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Popkultur

Best Of 2013: Diese Filme sollten hängenbleiben

Keine Filmliste am Jahresende zu machen, wäre ein bisschen so, wie einen 130 Kilogramm schweren Nackten zu ignorieren, der mit einem Presslufthammer Löcher in den Büroboden neben einem bohrt und dabei lautstark „Wrecking Ball“ singt.

Mit Jahreslisten ist das so eine Sache: Einerseits bemühen sich alle, die offensichtlichsten Top-Picks zu vermeiden und der Kanonbildung entgegen zu steuern, indem sie sich krampfhaft das Skurrilste aus den Synapsen zuzeln, das im vergangenen Jahr unter dem Radar der anderen gelaufen ist—andererseits gibt es immer auch mindestens ein paar gute Gründe, warum ausgerechnet diese zehn und nicht zehn vollkommen andere Filme im Gedächtnis picken geblieben sind (nur vielleicht nicht ganz so viele gute Gründe für all die ähnlichen Jahresbestenlisten).

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So oder so sind Jahreslisten gerade überall—bei Filmen genauso wie bei Serien (unsere Serien-Entdeckungen für euer Feiertags-Binge Watching findet ihr hier). Als einziges Medium nicht mitzumachen oder ihnen zumindest etwas entgegenzustellen, wäre ein bisschen so, wie einen 130 Kilogramm schweren Nackten zu ignorieren, der mit einem Presslufthammer Löcher in den Büroboden neben einem bohrt und dabei lautstark „Wrecking Ball" singt (siehst du den verdammten Penis schlenkern?).

Damit wir aber weder in die eine noch in die andere Kategorie fallen und nicht bemüht dasselbe oder das Gegenteil von allen anderen machen müssen, haben wir unsere Redakteure und Freunde einfach gefragt, was aus dem Filmjahr 2013 am meisten in Erinnerung geblieben ist. Wir werden über die Feiertage wohl einiges davon (noch mal) schauen—alleine schon, weil wir irgendetwas brauchen, das uns das Bild des fetten Nackten aus dem Kopf vertreibt. Viel Spaß.

Foto via HMZ Film

Eins ist klar nach 2013: Der nächste Film, der mich berühren möchte, bekommt fett eins in die Fresse. Cheap triggernde Emotionalisierungs-Burger, suderndes Corporate Arthaus, zarte Hipster-Mädchenhälse, natürlich von hinten, vor dem geteilten Meer der 21st Century Fadesse, you all die suffering! Eins, nur eins der Leinwandepen im verstreichenden Jahr verdient das Überleben im Danach: The Act of Killing, im besten Sinn vollkommen enthemmte drei Stunden Sinnesorgel an Doku über die zarten Massenmörder von nebenan in Indonesien.

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Texanerbübchen Joshua Oppenheimer verlor sich sieben Jahre auf den Spuren eines Genozids. Und schwenkte die Kamera mittendrin um von den Opfern auf die Täter. Vergiss Hannah Arendt! Dieses Stück Mutbibel ist ein transgressives Wunderstück aus Real Cinema mit Karacho, Horror Exotica, psychotronischem Bad Taste Musical und quietschvergnügter Reise ins Herz der Finsternis, bei der man jede Sekunde gleichermaßen lachen und kotzen möchte. Wie ein Ritt im Ecstasy im Prater, nur politisch. Unconditional Love this Fucker is!

PAUL POET

Foto via Kino-Zeit

In gar nicht bunt genug leuchtenden Worten kann man die Verdienste von Spring Breakers und Gravity loben, was die von ihnen heuer auf grundverschiedenen Feldern angeschobene Perspektivenerweiterung des Kinos anbelangt. Und holla, selbst im deutschen Film durfte man eine nicht zu unterschätzende Plattenverschiebung beobachten, fast im Alleingang ausgelöst von diesem seltsam betörend betitelten Streifen namens Finsterworld. „Was Ulrich Seidl machen würde, wenn er (noch) Träume hätte, bitterböse, berauschende, bizarre Fieberträume. Aufregend und aufreibend, Meisterwerk", hatte ich mir dazu im ersten Überschwang nach der ersten Sichtung notiert.

