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Wir haben uns das Rooz-Interview mit Jan Böhmermann angesehen, damit ihr es nicht tun müsst

Das kam unerwartet: Jan Böhmermann sitzt mit Rooz gemeinsam in einem Auto und redet über seinen Erdogan-Prozess, macht sich für Polizisten stark und hat Verständnis für Bushido.

Jan Böhmermann sitzt mit Deutschrap-Interview-Legende Rooz von hiphop.de gemeinsam in einem Auto. Das kam unerwartet. Im gestern veröffentlichten ersten von zwei Teilen ging es so ziemlich um jedes erdenkliche Thema, zu dem die Beiden eine Meinung haben könnten. Sie fielen sich andauernd ins Wort, schrien um die Wette und hatten viel zu lachen—soweit ein typisches Deutschrap-Interview.

Auch wenn wir manchmal gegen diese endlosen Uncut-Kaffeekränzchen sticheln, kommt diese Art des Interviews natürlich einer normalen, ungezwungenen Unterhaltung am nächsten. Und genau das liefern die beiden Entertainer. Aber mal ernsthaft: Wer hat 1:21:07 Stunden Zeit, sich den Spaß anzuschauen? Klar, wir von Noisey. Also haben wir aus dem Interview die unterhaltsamsten Passagen herausgeschrieben. Schaut euch in der Zeit lieber Rashomon an.

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Szene: Rooz und Jan Böhmermann sitzen gemeinsam auf der Rückbank, umgeben von GoPros, die zum Ärger des Rooz' andauernd herunterfallen. Während des ersten, belanglosen Austauschs (über Snapchat) kommt man nicht umhin, sich zu fragen: Wieso braucht ein deutscher A-Promi und TV-Moderator ein Interview mit HipHop.de? Eine Antwort erhält man nicht.

Auf den ersten Blick sieht Böhmermann mit Sonnenbrille und Beanie der üblichen Rapper-Klientel von Rooz nicht unähnlich und nennt auch in seinen Beispielen anfangs Frauen ganz locker "Alte". Aber: "Das ist der große Unterschied zwischen mir und den anderen Leuten aus deinem Game: Dass ich mich sofort anschnalle." Locker und ungezwungen tingeln sich die beiden ohne Verschnaufspause durch die lose gesetzten Themen. Böhmermann erklärt, er würde in seiner Firma keine Leute mit Tattoos einstellen weil diese "zu viel Freizeit im Kopf" hätten. Er hat Pokemon-Aktien gekauft und verkauft, um vom Boom um Pokemon Go zu profitieren.

Erste Böhmermann-Weisheit: Geld ist nicht alles! "Ab 100.000 im Jahr netto bist du wunschlos glücklich, darüber hinaus machst du nur Quatsch mit dem Geld… Es ist aber trotzdem gut, viel Geld zu haben." #deep

Neben Geld wird auch der Themenbereich Recht und Gesetz im Laufe des Interviews immer wiederkehren—nicht nur wegen Böhmermanns laufendem Prozess. Witzigerweise kann Jan B. auch ohne die Klage des türkischen Präsidenten auf eine deutlich längere kriminelle Karriere zurückblicken als Rooz, der gestehen muss, noch nie einen Konflikt mit dem Gesetz gehabt zu haben. Böhmermann nennt ihn daraufhin eine "Kartoffel" und Rooz gibt zu, in dieser Hinsicht ein "Lauch" zu sein.

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Zweite Böhmermann-Weisheit: "Es hat nichts mit fehlendem Respekt zu tun, dass der Respekt abgenommen hat, sondern den Leuten wird klar: Wir leben in einem freien Land, einer freien Gesellschaft. Es gibt eigentlich keine Unterschiede zwischen arm und reich, mächtig und nicht mächtig. Alle müssen einmal am Tag scheißen oder es brennt beim pissen oder haben Husten."

Böhmermann spricht im Rahmen des Themenkomplexes Recht und Justiz auch öfters über seinen verstorbenen Vater, der auch Polizist war, und versucht trotz Ironie und Sarkasmus den Arm des Gesetzes etwas attraktiver zu machen: Bei Polizisten und Richtern gelte das selbe wie für alle anderen Menschen: "Die meisten sind halt Asis. Asi ist, so zu tun, als sei man kein Asi. Es ist wichtig, seinen Kindern beizubringen, dass es Gesetze gibt und dass man sich in der Schule anstrengen muss, aber es ist auch wichtig, seinen Namen zu rülpsen."

