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Musik

Wie Lev Bro mit Zeckenrap die FPÖ in Angst und Schrecken versetzt

Wir haben uns mit dem Typen unterhalten, der der FPÖ eine Presseaussendung wert war.

„Hände hoch Strache, deine Uhr, tick-tack. Raus aus der Hofburg mit dem Nazipack. Mit ner AK-47 rein ins Gefecht, no WKR, Offensive gegen Rechts“ – mit diesen Zeilen in seinem Partisan*innenrap auf Youtube wurde der Wiener Rapper Lev Bro über Nacht praktisch wienweit bekannt. Denn am 13. Jänner zitierte die Wiener FPÖ daraus, um sie als „Gewaltaufrufe gegen den Akademikerball“ anzuprangern.

Der Track, der mit den Worten „Gangsta-Rap ist tot, wir sind Rap-Partisanen“ beginnt, ist aber nicht eigens wegen der bevorstehenden Proteste gegen den Wiener Akademikerball entstanden. Die Mischung aus gesellschafts- und kapitalismuskritischen Zeilen mit dezent ironisch überspitzten Anlehnungen an die Ausdrucksformen des Gangsta-Rap könnte eher als eine Art Weckruf an alle potentiellen „Zeckenrapper“ Wiens verstanden werden. Frei nach dem Motto „if the kids are united“ heißt es in seinem Text auch: „An alle Faschisten: Ihr könnt euch verpissen / denn Hakan und Ali / werden euch nicht vermissen. / Ich werd noch konkreter: Auch Günter und Peter / schenken blau-braunen Tätern / auf der Straße keinen Meter.“

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Eine etwas weniger schmeichelhafte Sichtweise des Track wäre, dass es sich dabei um Agitrop handelt, der stilistisch ungefähr auf dem Level des Chemie ist in-Raps ist, nur mit einer tausend Mal sympathischeren Botschaft. Das zu entscheiden, überlassen wir auch aber ganz selbst.

Wir haben uns stattdessen mit dem neuen Feindbild der FPÖ getroffen, um ein bisschen mehr über seine Frühstücksvorlieben und sein Verhältnis zu Moneyboy zu erfahren. Er hat sich aber lieber gleich richtig mit uns über Politik unterhalten und ehrlich gesagt sind wir im Nachhinein auch ganz froh darüber.

Wow, dein Diss gegen die FPÖ hat ja voll eingeschlagen!
Lev Bro:Ich hätte ehrlich gesagt gar nicht gedacht, dass die FPÖ das aufgreift, da es ja nur eine einzige Zeile im ganzen Text ist. Es war auch Zufall, dass das Video wenige Wochen vor dem Akademikerball hochgeladen wurde. Eigentlich war es bereits im Oktober fast fertig, aber dann hat sich das noch etwas hingezogen …

Der Track ist ja alles andere als politisch korrekt, kommt teilweise fast punkig daher …
Voll, ich habe lange in einer Punkband gespielt. Wir haben daher auch einen Proberaum, in dem wir uns zum Jammen treffen. Dort haben wir immer wieder Freestyle-Raps gemacht und uns einzelne Lines notiert. Es hat sich dann irgendwann so viel angesammelt, dass wir uns eines Tages gedacht haben: wir haben das ganze Equipment im Studio, nehmen wir's doch einfach auf! Das haben wir dann auch gemacht und ähnlich spontan haben wir dann auch das Video am Donaukanal umgesetzt. Das war echt mein absolut erster Versuch in diese Richtung.

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Und wie siehst du selbst die umstrittenen Zeilen?
Also wie gesagt geht es in dem Text nicht vordergründig um die FPÖ oder den Akademikerball. Aber dass Straches Zeit – politisch gesehen – früher oder später ablaufen wird, ist sicher kein Geheimnis. Und das mit der AK-47 kam nur deshalb in den Text, da wir die Zeile, in der sich „[rein ins] Gefecht“ auf „gegen rechts“ reimt, noch irgendwie vervollständigen mussten. (lacht) Natürlich ist das nicht wortwörtlich zu verstehen. Aber dadurch komm' ich in den Medien jetzt immer in Situationen, in denen ich mich für etwas rechtfertigen muss, wozu ich nicht steh'. Natürlich ist es nicht sinnvoll mit einer AK-47 in eine Demo reinzulaufen!