Das Erstaunliche an dem von Christian Kracht mitgeschriebenen Spielfilmdebüt von Frauke Finsterwalder ist nun, dass man dessen Klauen auch nach Tagen noch zu spüren vermag. Ohne in eine sonst so gern bemühte mahnende Betroffenheitsleier zu verfallen werden in diesem pittoresken, plauderstarken Ensemblestück deutsche (und, machen wir uns nichts vor, natürlich auch österreichische) Befindlichkeiten und Obsessionen, nennen wir sie etwa Geschichtsvergessenheit und Tugendversessenheit, zersetzt – was gerade deshalb aufgeht, weil sie dafür und davor in einen kaum greifbaren, nachgerade Lynchesken Zwischenweltzauber übergeführt worden waren. Der ultimative Heimatfilm, der ultimative Horrorfilm.

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CHRISTOPH PRENNER

Foto via The Missing Slate

„So ein Scheiß", hör ich die Freundinnen grantig zischen, als die letzte Skrillex-Bassline (ihrer Meinung nach endlich, meiner Meinung nach viel zu früh) verhallt. „Wah, was für ein Superscheiß." Und ich, noch völlig fertig von der massiven Faustwatsche, die mir „Spring Breakers" da grad ins Hirn gedroschen hat, kann nur verstört vor mich hinblinzeln. Mit so einer unerwarteten Wucht wie Harmony Korines Prolodiscogangstagirlsontherundelirium hat mich 2013 sonst kein Film erwischt. Es ist eine grenzgenialfantastische Parabel auf den American Way of Life, werde ich später einer Freundin auf Facebook schreiben.

Alles drin, was es an amerikanischen Mythen so gibt: the last frontier, Selfmademen, Religion, Größenwahn, Waffenfetischismus, schirche Hemden, Britney Spears. I drink your milkshake as long as it is fluorescent. Dabei hatte ich Harmony Korine nach dem restlos überbewerteten „Trash Humpers"-Dreck schon abgeschrieben und James Franco auch schon nur mehr in Buchform am Nachtkastel liegen. Aber nach den grindigsten Grillz, den grindigsten Cornrows und dem nervigsten „Look at my shiiiiiiiit"-Geheule der Filmgeschichte find ich wieder alles geil, wo Franco draufsteht. Und manche Bilder verfolgen mich monatelang: die Pianoszene am Pool. Der fast schon meditativ langsam gefilmte Überfall auf den Fastfoodladen. Alle Szenen, in denen sturzbesoffene Springbreakerprolos wie in einem feuchten Traum von DocLX zu Skrillex herumspringen. Der flamingofarbene Himmel. Spring Break forever.

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2013 auch noch gut: Pacific Rim, Prince Avalanche, Nebraska, Frances Ha.

CLAUDIA HUBMANN

Foto via Kultur Zeitschrift

Ganz oben an der Spitze, am Rande des weiten Geröllfelds dieses 2013 steht diese kleine Wellblech-Wetterstation durch die verdammt erfrischend bissig der Wind pfeift. Dahinter hat sich die Gletscherwand tief dunkel-rot verfärbt. Ist zum Blutgletscher geronnen. Und das alles ist dann beileibe kein Witz, wie einem der schon auf den ersten Höhenmetern ganz wunderbar glühend entgenpolternde Gerhard Liebmann sogleich deutlich macht, der deswegen gerade seinen Hund erschießen musste. In diesem angenehm bitter Ironie-freien Wunder-Ding von einem Monsterfilm.

Mindestens dem allerschönsten seit 1982, als John Carpenter ähnlich vollbärtige Männer von einem Ding aus einer anderen Welt im verdammt kalten Eis der Antarktis in Stücke reißen lies. Jetzt, gute dreißig Jahre später, schlägt der ganze Horror damit endlich auch in Österreich auf. In einem Film, dem man sich nicht mehr aus der Brust schneiden möchte. Der einem durch die Finger zischt, wie eine sich auf 3.000 Meter lösende Rettungsleine. Direkt ins Herz. Schön.

SEBASTIAN SELIG

Foto via The Movie and Me

Mein Film des Jahres: World War Z. Was haben nicht alle gemåtschkert: „Der Anfang is Scheiße!", „Der Schluss is Oasch!", „Alles dazwischen is fad!" Als ob es plötzlich nicht mehr reichen würde, Brad Pitt zwei Stunden lang beim Brad Pitt-Sein zuzuschauen. Aber auch wenn man dem frischgebackenen Pentagenerianer nichts abgewinnen kann, versteh ich die Kritik nicht ganz. Vom ersten Kill nach 7 Minuten bis hin zum Stadion-BBQ knapp vor den Credits gibt konstant jemand den (Second Hand) Löffel ab, das Ganze ist hübsch gefilmt (auch in unaufdringlichem 3D) und solide geschnitten.

