Ein Nachruf auf das unnötigste Phänomen des Jahres: Horror-Clowns
Bild: Bruce Szalwinski | flickr | by CC 2.0

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Ein Nachruf auf das unnötigste Phänomen des Jahres: Horror-Clowns

Woher kam dieses Phänomen eigentlich?

Der Hype um die Horror-Clowns hat im Oktober 2016 auch Österreich erreicht—zumindest die Medien. In vielen österreichischen Zeitungen und auch im TV wurde die vermeintliche Bedrohung ausgeschlachtet und für kurze Zeit verging kein Tag ohne einer neuen Meldung über einen weiteren Zwischenfall mit einem Horror-Clown. Aber wo kommt das Phänomen eigentlich her?

Die Anzahl jener, die sich vor Clowns fürchten, ist im Laufe der letzten Jahre stetig gestiegen, sodass man heute von einer "Coulrophobie" spricht—der Angst vor Clowns. Es stellt sich also die Frage, warum diese eigentlich freundlichen und lustigen Gesellen mehr Schrecken als Lachen verbreiten. Doch Clowns existieren bereits über einen langen Zeitraum hinweg, so lassen sich ihre kulturellen Wurzeln über viele Jahrhunderte zurückverfolgen: Die Pygmäen zu Zeiten der Pharaonen (2500 v.Chr.), der berühmte YuSze, der im alten China den Kaiser auf ironische Weise überzeugte, die Chinesische Mauer nicht bemalen zu lassen bis hin zu den Hofnarren der Könige im Europa des Mittelalters.

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Aufgrund einiger tragischer Schicksale Einzelner, kam es schließlich dazu, dass Clowns mit Angst und Schrecken in Verbindung gebracht wurden. Joseph Grimaldi, der 1778 in London geborene Schauspieler, muss in diesem Zusammenhang erwähnt werden. Er kreierte das heute gängige Bild eines Clowns mit einem weiß geschminkten Gesicht, roten Flecken auf den Wangen (als Anspielung auf Alkoholmissbrauch) sowie übergroßer Kleidung. Doch auch für sein tragisches Leben, das ihn auf der Bühne beeinflusste, wurde der Londoner bald bekannt. Grimaldi wurde schon früh durch seinen tyrannischen Vater geprägt und seine geliebte Frau verstarb aufgrund starken Alkoholmissbrauchs, nachdem sie ihren gemeinsamen Sohn bei der Geburt verlor. Die Zuschauer seiner Vorstellungen konnten kaum einen Unterschied zwischen der verkörperten Figur und seinem "wahren" Ich ausmachen.

Ungefähr zur selben Zeit erlangte der Franzose Jean-Gaspard Deburau als Clown große Beliebtheit in den Straßen Londons. Weder er noch Grimaldi trugen dazu bei, dem Clown ein freundliches Image zu verschaffen—ganz im Gegenteil, sie begründeten viel mehr die Angst und Feindseligkeit, wie sie viele heute gegen Clowns hegen. Ihr Einfluss reichte bis in die Literatur und so inspirierte Grimaldis Leben auch den englischen Schriftsteller Charles Dickens, der die Rechte an seinen Memoiren besaß. Doch schon Jahre zuvor hatte Dickens sich dem Thema des ärmlichen, traurigen Clowns gewidmet und 1836 einen Roman mit dem Titel Tea Pickwick Papers veröffentlicht, womit er auch einen Teil zur Entstehung des düsteren Images beitrug. Mehr als ein Jahrhundert nach Dickens Roman sorgte der US-amerikanische Serienmörder John Wayne Gacy in den 1970er-Jahren für Aufruhr. Gacy war auch bekannt als "Killer Clown", der bei Kindergeburtstagen verkleidet auftrat und so seine insgesamt 33 Opfer ausfindig machte.