Der jüngste Abgeordnete des Parlaments, der Grüne Julian Schmid, hat sich öffentlich davon distanziert, mit dir auf Facebook befreundet gewesen zu sein, nachdem die FPÖ ihn dazu öffentlich aufgefordert hatte…
Das ist echt schwach und ich kann das wirklich nicht nachvollziehen. Wenn er unbedingt meint, er müsse mich entfrienden, soll er das tun. Aber nicht so öffentlich, in der Krone, auf Aufforderung der FPÖ. Ist es der neue Anspruch der Grünen, der FPÖ gerecht zu werden? Er hätte die Vorlage der FPÖ auch dazu nützen können, seine eigenen Positionen an die Öffentlichkeit zu bringen und auf rechte Gewalt hinzuweisen.

Ich nehme an du verortest dich eher im linken politischen Spektrum?
Ich bin auf jeden Fall linksradikal, also in der eigentlichen Bedeutung des Wortes: Wir müssen das System an der Wurzel der Ungerechtigkeit packen und verändern. Links sein bedeutet für mich die Grundlage der Gesellschaft auf voller demokratischer Mitbestimmung aufzubauen und das vor allem auch im ökonomischen Bereich. In der öffentlichen Wahrnehmung bedeutet "links sein" immer auch 'politisch extrem sein'. So, als wäre die politische Mitte im Gegensatz dazu neutral und legitim. Dabei finde ich es nicht weniger extrem, ein System zu verteidigen, in dem Menschen verhungern oder abgeschoben werden.

Der in deinem Track angesprochene Akademikerball, weswegen ja auch die FPÖ so gereizt reagiert, steht unmittelbar bevor.
Also grundsätzlich ist es ein Verdienst der Demonstrationen, dass diese Veranstaltung ins Rampenlicht gerückt wurde und nicht mehr als harmloser Ball durchgeht. Aber ich finde es schade, dass man sich seit 2012 in Wien nicht mehr auf eine gemeinsame Demonstration einigen kann. Klar hat es auch Vorteile, zwei zeitgleiche Demos abzuhalten. Aber prinzipiell sollte schon der Anspruch sein, Dinge gemeinsam anzugehen. In Deutschland, scheint mir, können sich linke Gruppen einfacher auf gemeinsame Protestplattformen einigen.

Die österreichische Linke ist dir zu gespalten?
Österreich braucht auf jeden Fall eine linke Arbeiter*innenpartei. Aber eine wahrnehmbare starke linke Alternative kann man nicht einfach 'gründen'. Sie muss aus Arbeitskämpfen und Bewegungen heraus entstehen. Deshalb ist es so wichtig an der Basis der Gesellschaft zu organisieren: in Betrieben, Schulen und auf der Uni.

Und deine Texte sind ein Beitrag dazu?
Es ist schade, dass es in Wien keine dezidiert linke Hip Hop-Szene gibt. Wäre cool wenn sowas entstehen würde. In Deutschland gibt’s dieses 'Zeckenrap'-Dings, eine solidarische, linke Hip Hop-Szene mit den Grundpfeilern Antisexismus – Antirassismus – Anti-Homophobie. Da wird nicht viel gedisst. Ich bin kein Gangsta-Rapper. Das ganze Schwulen-Dissen ist einfach scheiße. Es spricht für mich für mangelndes Selbstbewusstsein, seine eigene 'Männlichkeit' ständig so in den Vordergrund zu rücken. Vielleicht ist es aber auch Ausdruck des ständigen Selbstbehauptungsdrucks, dem Migrant*innen in unserer Gesellschaft unterliegen. Der Druck, sich ständig beweisen zu müssen.

Wie geht’s mit dir weiter, nach der heftigen Kritik an deinem Erstlingswerk? Legst du noch eins drauf im nächsten Track?
Jetzt will ich auf jeden Fall noch einen Track machen – sehr gerne auch ein Feature mit anderen Rappern. Kid Pex würd mir spontan einfallen, aber auch andere … Meldet euch, wenn ihr euch angesprochen fühlt!