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Dass die Handlung kaum etwas mit der Romanvorlage zu tun hat, mag zwar den Autor stören, macht aber sonst keinen Unterschied. Immerhin geht es da wie dort nicht um den Entstehungsmythos, die Zombifizierung, sondern um den Umgang mit einer Situation, die auch andere Ursachen haben könnte. Der eigentliche Horror des Films liegt demnach in der Vorstellung, dass der Jenga-Turm unserer Zivilisation im Ernstfall nicht einmal einem lauwarmen Darmwind standhalten würde.

LUKAS HOLLENSTEIN

Foto via Pacific Rim The Movie

Mein Kino-Ereignis des Jahres—und ja, es ist ein Ereignis, wie auch ein Kometeneinschlag, der Ausbrauch des Vesuv und die biblische Heuschreckenplage Ereignisse waren—ist diese bestialische „Chemie ist in"-Werbung. Ich habe das Evil Dead-Remake ausgelassen, weshalb mir von diesem Kinojahr nichts Grausameres in Erinnerung bleiben wird, als dieser rappende, bebrillte und abartig-pervertierte Parker Lewis, der wunderbar auf Bachelor reimt. Das einzige, was dem Spot zur Foltermethode auf Waterboarding-Level fehlt, ist ein Feature von Jaden Smith—womit wir beim schlimmsten Film des Jahres angekommen wären.

Überhaupt war Science Fiction 2013 eine einzige Enttäuschung: Oblivion war dank der aufgewärmten Klon-Idee und einer Résistance mit Indianer-Kopfschmuck eine Katastrophe, obwohl ich eigentlich Tom Cruise recht okay finde und Gravity wird—wenn er einmal im Fernsehen gelaufen ist—als die doch recht banale 3D-Enttäuschung erkannt werden, die der Film in Wahrheit ist. Nur zwei Filme retten dem Genre die Ehre und bei beiden muss ich sogar die Hühneraugen zudrücken (ein alter Turnlehrer-Gag), um sie doch noch gelten zu lassen: Star Trek: Into Darkness und Pacific Rim. Elysium war gut, hat aber irgendwie doch nicht gezündet.

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Damit diese Liste aber nicht zu sehr zum Klagelied und Abgesang auf eine Kulturform wird, hier noch meine Lieblingsfilme: Before Midnight, weil er im Gegensatz zu den beiden romantischen Vorgängern (ihr merkt hoffentlich, dass ich romantisch als Schimpfwort gebrauche) vergleichsweise ernste Themen behandelt—obwohl noch immer zu viel geredet und zu wenig gefickt wird, was aber wieder gar nicht so weit vom echten Leben entfernt ist. This Is The End , weil ich bekiffte Typen und Penis-Witze lustig finde. Und last but not least Hunger Games: Catching Fire, weil er nicht in 3D, ziemlich spannend ist und Jennifer Lawrence.

Außer Konkurrenz, weil der beste Film dieses Jahrzehnts, ist Spring Breakers, aber das ist nicht wirklich ein Film. Und dieser Blog existiert in der Form auch nur, weil ich To The Wonder noch nicht gesehen habe.

DAVID BOGNER

Foto via HD Eyes

Mein Highlight—das zwar schon letztes Jahr zu Weihnachten vereinzelt zu sehen war, aber seinen regulären Kinostart auch erst dieses Jahr hatte—ist nach wie vor Zero Dark Thirty, das partei-programmatische (aber nicht plump populistische) Obama vs. Osama-Epos von Kathryn Bigelow. Kein anderer Film war je so spannend, obwohl man von Anfang an weiß, wie die Geschichte ausgeht.

Lustig ist auch, wie sich die Botschaft des Films über die Dauer von nur einem Jahr gewandelt hat: Was nämlich als Aufklärungs-Anrufung zu Obamas zweiter Amtszeit begann, wirkt heute wie ein Nachruf auf die Handlungsfähigkeit einer Regierung, die im schwitzigen Würgegriff der Tea-Partysanen langsam das Bewusstsein verliert.