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Österreich sollte das Horror-Clown Phänomen also im Herbst 2016 erreichen. Am 18. Oktober 2016 berichtet die Presse über die erste Sichtung des Grusel-Clowns in Österreich. Für kurze Zeit folgten täglich Berichte über weitere Vorfälle und Sichtungen: So soll laut Berichterstattung in Hallein ein Clown einen 14-jährigen Buben auf dem Fahrrad attackiert haben, während in Tirol ein 19-Jähriger gleich von drei Verkleideten und Maskierten in der Nähe einer Diskothek angegriffen wurde. Neben tatsächlichen Attacken auf Personen wurde die Polizei aber auch auf einen Fall aufmerksam, der sich bloß als Erfindung entpuppte. Ein 13-jähriger Steirer dürfte die Attacke von drei Grusel-Clowns nur erfunden haben, um Aufmerksamkeit zu erregen.

Der deutsche Kriminalpsychologe Jens Hoffmann, Leiter des Instituts für Psychologie und Bedrohungsmanagement in Darmstadt, bestätigt in einem Interview mit der Presse, dass es den vorrangig jugendlichen Tätern nur darum ginge, mit Hilfe solcher "Scherze" Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Hoffmann erklärt, dass durch die ständigen Berichte über Angriffe der Hype rund um die Killer-Clowns gefördert wird und Nachahmer auf den Plan ruft. Genau das versuchte die österreichische Polizei zu verhindern, scheiterte jedoch daran. Laut der Pressestelle der Landespolizeidirektion Oberösterreich gab es regelmäßigen Kontakt mit allen relevanten Medien, denn diese wurden täglich von der Polizei darüber informiert, dass es keine Vorfälle gab. Dennoch hielten sich eine Zeitung sowie ein Radiosender nicht an die Fakten, verbreiteten Clown-Bilder aus Horrorfilmen und berichteten über Sichtungen, die weder offiziell bestätigt, noch angezeigt wurden.

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Als Antwort der klassischen Medien auf das Phänomen, die vom Medienrummel profitieren wollten, kam nicht die erhoffte Dämpfung, sondern eine Skandalisierung bis hin zur Panikmache.

Alles in allem gab es im Raum Linz lediglich eine Anzeige im Zusammenhang mit Clowns. Seitens der Pressestelle wird zudem eingeräumt, dass eventuell der seit 1. September bestehende Twitter-Account aktiver genützt hätte werden sollen, ähnlich wie beim Kongress der "Retter Europas" in Linz. Im Gegensatz dazu war das österreichische Innenministerium in den sozialen Netzwerken aktiv und warnte davor, dass sich Täter auch ohne tätliche Angriffe strafbar machen können. In diesem Fall ist von möglichen Delikten wie etwa Drohungen und Nötigungen sowie Körperverletzungen die Rede. Um weitere Attacken auf unschuldige Personen zu vermeiden und gleichzeitig aktiv gegen Maskierte vorzugehen, reagierte das BM.I zudem mit erhöhter Streifentätigkeit.

Als Antwort der klassischen Medien auf das Phänomen, die offenbar von dem Medienrummel profitieren wollten, kam nicht die erhoffte Dämpfung durch sachliche Argumentation, sondern eine Skandalisierung bis hin zur Panikmache. Das Thema hätte "im Sinne einer aufklärerischen Berichterstattung" abgehandelt werden sollen, um so frühzeitig die Konsequenzen eines solchen "Scherzes" aufzuzeigen, meint der Kommunikationswissenschaftler Fritz Hausjell im APA-Gespräch. Es sei unüberlegt und verantwortungslos, die Clown-Sichtungen auf Titelseiten zu drucken, wodurch zu neuen Taten inspiriert wird.

Dass jedoch durch solche "Schnellschüsse" der klassischen Medien durchaus ernstzunehmende Probleme entstehen können, zeigt sich an dem hohen Nachahmungspotential. "Bis vor kurzem wäre kaum jemand auf die Idee gekommen, sich als Clown zu verkleiden und Menschen zu erschrecken. Inzwischen ist das zum Selbstläufer geworden", so Kriminalpsychologe Jens Hoffmann.


Bild: Bruce Szalwinski | flickr | by CC 2.0