig Bars, in die man gehen kann, Clubs sowieso keine. Das Chili hat als eins der wenigen Lokale eine Erlaubnis, um bis 4:00 Uhr auszuschenken.

Das Chili ist ein trostloser Ort: Venezianische Masken konkurrieren mit Gamsgeweihen und Bilder von chinesischen Zeichen um den Titel des häßlichstes Dekorelements. Auch hier klebt der Boden und die Sperrholzmöbel in dunklem Lack hellen die Stimmung nicht auf.

Doch nachdem dich die verzweifelte Suche nach Alkohol in diese Hölle getrieben hat, stellst du bald fest: Du bist nicht allein. Neben dir an der Bar stehen Armin, Dieter, Claudia, zumeist irgend ein Mitglied jener Görtschitztaler Familie, der dieses Etablissement gehört, und sonstige bunte Konsorten.

Armin ist gerade mit seiner Schicht in der Nachbarsbar fertig und trinkt noch ein Feierabendbier. Claudia purzelt eben mit größerem Anhang herein. Der Rausch lacht mich aus ihrem Gesicht an. Normalerweise kenne ich die doch hochprofessionell als Kulturtante von Klagenfurt? Aber gut, sie ist nicht die einzige, der man den Besuch im Alkoholiker-Paradies nicht zugetraut hätte. Dieter, der hier glaube ich jeden Abend Jacky Cola trinkt, ist im echten Leben Lehrer und erklärt gern mit ausschweifenden Gesten den Sinn des Lebens.

Hierher kommt man nicht wegen der Mischung im Glas, sondern im Publikum: Neben dem Kultur-Who-is-Who der Stadt gibt es Proleten aus dem Görtschitztal, Diplom-Chemiker und auch Nähmaschinenverkäufer. Wenn dann auch noch Horsti hinter der Bar seine Feuershow liefert und eine Line aus Feuerzeugbenzin zum Brennen bringt, ist der Zirkus perfekt. Vom Chili gibt's am nächsten Tag immer was zu erzählen. Sofern man sich noch erinnern kann.

Die Glocken, der Zirkus, das Ende

Wer jetzt immer noch nicht müde, und nach einem Besuch im Chili auch noch fit genug ist, dem will ich die Glocken im Goethepark ans Herz legen. Ein magischer Ort, der den richtigen Soundtrack für verzauberte Nächte in Klagenfurt liefert. Wir sehen uns dann da.

Mit ein bisschen Mut und dem Gespür für den richtigen Ort, ist Klagenfurt jedenfalls ein Abenteuer—eine Reise in fremde Welten und Zirkus zugleich. Also meine Süßen, Klagenfurt ist ein Diamant. Ein ungeschliffener zwar, aber immerhin. Man muss halt nur wissen, wo man hier lang muss.