Rooz will die Brücke zum Rap schlagen und stellt fest, dass Böhmermanns pseudo-deeper Real Talk sehr dem ähnelt, was Rooz regelmäßig von HipHop-Musikern erzählt bekommt. Auf die Frage, warum er sich so gut mit Rappern verstehe, winkt Böhmermann aber ab: "Ich verstehe mich mit Rappern überhaupt nicht gut! Ich habe mit denen auch gar nichts zu tun. Ich bin kein Rapper. Großes Missverständnis." sagt der Pol1z1stensohn-Rapper im Interview auf HipHop.de. Er wäre gerne Polizist geworden, aber "Schau dir meinen Körper an. Ich hätte den Sporttest nicht bestanden."

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Die Beiden reden auch viel über Rassismus und nationale Identität in Deutschland und ärgern sich über Hass-Postings aus dem Freundeskreis. Allerdings könne jeder auf so Gedanken kommen: "Als diese Erdogan-Nummer so heiß war, bin ich durch Ehrenfeld gelaufen und hatte vor jedem Kopftuch Angst—was natürlich totaler Bullshit ist."

Dritte Böhmermann-Weisheit: "Du musst den Mut haben zum Streiten! Und du musst ertragen, dass andere Leute dir Sachen sagen, die du scheiße findest." Als Beispiel führt Böhmermann Niqabs an, die er "fast nicht aushält", wenn er sie auf der Straße sieht.

Irgendwann dann—gefühlte Stunden von Phrasendrescherei, gegenseitigem Unterbrechen und metaphorischem Dick-gesucke, Widersprüchen und grundlosem Staiger-Gedisse später—geht es noch ein bisschen um HipHop. Böhmermann stimmt zum Beispiel Bushido zu, der sich über die große Böhmermann-Solidarisierungswelle zu Schmähgedicht-Zeiten aufgeregt hatte. Während es damals auf Facebook mehr Plädoyers für Kunst- und Meinungsfreiheit gab als ungewollte Werbung für Ray Ban, hatte man für die medienwirksame Indizierung von Bushidos und Shindys 2013 erschienenen Songs "Stress ohne Grund", in dem er unter anderem Klaus Wowereit oder Claudia Roth "beleidigte", nur bedingt Verständnis.

Auch das angespannte Verhältnis zu Fler, der angekündigt hatte, den Moderator Böhmermann zu "finden" und zu "ficken", war Thema. Man hätte Fler zum Neo Magazin Royale eingeladen—aber nicht für ein reguläres Interview, da dann das Publikum erwarten würde, dass Böhmermann Fler verarsche. Stattdessen wollte man Fler für die erfolgreiche "deutsche Rapgeschichte" anheuern, worauf der aber keine Lust hatte. Vielleicht auch besser so.

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Soweit die kondensierten Informationen aus dem Interview. Gerade weil Böhmermann ein ungewöhnlicher Gast in Rooz Auto ist, zeigt das Video die Vorteile des ungeschnittenen Laber-Styles deutscher Rapper-Interviews: Wenn die Chemie zwischen den beiden Typen stimmt und sie sich gut verstehen, macht sie das sympathisch. Die gemütliche Atmosphäre, die Rooz zu schaffen weiß, führt natürlich dazu, dass sich die Gäste wohl genug fühlen, einfach aus dem Nähkästchen zu plaudern, Witze machen oder auch über unangenehmere Themen zu reden.

Allerdings zahlt das Publikum für diese entspannte Stimmung, die nicht zuletzt daher rührt, dass weitestgehend Belanglosigkeiten ausgetauscht werden. Böhmermann verkauft einfachste Sätze als Durchbrüche und Rooz kommt mindestens fünfmal mit Zitaten und Statistiken um die Ecke, die er von irgendwem gehört hat. Alles findet total unstrukturiert statt, Themen werden kurz angeschnitten, um dann wieder Themen zu weichen, die zehn Minuten lang durchgekaut wurden. Wer die Zeit dafür hat, möge sich täglich drei bis vier Stunden neuen Content anschauen, nur um auf ein paar wirklich spannende Minuten zu stoßen. Langsam nimmt das Internet den Video-Redakteuren sogar komplett den Job ab: Ein selbstgemachter fünf-Minuten-Ausschnitt mit der relevantesten Stelle eines 16-Bars-Interviews mit Coup hat deutlich mehr Views als das Original. Fast wie bei WikiLeaks.

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