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Zwar gingen die Republikaner aus dem Shutdown geschwächt hervor, aber der Würgegriff hält trotzdem nach wie vor an; genau wie am Ende des Films gibt es auch in der amerikanischen Parteipolitik derzeit keine einfache, funktionierende Exit-Strategie, keine Aussicht auf Besserung oder bilaterale Hippie-Verbrüderung. Insofern ist Zero Dark Thirty im Nachhinein auch ein bisschen Protokoll eines sich desintegrierenden US-Selbstbilds, an dem selbst die Wirklichkeit (Osama-Jagd beziehungsweise Obamacare) nichts mehr ändern kann. Bis eine(r) weint, eben.

Nicht ganz so kunstvoll, aber zumindest ein unkorrekt-okayer Spaß war Django Unchained, der trotz seiner ganz furchtbar offensichtlich kaputten Logik (wieso kaufen sie Django nicht einfach frei?) wie jeder Tarantino-Film den Alltags-Dialog an die äußersten Ränder des Genrekinos verpflanzt und diesmal den Italo-Western eine Dimension reicher macht. Gravity fand ich persönlich ähnlich großartig wie Zero Dark Thirty, aber ich kann auch bei Titanic und Bridget Jones weinen.

MARKUS LUST

Foto via Comic Book

Wie in meiner Kritik am Bechdel-Test schon erwähnt, schneidet der weihnachtlich galaktische Machete Kills mit einem Einser ab, wenn es nach der Check-Liste zu Gendergerechtigkeit ginge. Noch nie habe ich so viele Ausschnitte gesehen und einen Film trotzdem blöd gefunden. Danny Trejo wird immer mehr zum tatsächlichen Leatherface. Mexikanische Stereotype hackschlachten sich neben einem mystisch-mechanischen Mel Gibson und einer körperfressenden Lady Gaga kaputt. Charlie Sheen als Carlos Estevez ist Präsident und die Avellan-Mädels, die räudigen Crazy Babysitter Twins von Planet Terror, sind beim Pornogewalt-Reigen auch wieder dabei. So fangen meine Gedanken blutbespritzt an zu zirkulieren, rund ums Filmjahr 2013.

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Linklaters Before Midnight hat mich mit dem episch reinigenden Streit des Dekaden-Pärchens durch eine scheiß Trennung begleitet. Dann ist Johnny Depp fucking 50 geworden und Stoker hat mich mit amerikanisch-koreanischen Perversitäten verzaubert. Der zweite Star Trek enttäuschte wie erwartet und Oblivion bewies nur wie man sich aus anderen besseren Filmen einen gutaussehenden Sci-Fi-Blockbuster zusammenklauen kann.

Pacific Rim, der monumental geniale, gezollte Monsterkinotribut, hingegen lief nicht annähernd so gut wie er sollte. Blutgletscher öffnete mein Herz gegenüber Mutanten-Menschhybriden und bewies, dass der Glaube an österreichisches Genre-Kino nicht vergebens ist. Venus im Pelz war einer der wichtigsten Filme dieses Jahr, da er uns klar machte wie sich Züge von SM durch alle zwischenmenschlichen Beziehungsformen ziehen.

Foto via Constantin Film

The Secret Life of Walter Mitty ist ein wunderschöner Film, nur profiliert sich Ego-Arschloch-Fresse Ben Stiller selbst dermaßen unverschämt, dass sich die ganze Amélie-Magie in Erbrochenes verzerrt. Master of the Universe ist perfekt für WU-Studenten-Referate, macht uns durch paranoide Bänker-Monologen über Finanzentwicklungen der letzten 30 Jahre gehörig die Hosen voll und das, gerade jetzt kurz vor den unbeschwerten Feiertagen. Wenn Frankreich bankrott geht, ist alles aus!

Da schon eher Inside Llewyn Davis, der perfekte Weihnachtsfilm für nasse Füße, verfroren Parkbankkuscheln und planlos lebende Musikantenträumereien. Schimpft doch nicht alle so über die Coen-Brüder, auch wenn die Beatnik-Bärte vielleicht etwas zu sauber getrimmt sind und alles übermäßig steril schimmert. Dass Peter O'Toole und Gandolfini tot sind, ist wohl die wahre Tragödie. Abschließend nominiere ich The Counselor zum schlechtesten und Gravity zum spannendsten Film des Jahres. Wohlsein.

JOSEF ZORN